Tz. 199

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Nach IFRS 1.IG35 hat ein IFRS-Erstanwender in seiner Eröffnungsbilanz IAS 32 anzuwenden, um begebene Finanzinstrumente (oder Komponenten von zusammengesetzten Finanzinstrumenten) entweder in finanzielle Fremdkapitalinstrumente oder Eigenkapitalinstrumente zu klassifizieren, und zwar entsprechend der Substanz der vertraglichen Vereinbarungen zu dem Zeitpunkt, zu dem das Instrument erstmals die Ansatzkriterien des IAS 32.15 und 30 erfüllt. Ereignisse nach diesem Zeitpunkt (außer Änderungen der Vertragsbedingungen des Instruments) dürfen dabei nicht berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang hat ein Emittent eines zusammengesetzten Finanzinstruments (zB einer Wandelschuldverschreibung) gemäß IAS 32.28ff. bei Einbuchung die Eigen- und die Fremdkapitalkomponente (unter Heranziehung der Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt) dieses Finanzinstruments zu ermitteln und diese auch in den Folgeperioden getrennt darzustellen. Die über die Laufzeit des Finanzinstruments resultierenden Fremdkapitalzinsen sind in der GuV zu erfassen.

 

Tz. 200

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Selbst für den Fall, dass die Fremdkapitalkomponente zum Übergangszeitpunkt nicht mehr aussteht, hätte ein IFRS-Erstanwender, der nach den vorherigen Rechnungslegungsgrundsätze für zusammengesetzte Finanzinstrumente nicht zwischen dem Eigenkapital- und dem Fremdkapitalanteil trennen musste bzw. die entsprechenden Vorschriften von den IFRS abweichen, gemäß dem generellen Umstellungsgrundsatz der retrospektiven Anwendung der IFRS zum Übergangszeitpunkt sowohl die Eigenkapitalkomponente als auch die in den Gewinnrücklagen zu erfassenden kumulierten Zinsen retrospektiv zu ermitteln.

 

Tz. 201

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

In diesem Fall würde die rückwirkende Anwendung von IAS 32 letztlich lediglich zu einer Umbuchung innerhalb des Eigenkapitals zwischen Kapital- und Gewinnrücklage führen. IFRS 1.D18 gewährt IFRS-Erstanwendern daher im Fall, dass die Fremdkapitalkomponente zum Übergangszeitpunkt nicht mehr aussteht, das erleichternde Wahlrecht, auf eine separate Ermittlung der kumulierten Zinsen der Fremdkapitalkomponente zu verzichten. Der IASB war der Auffassung, dass in diesen Fällen die Kosten der rückwirkenden Anwendung, insbesondere für länger zurückliegende Sachverhalte, deren beschränkten Nutzen übersteigen (vgl. IFRS 1.BC57).

 

Tz. 202

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Soweit dagegen die Fremdkapitalkomponente noch zum Übergangszeitpunkt aussteht, da zB die Wandlungsfrist einer begebenen Wandelanleihe zum Über­gangszeitpunkt noch nicht abgelaufen ist, bleibt es für den Emittenten bei der retrospektiven Anwendung von IAS 32 (vgl. hierzu IAS 32.28ff.). In diesen Fällen ist unter Heranziehung der Verhältnisse bei Begebung des zusammengesetzten Finanzinstruments die Aufteilung in Eigen- und Fremdkapitalkomponenten vorzunehmen (sa. IFRS 1.IG36, wo klargestellt wird, dass die Ermittlung der Buchwerte auf Basis der zum Ende der ersten IFRS-Berichtsperiode geltenden Fassung von IAS 32 zu erfolgen hat); nicht zulässig ist es, bei der Bewertung der Komponenten auf deren beizulegenden Zeitwert zum Übergangszeitpunkt abzustellen (vgl. auch IFRS 1.BC58). Eine Aufteilung ist auch dann erforderlich, wenn zum Übergangszeitpunkt die Ausübung der Wandlungsoption als unwahrscheinlich eingeschätzt wird (IAS 32.30).

 

Tz. 203

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

(einstweilen frei)

 

Tz. 204

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Unverständlich ist, dass der IASB die Erleichterungsvorschrift in IFRS 1.D18 nicht auf alle Fälle ausgedehnt hat, bei denen die rückwirkende Anwendung der IFRS lediglich zu einer Umbuchung innerhalb des Eigenkapitals führt, da die in IFRS 1.BC57 angeführte Begründung gleichermaßen auch auf andere Sachverhalte zutrifft. Mangels einer entsprechenden Erleichterungsvorschrift sind daher rückwirkend bspw. für jede in der Vergangenheit vorgenommene Kapitalmaßnahme, zB bei einer Kapitalerhöhung, die angefallenen Kosten von der Kapitalrücklage, gemindert um sämtliche damit verbundene Ertragsteuervorteile, abzuziehen (vgl. IAS 32.35). Sofern nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen diese Kosten etwa vollständig in der GuV erfasst wurden bzw. die Differenzierung zwischen den vom Eigenkapital abziehbaren Kosten und den in der GuV zu erfassenden Kosten zwischen vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen und den IFRS abweichen, ist eine entsprechende Umbuchung zwischen Kapital- und Gewinnrücklage in der IFRS-Eröffnungsbilanz vorzunehmen. Problematisch ist, dass diese Kosten insbesondere für länger zurückliegende Kapitalmaßnahmen praktisch oftmals nicht mehr ermittelbar sein werden. Ausweislich IFRS 1.13 ist indes eine analoge Anwendung der Erleichterungsvorschrift des IFRS 1.D18 nicht zulässig.

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