Tz. 75

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Die für die Umstellungspraxis von Konzernen wohl wichtigste optionale Ausnahme von der retrospektiven Anwendung der IFRS gewährt IFRS 1.18 iVm. IFRS 1 Anhang C für die bilanzielle Behandlung von vorangegangenen Unternehmenszusammenschlüssen im Anwendungsbereich von IFRS 3, dh. solchen, die vor dem Übergangszeitpunkt (vgl. Tz. 24) stattgefunden haben. Ein IFRS-Erstanwender darf wählen, ob er

  • IFRS 3 auf vorangegangene Unternehmenszusammenschlüsse retrospektiv anwendet, dh. ob er alle vorangegangenen Unternehmenszusammenschlüsse nach IFRS 3 bilanziert, oder
  • IFRS 3 auf vorangegangene Unternehmenszusammenschlüsse ab einem von ihm gewählten Zeitpunkt retrospektiv anwendet (1. erleichterndes Wahlrecht; IFRS 1.C1) oder
  • IFRS 3 prospektiv auf ab dem Übergangszeitpunkt stattgefundene Unternehmenszusammenschlüsse anwendet (2. erleichterndes Wahlrecht; IFRS 1.C1).
 

Tz. 76

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Wenn ein IFRS-Erstanwender IFRS 3 retrospektiv anwendet, darf er den Zeitpunkt der retrospektiven Anwendung bestimmen, von dem ab er die retrospektive Anwendung bezüglich des Unternehmenszusammenschlusses vornimmt. So darf ein Unternehmen, das zum 1. Januar 2019 seine Rechnungslegung auf die IFRS umstellt, IFRS 3 auf alle Unternehmenszusammenschlüsse retrospektiv anwenden, dh. die Erstkonsolidierungen rückwirkend nach IFRS 3 vornehmen, die bspw. ab dem 30. Juni 2012 stattgefunden haben. Für alle Unternehmenszusammenschlüsse, die nach dem vom Unternehmen bestimmten Zeitpunkt eines freiwillig gewählten Unternehmenszusammenschlusses stattfinden, ist IFRS 10 anzuwenden. Dies gilt auch, wenn sich die Anpassung auf einen Unternehmenszusammenschluss in einem Geschäftsjahr bezieht, in dem IFRS 10 (an sich) noch nicht anwendbar (vgl. IFRS 1.C1); entscheidend für den anzuwendenden IFRS ist der Übergangszeitpunkt. Bei allen vor dem vom IFRS-Erstanwender gesetzten Stichtag stattgefundenen Unternehmenszusammenschlüssen ist auf eine retrospektive Anwendung des IFRS 3 zu verzichten, dh., dass für diese Unternehmenszusammenschlüsse grundsätzlich die nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen vorgenommene Erstkonsolidierung maßgebend bleibt (zu den erforderlichen Anpassungen vgl. Tz. 84ff.). Im Falle eines sukzessiven Anteilserwerbs ist zu berücksichtigen, wann die Kontrolle über das erworbene Unternehmen erlangt worden ist. Wenn die Kontrolle über das erworbene Unternehmen erst nach dem Zeitpunkt der retrospektiven Anwendung von IFRS 3 erworben worden ist, dann ist IFRS 3 auch auf die vorherigen Tranchenerwerbe retrospektiv anzuwenden, auch wenn diese vor dem Zeitpunkt der retrospektiven Anwendung von IFRS 3 liegen. Dadurch wird der Zeitpunkt der retrospektiven Anwendung von IFRS 3 auf andere Unternehmenszusammenschlüsse vor diesem Zeitpunkt indes nicht berührt (vgl. PwC, Manual of accounting IFRS 2019, FAQ 2.48.3).

 

Tz. 77

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Durch die Einräumung der Wahlrechte, IFRS 3 prospektiv oder retrospektiv anzuwenden und den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem IFRS 3 retrospektiv angewendet wird, sollen nach dem Willen des IASB einerseits die konzeptionell vorzugswürdigere Anwendung von IFRS 3 zulässig sein, andererseits aber auch ein hoher Datenbeschaffungsaufwand und bei rückwirkender Anwendung ggf. erforderliche subjektive Einschätzungen vermieden werden können (IFRS 1.BC32–34). Formal ist es also nicht erforderlich, dass die nach IFRS 3 notwendigen Bewertungen und Informationen bereits zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung vorhanden sein müssen. Auch wenn es nicht explizit verboten ist, sollte uE auf eine retrospektive Anwendung von IFRS 3 verzichtet werden, wenn die notwendigen Informationen nicht bereits zu den entsprechenden Zeitpunkten der ursprünglichen Unternehmenszusammenschlüsse vorlagen und diese nur in einem erheblichen Ausmaß unter Zuhilfenahme nachträglich vorliegender besserer Kenntnisse generiert werden können (vgl. EY International GAAP 2020, Kap. 5.5.2.2).

 

Tz. 78

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Das Wahlrecht von IFRS 1.18 iVm. IFRS 1 Anhang C hat erhebliche Bedeutung für einen IFRS-Erstanwender. Nach IFRS 3 ist für die Bilanzierung des Goodwills nur der sogenannte impairment only approach zulässig. Gemäß dem impairment only approach darf ein Goodwill aus einem Unternehmenszusammenschluss nicht planmäßig, sondern gemäß IAS 36 nur außerplanmäßig abgeschrieben werden. Bei einem hohen Goodwill kann sich die retrospektive Anwendung von IFRS 3 wesentlich auf die Vermögens- und Ertragslage auswirken, da ab dem vor dem Übergangszeitpunkt gesetzten Stichtag (in dem obigen Beispiel der 30. Juni 2012) die planmäßige Abschreibung entfällt.

 

Tz. 79–80

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

(einstweilen frei)

 

Tz. 81

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Ein IFRS-Erstanwender, der IFRS 3 prospektiv anwendet, hat sämtliche Vorschriften des IFRS 1.C4(a)–(k) in der IFRS-Eröffnungsbilanz zu beachten (vgl. Tz. 84ff.). Die Beträge aus den erforderlichen Anpassungen von Vermögenswerten und Schulden in der IFRS-Eröffnungsbilanz sind erfolgsn...

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