Tz. 93

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Zuständig für die Entwicklung von Interpretationen ist das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC, ehemals: International Financial Reporting Interpretations Committee), das bei praktischen Anwendungsproblemen von einzelnen Standards weltweit von jeder Einzelperson oder Organisation angerufen werden kann (vgl. IFRS Foundation, Due Process Handbook, 2016, Tz. 7.1ff.). Grundsätzlich verfolgt das IFRS Interpretations Committee in seiner Arbeit einen prinzipienorientierten (principle-based) Ansatz auf Grundlage des Framework, wobei Interpretationen in keinem Widerspruch zum Framework oder zu bestehenden IFRS stehen sollen. Kommt das IFRS Interpretations Committee zu dem Schluss, dass letztlich eine Änderung des Framework oder der Standards notwendig wäre, um eine verbesserte Normensituation herbeizuführen, verweist es diese Diskussion an den IASB zur Weiterbehandlung (vgl. IFRS Foundation, Due Process Handbook, 2016, Tz. 5.19 und 7.8). Zur Auswahl auslegungsbedürftiger Themen wurde ein Kriterienkatalog entwickelt (vgl. IFRS Foundation, Due Process Handbook, 2016, Tz. 5.14ff.). Demnach werden bei der Prüfung folgende Kriterien berücksichtigt, wobei diese nicht kumulativ erfüllt sein müssen:

  • Das Problem ist weit verbreitet und von besonderer praktischer Relevanz.
  • Das Problem führt in der praktischen Anwendung in einzelnen Branchen oder Ländern zu erheblichen Unterschieden in der Auslegung.
  • Die Rechnungslegung würde allgemein durch Vereinheitlichung der Auslegung eine deutliche Verbesserung erfahren.
  • Das Problem soll effizient im Rahmen der bisherigen Standards und innerhalb des Framework realistisch zu lösen sein.
  • Das Problem lässt sich in einem überschaubaren Zeitraum beheben.
  • Das Problem sollte beim Bezug auf bestehende Standards nicht bereits durch eine geplante Überarbeitung durch den IASB gelöst werden können.
 

Tz. 94

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Ein beim IFRS Interpretations Committee einzureichender Themenvorschlag bzw. eine Themeneingabe soll dabei eine genaue Beschreibung des Problems und mögliche Lösungsansätze enthalten sowie die o. g. Kriterien erfüllen.

Sofern das IFRS Interpretations Committee plant, einen eingereichten Themenvorschlag nicht auf seine Agenda zu nehmen, veröffentlicht es eine vorläufige sog. rejection notice im IFRIC Update – der Veröffentlichung behandelter Themen auf seinen Sitzungen – und auf der Website der IFRS Foundation (vgl. IFRS Foundation, Due Process Handbook, 2016, Tz. 5.22). Diese kann mit einer Frist von normalerweise mindestens 60 Tagen kommentiert werden. In diesem Zusammenhang hat sich als alternative Form der Bearbeitung eines eingereichten Themenvorschlags der Begriff der sog. Agenda-Entscheidung (agenda decision) etabliert (vgl. IFRS Foundation Exposure Draft, Proposed amendments to the IFRS Foundation Due Process Handbook, 2019, Tz. 13). Eine Agenda-Entscheidung wird vom IFRS Interpretations Committee dann veröffentlicht, wenn es im Rahmen der Diskussion des Themenvorschlags zu der Entscheidung gelangt, dass zur Beantwortung der Fragestellung keine offizielle Maßnahme zum Standard Setting durch den IASB notwendig ist.

Unter Berücksichtigung der eingegangenen Kommentierungen auf die Veröffentlichung seiner rejection notice veröffentlicht das IFRS Interpretations Committee entweder eine finale Agenda-Entscheidung oder nimmt den Themenvorschlag auf seine Agenda oder verweist das Thema an den IASB zur Bearbeitung weiter. Ausweislich des Due Process Handbook haben die Agenda-Entscheidungen nicht die Autorität von IFRS (vgl. IFRS Foundation, Due Process Handbook, 2016, Tz. 5.22). Sie stellen damit keine verpflichtenden Anforderungen dar, sollen aber als hilfreich, informativ und überzeugend verstanden werden. Der IASB selbst ratifziert nicht die Agenda-Entscheidungen. Folge dieses Status ist etwa, dass in Europa die Agenda-Entscheidungen nicht dem Endorsement-Prozess unterliegen. In der Praxis kommt den Agenda-Entscheidungen indes eine faktische Bindungswirkung zu – wie kritische Kommentierungen von Anwendern zeigen. Da die Agenda-Entscheidungen keine IFRS darstellen, enthalten sie keinen Erstanwendungszeitpunkt. Im IFRIC Update März 2019 wurde erstmals dazu Stellung bezogen. Hiernach erwartet der IASB, sofern eine Agenda-Entscheidung eine Bilanzierungs- und Bewertungsmethode nach sich zieht, dass ein Unternehmen ausreichend (sufficient) Zeit hat, diese Entscheidung zu treffen und eine etwaige Änderung vorzubereiten und zu implementieren (bspw. müssen ggf. weitere Informationen eingeholt oder Systeme angepasst werden) (vgl. https://www.ifrs.org/news-and-events/updates/ifric-updates/march-2019/, Untertitel: Committee’s agenda decision, Abruf, 24.09.2019). Zur Konkretisierung des Terminus der "ausreichenden Zeit" hat die Vorsitzende des IFRS Interpretations Committee und stellvertrende Vorsitzende des IASB Sue Lloyd ausgeführt, dass der IASB hier eher an Monate als an Jahre gedacht hat (vgl. https://www.ifrs.org/news-and-events/2019/03/time-is-of-t...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


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