Tz. 4

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Die Vorschriften des IAS 37 sind von allen Unternehmen grundsätzlich für jede Art von Rückstellung, Eventualverbindlichkeit und Eventualforderung anzuwenden, wobei die Begriffe "Rückstellung", "Eventualverbindlichkeit" und "Eventualforderung" und damit der positive Anwendungsbereich in IAS 37.10 geregelt ist (vgl. hierzu Tz. 14 ff.). Für public sector entities gilt ein spezieller Standard des IFAC, International Public Sector Accounting Standard (IPSAS) 19 Provisions, Contingent Liabilities and Contingent Assets.

 

Tz. 5

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Der über die Begrifflichkeiten von IAS 37 positiv definierte Anwendungsbereich wird in IAS 37.1–8 eingeschränkt. Dort werden verschiedene Sachverhalte bzw. Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten oder Eventualforderungen genannt, für die die Regelungen des IAS 37 keine Anwendung finden:

  1. Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten oder Eventualforderungen, die aus noch zu erfüllenden Verträgen resultieren, es sei denn, der Vertrag ist belastend (IAS 37.1 (a) iVm. IAS 37.3);
  2. Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten oder Eventualforderungen, die von einem anderen Standard geregelt werden (IAS 37.1 (c) iVm. IAS 37.2 und IAS 37.5);
  3. Vorgänge wie Abschreibungen, Wertminderungen oder Wertberichtigungen, die in einzelnen Ländern ebenfalls als provisions bezeichnet werden (IAS 37.7);
  4. Aktivierung der bei der Bildung der Rückstellung erfassten Aufwendungen (IAS 37.8).
 

Tz. 6

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Ad a)

Für sog. schwebende Geschäfte, bei denen die zur Sach- oder Dienstleistung verpflichtete Partei ihre Leistungspflicht noch nicht erfüllt hat, darf IAS 37 grundsätzlich nicht angewendet werden. Mit dem Ausschluss von Verpflichtungen bzw. Ansprüchen aus schwebenden Geschäften – sofern nicht belastend – wird sichergestellt, dass es nicht zu einer unnötigen Aufblähung der Bilanz kommt (hierzu vgl. auch Tz. 75). Denn aufgrund des Saldierungsverbots (zum Saldierungsverbot vgl. Tz. 114 ff.) von Rückstellungen und Erstattungsansprüchen, würden diese – sofern im einzelnen Sachverhalt die Passivierungs- bzw. Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt wären – passiviert und aktiviert (vgl. ähnlich Ernst & Young (Hrsg.), 2020, S. 1837). Erst wenn die Verpflichtungen des bilanzierenden Unternehmens dessen Ansprüche aus einem schwebenden Vertrag übersteigen, liegt ein sog. belastender Vertrag vor (zur Definition von belastenden Verträgen vgl. Tz. 25), der in den Anwendungsbereich von IAS 37 fällt (vgl. auch Tz. 75 f.).

 

Tz. 7

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Ad b)

Gemäß IAS 37.1 (c) iVm. IAS 37.2 und IAS 37.5 sind diejenigen Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen, deren bilanzielle Behandlung bereits in einem anderen Standard geregelt ist, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Hierzu zählen (vgl. auch Schrimpf-Dörges, in: Beck IFRS-Handbuch, § 12, Tz. 3):

  • Finanzinstrumente, einschließlich Garantien (IFRS 9);
  • im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses übernommene Eventualverbindlichkeiten die – abweichend von den Ansatzvorschriften gemäß IAS 37.14 unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Tz. 62 sowie ausführlich IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 163 ff.) zum Erwerbszeitpunkt anzusetzen sind (IFRS 3.23 iVm IFRS 3.18);
  • Erlöse aus Verträgen mit Kunden (IFRS 15), wobei mangels eigenständiger Regelungen in IFRS 15 für belastende oder belastend gewordene Verträge mit Kunden IAS 37 anzuwenden ist;
  • Steuerrückstellungen (IAS 12);
  • Rückstellungen im Zusammenhang mit Leasingverhältnissen (IFRS 16);
  • Rückstellungen im Zusammenhang mit Leistungen an Arbeitnehmer (IAS 19);
  • Versicherungsverträge (IFRS 17).
 

Tz. 8

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Diese separaten Vorschriften gehen den allgemein gültigen Vorschriften des IAS 37 vor. Der pauschale Ausschluss von allen separat geregelten Sachverhalten gemäß IAS 37.1 (c) stellt eine Art Öffnungsklausel dar, die auch für Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen gilt, die erst künftig durch einen separaten Standard geregelt werden.

 

Tz. 9

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Sofern in den separaten Standards allerdings für einzelne Sachverhalte bzw. Bilanzierungsprobleme keine expliziten Regelungen enthalten sind, ist für diese IAS 37 anwendbar. So ist IAS 37 für alle kurzfristigen und geringwertigen Leasingverhältnisse anzuwenden, die beim Leasingnehmer nicht zum Ansatz eines right-of-use assets führen. Zudem gilt IAS 37 auch für Leasingverhältnisse, die bereits vor dem Bereitstellungsdatum belastend waren (IAS 37.5; vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 16, Tz. 6ff.). Mit IFRS 17 wurde die bilanzielle Behandlung von Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit Verträgen mit Versicherten entstehen, speziell geregelt. Folgerichtig ist die bilanzielle Behandlung dieser speziellen Verpflichtungen insb. für Versicherungsunternehmen aus dem Anwendungsbereich des IAS 37 ausgeschlossen. Für sonstige Verpflichtungen (zB Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen), die nicht im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen entstehen, haben Versicherun...

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