Tz. 42

Stand: EL 28 – ET: 03/2016

Der Ausweis von Finanzinstrumenten als Eigen- und Fremdkapital ist in den Paragrafen 15 bis 27 des Standards geregelt. Präzisierende Vorschriften finden sich darüber hinaus in den Anwendungsleitlinien (IAS 32.AG13 bis 14J sowie AG25 bis 29A). Die Kernregelung ist in IAS 32.15 niedergelegt: Danach hat ein Emittent ein Finanzinstrument bzw. Teile davon zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes als finanzielle Verbindlichkeit oder Eigenkapital einzustufen; darüber hinaus kann für Teile eines emittierten Finanzinstruments auch eine Einstufung als finanzieller Vermögenswert in Frage kommen. Die Klassifizierung hat dabei entsprechend dem wirtschaftlichen Gehalt der vertraglichen Vereinbarung und in Übereinstimmung mit den Begriffsabgrenzungen für finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten sowie für Eigenkapitalinstrumente zu erfolgen. Sie bedarf nur dann einer erneuten Untersuchung (und ggf. einer Änderung), wenn die Vertragsbedingungen geändert werden. Eine solche Änderung kann auch ohne erneutes Zutun der Vertragsparteien angezeigt sein, wenn bspw. die Vertragsbedingungen eine Bedingung enthalten, die nunmehr erloschen ist, bislang aber eine andere Klassifizierung zur Folge hatte (vgl. PricewaterhouseCoopers LLP 2015, Tz. 6.5.14 ff.).

 

Tz. 43

Stand: EL 28 – ET: 03/2016

Maßgeblich für die Einstufung von Finanzinstrumenten als Eigen- oder Fremdkapital ist ihr wirtschaftlicher Gehalt und nicht ihre rechtliche Form. Zwar laufen rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise bei vielen Kapitalformen synchron; dies ist aber nicht zwingend: Nicht alle Instrumente, die das Attribut "Eigenkapital" rechtlich für sich in Anspruch nehmen, sind auch nach IFRS (in Gänze) als Eigenkapitalinstrument einzustufen. Als Beispiel lassen sich all jene Kapitalüberlassungen nennen, mit denen der Kapitalgeber zwar einen proportionalen Beteiligungsanspruch gegenüber dem Unternehmen erwirbt und an dessen Reinvermögen beteiligt wird, bei denen er aber gleichzeitig einen einseitigen Rückgabeanspruch gegen den Emittenten besitzt, der zu einer Auskehrung von finanziellen Vermögenswerten führen würde (puttable instruments, vgl. IAS 32.18 und 19(b) sowie IFRIC 2 Members’ Shares in Co-operative Entities and Similar Instruments). Zwar sieht der IASB mittlerweile für bestimmte kündbare Instrumente eine Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument vor, von einer flächendeckenden Einstufung als Eigenkapital kann aber keine Rede sein. In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass der Ausdruck "wirtschaftliche Betrachtungsweise" in IAS 32 nach deutschem Verständnis in einer verengten Weise gebraucht wird: Wenn allgemein vom Vorrang der wirtschaftlichen gegenüber der rechtlichen Betrachtungsweise gesprochen wird (substance over form), dann gilt dies dem Bilanzierenden als Aufforderung, sich bei der bilanziellen Behandlung nicht auf juristische Konstrukte zu verlassen, sondern danach zu fragen, was tatsächlich durch einen Geschäftsvorfall bewirkt wurde. Im vorliegenden Fall bedeutet diese Prüfung aber kein umfassendes Abklopfen aller maßgeblichen Fakten und Umstände, die eine Kapitalgeberstellung beeinflussen, mithin also nicht die Beurteilung sämtlicher bestehender beteiligungsrelevanter Rechte wie bspw. der Teilnahme am Erfolg oder Mitwirkungsrechte, sondern ein lediglich eindimensionales Testen auf das (Nicht)Bestehen einer Zahlungsverpflichtung!

 

Tz. 44

Stand: EL 28 – ET: 03/2016

Der Rückgriff auf die Definitionen für finanzielle Verbindlichkeiten und Eigenkapitalinstrumente führt dazu, dass Finanzinstrumente nur dann als Eigenkapitalinstrument einzustufen sind, wenn sie die beiden nachfolgenden Bedingungen erfüllen (IAS 32.16):

  • Die Vertragsbedingungen des Instruments sehen keine vertragliche Verpflichtung des Emittenten vor, flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte an den Vertragspartner abzuführen oder mit diesem unter möglicherweise nachteiligen Bedingungen tauschen zu müssen.
  • Falls der Vertrag eine Erfüllung in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten zulässt oder vorsieht und

    • bei Kassainstrumenten keine vertragliche Verpflichtung des Emittenten zur Lieferung einer variablen Anzahl seiner eigenen Eigenkapitalinstrumente besteht; oder
    • bei Derivaten eine Erfüllung seitens des Emittenten durch Tausch einer festen Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente gegen einen festen Betrag an Zahlungsmitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten vorsieht. Dabei stellen Rechte, Optionen oder Bezugsrechte zum Bezug einer festen Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente des Unternehmens gegen einen festen Betrag in beliebiger Währung Eigenkapitalinstrumente und keine finanziellen Verbindlichkeiten dar, sofern das Unternehmen die Rechte, Optionen resp. Bezugsrechte allen derzeitigen Anteilseignern proportional zu ihrem Anteilsbesitz in derselben Klasse nicht-derivativer Eigenkapitalinstrumente anbietet (vgl. Tz. 56; s. a. Bardens/Fladt/Meurer 2013, S. 218 ff. zum in jüngster Zeit vermehrt auftretenden Anwendungsfall...

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