Tz. 29

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Fehler ergeben sich aus der unterlassenen oder fehlerhaften Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie der Fehlinterpretation von Sachverhalten (glA etwa KPMG, Insights into IFRS, Abschn. 2.8.80.10). Sie führen dazu, dass zur Veröffentlichung freigegebene Abschlüsse dem Abschlussadressaten keine relevanten und verlässlichen Informationen für dessen Entscheidungsfindung mehr bieten (vgl. Cairns, Applying International Accounting Standards, 3. Aufl. 2002, S. 137; Zülch/Willms, KoR 2004, S. 132). Fehler können wie folgt unterschieden werden:

(1) Bewusst unterlassene oder fehlerhafte Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden. Diesem Bereich sind (auch) Betrugsfälle zuzurechnen.
(2)

Unbewusst unterlassene oder fehlerhafte Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden. Diese können wiederum wie folgt unterschieden werden:

(a) Offenbare Unrichtigkeiten. Hierzu zählen Rechen-, Schreib- und sonstige Flüchtigkeitsfehler.
(b) Fehlinterpretationen von Sachverhalten und Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden. Diese sind im Gegensatz zu offenbaren Unrichtigkeiten idR nicht offensichtlich.

Die unterlassene oder fehlerhafte Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden stellt die objektive Komponente der Fehlerdefinition dar.

 

Tz. 30

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Fehler haben ihre Ursache in der Nicht- oder Fehlanwendung von verlässlichen Informationen, die bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Abschluss für die entsprechenden Perioden zur Veröffentlichung freigegeben wurde, zur Verfügung standen und von denen die Adressaten berechtigterweise erwarten konnten, dass sie bei der Aufstellung und Darstellung der entsprechenden Abschlüsse berücksichtigt werden (vgl. IAS 8.5). Die Nicht- oder Fehlanwendung von verlässlichen Informationen stellt die subjektive Komponente der Fehlerdefinition dar (glA Lüdenbach, PiR 2019, S. 60). Die Informationen können intern oder extern generiert werden (vgl. Hüttche, IRZ 2009, S. 327).

Zur Diskussion des subjektiven und objektiven Fehlerbegriffs und dem Zusammenhang zur Wesentlichkeit, die durch Rechtsprechung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt am Main vom 4.02.2019 – WpÜG 3/16, WpÜG 4/16) ausgelöst wurde vgl. Mujkanovic, StuB 2019, S. 857ff. u. 906ff., Böcking/Wirth, WPg 2019, S. 1260ff., Böcking/Gros/Wirth, DB 2019, S. 2644ff. und Lüdenbach/Freiberg, DB 2019, S. 2647ff. sowie S. 2305ff. (vgl. Tz. 62a).

 

Tz. 31

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Die Informationen müssen verlässlich sein. Gem. CF 2.12–2.19 ist eine Information dann verlässlich, wenn sie frei von individueller Einflussnahme (bias) ist, und die Adressaten sich im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung auf sie stützen können, sodass sie hierauf basierend keine falschen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Die Verlässlichkeit kann nicht losgelöst von der berechtigten Erwartung von Adressaten betrachtet werden. Vgl. hierzu Tz. 33.

 

Tz. 32

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Die Informationen müssen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Abschlüsse für die entsprechenden Perioden zur Veröffentlichung freigegeben wurden, zur Verfügung gestanden haben. Eine gleichlautende Regelung findet sich in IAS 10.17, wonach ein Unternehmen den Zeitpunkt anzugeben hat, an dem der Abschluss zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Bei deutschen Aktiengesellschaften ist dies regelmäßig der Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses zur Vorlage eines Abschlusses an den Aufsichtsrat bzw. das Datum der entsprechenden Vorstandssitzung. Für Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH gilt dies entsprechend, wobei anstelle des Aufsichtsrats – sofern dieser nicht vorhanden ist – die Gesellschafterversammlung tritt. Bei Personenhandelsgesellschaften ist dies der Zeitpunkt der Aufstellungsbeschlussfassung, im Zweifelsfall das Datum der Unterzeichnung des Abschlusses (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 10 Tz. 6ff.; ADS Int 2002, Abschn. 2, Tz. 29, 46 und 52f.). Folglich müssen die verlässlichen Informationen bis zum Ende des Wertaufhellungszeitraums vorliegen. Insofern ist es in zeitlicher Hinsicht ausgeschlossen, eine Bilanzierung als falsch anzusehen, wenn sie Informationen nicht berücksichtigt hat, die zeitlich erst später verfügbar waren (glA Lüdenbach/Freiberg, DB 2019, S. 2307). Informationen, die wertbegründenden Charakter iSv. IAS 10 haben, können nicht Gegenstand von Fehlern iSv. IAS 8 sein.

 

Tz. 33

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Weitere Bedingung ist, dass die Adressaten die berechtigte Erwartung hatten, dass die Informationen vom Bilanzierenden berücksichtigt werden. Fraglich ist, in welchen Fällen von einer berechtigten Erwartung auszugehen ist. Es wird hierbei eine angemessene Kenntnis geschäftlicher und wirtschaftlicher Tätigkeiten und der Rechnungslegung sowie kaufmännische Sorgfalt im Umgang mit Informationen durch die Adressaten unterstellt (vgl. CF 2.36 sowie Lüdenbach, PiR 2019, S. 192). Ausschlaggebend ist, inwiefern auf Basis des Abschlusses getroffene wirtschaftliche Entscheidungen der Adressaten durch fehlende oder fehlerhafte Informati...

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