Tz. 1

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Finanzanalysten können grundsätzlich als Informationsintermediäre charakterisiert werden und stellen damit eine sehr bedeutsame Nutzergruppe von Jahresabschlussinformationen dar. Rechnungslegungsdaten gelten dann als nützlich, wenn sie relevante Informationen zur Entscheidungsfindung zur Verfügung stellen oder diese erleichtern (vgl. Coenenberg, 2016, S. 1021ff.).

Für das Verständnis der Beurteilung der neuen IFRS-Normen durch Finanzanalysten ist es bedeutsam, die Aufgaben, Ziele, Methodik und Arbeitsweise sowie die daraus folgenden Informationsbedürfnisse eines Finanzanalysten richtig zu verstehen und einzuordnen. Daher wird eingangs zunächst das Tätigkeitsprofil eines Aktienanalysten dargestellt, bevor die finanzanalytischen Implikationen der wichtigsten aktuellen IFRS-Normen näher beleuchtet werden.

I. Aufgaben, Ziele und Methodik

 

Tz. 2

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Analysten sind in ihrer Positionierung am Kapitalmarkt als Koalitionsteilnehmer im Wesentlichen als weitgehend unabhängige Informationsintermediäre zwischen Unternehmen und Eignern anzusehen. Kerninhalt der Tätigkeit ist die Aufnahme, Bearbeitung und Bewertung von möglichst allen relevanten Informationen unter Beachtung eines ökonomischen Kalküls (Kosten-Nutzen-Abwägung) zur Erstellung einer Bewertung des Unternehmens. Die Unternehmensbewertung ist letztendlich ein wesentlicher Parameter und Basis zur Ableitung einer Handlungsempfehlung zu einer Aktie. Das Erarbeiten von Investmentempfehlungen ist Primärziel der Finanzanalystentätigkeit.

Wesentliches methodisches Element einer Aktienanalysetätigkeit ist die Errechnung der nachhaltigen Ertragskraft bzw. der Fähigkeit einen operativen Free Cashflow zu generieren.

Dies ist sowohl notwendig zur Durchführung von Betriebsvergleichen als auch Basis der Berechnung eines absoluten Unternehmenswertes.

 

Tz. 3

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Für die Entscheidungsfindung und die Unternehmensbewertung müssen Prognosedaten gewonnen werden, die sich immer an vergangenheitsbezogenen Daten als Ausgangsbasis orientieren. Planungsrechnungen setzen als operationalisierende Elemente Soll-Ist-Vergleiche und Planungsrevisionen sowie eine detaillierte Erfolgsspaltung voraus (vgl. AICPA, 1994; Born, 2003, S. XI f.). Rechnungswesendaten liefern den Abgleich zwischen Planungen und wirtschaftlichen Realisationen.

Als Ausgangsbasis für Prognoserechnungen wird ein nachhaltig erzielbares Ergebnis bzw. ein nachhaltig erzielbarer Cashflow benötigt, deren einzelne Komponenten als nachhaltig erkannt und damit in die Zukunft fortgeschrieben werden können (vgl. Revsine et al., 2017, S. 273ff.).

Nachhaltige Ergebnisbestandteile und Cashflows sind von außerordentlichen, aperiodischen, nicht fortgeführten, nicht betrieblichen oder rein buchhalterischen Größen zu trennen, um eine möglichst nachhaltige Planungsbasis zu erreichen.

 

Tz. 4

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Aufgrund des speziellen Analyseziels, der Beseitigung möglicher Sondereinflüsse sowie der Berücksichtigung der von Unternehmen betriebenen Bilanzpolitik ist jedoch idR eine besondere Aufbereitung der Ursprungsdaten eines Jahresabschlusses erforderlich (vgl. Busse von Colbe et al., 2000, S. 3 sowie Siebert, 1972, S. 11). Aus dieser Sicht ist die zentrale Anforderung der Finanzanalyse an den Jahresabschluss, dass er zur Gewinnung von Prognosen der nachhaltigen Ertrags- und Finanzkraft sowie der Einschätzung der Vermögenslage geeignet ist.

Aus der unten abgebildeten Graphik gehen die verschiedenen Aspekte der Unternehmensanalyse hervor, von denen die Analyse des Jahresabschlusses einen elementaren Bestandteil darstellt.

II. DCF-Kalkulation zur Errechnung eines Unternehmenswertes

 

Tz. 5

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Die Discounted Cashflow (DCF) Kalkulation erfolgt idR in der Form eines Drei-Phasen-Wachstumsmodells auf der Basis von normalisierten Zahlungsströmen. Es ist bedeutsam, eine mehrjährige Prognoserechnung auf adjustierten, potenziellen mid cycle earnings aufzusetzen. Eine simple lineare Fortschreibung von zyklischen Hoch- oder Tiefpunkten kann zu einer starken Über- oder Unterzeichnung der Ertragskraft in der Unternehmensbewertung führen (vgl. Revsine et al., 2017, S. 275).

Eine Cashflow-Analyse basiert auf den nachhaltig erzielbaren Free Cashflows eines Unternehmens, wobei die einzelnen Zahlungsströme diskontiert werden. Ein Standardansatz der Finanzanalyse besteht darin, die entziehbaren Zahlungsströme mit den gewichteten Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital – WACC) abzuzinsen. Im Hinblick auf die Ermittlung der Eigenkapitalkosten wird vielfach das Capital Asset Pricing Model (CAPM) eingesetzt (vgl. hierzu bspw. Kruschwitz/Löffler, WPg 2008, S. 803–810). Bezüglich der Bestimmung der Fremdkapitalkosten wird ein Risikozuschlag (Spread), welcher sich an der Differenz zwischen Rendite einer marktnotierten Unternehmensanleihe und dem risikolosen Zinssatz orientiert, auf den risikolosen Zinssatz aufgeschlagen; im Anschluss daran wird der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen (Tax Shield) Rechnung getragen, indem die so ermittelten Bruttofremdk...

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