Möchte man im Unternehmen ein modernes, integriertes Steuerungssystem aufbauen, kommt man nicht umhin sich mit der Art der Führung, der Verteilung von Verantwortlichkeiten und der Organisationsstruktur zu beschäftigen.[1] Die Organisation sollte in ihrer Gesamtheit bewusst so gestaltet werden, dass sie befähigt ist, sich laufend an die Erfordernisse der sich ständig verändernden Umfeldbedingungen anzupassen – eben agil zu sein. Gezielt soll darauf geachtet werden, dass auf optimale Entscheidungsabläufe ausgelegte Organisationsstrukturen geschaffen werden, mit klaren und tatsächlich gelebten Zuständig- und Verantwortlichkeiten sowie klar definierten Befugnissen und Entscheidungsfreiheiten.

Um Agilität zu erreichen, ist es erforderlich, dass möglichst viele Entscheidungen dezentralisiert werden, die Eigenverantwortung soll in der Breite gestärkt werden. Dafür müssen auch klare Befugnisse vereinbart werden. Neben der Schnelligkeit von Entscheidungen, zählt auch das breite Commitment als ein Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Umsetzung von Entscheidungen. Auch das spricht für die Dezentralisierung und eine breitere Beteiligung von Mitarbeitern an der Steuerung des Unternehmens. Die meisten Menschen setzen selbst getroffene Entscheidung mit höherer Motivation um, auch wenn man lediglich am Entscheidungsprozess beteiligt war. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Generationen Y und Z, das hatte wohl immer schon Gültigkeit, jedoch fordert die "junge" Generation dies heute noch stärker ein. Diesen gesamthaften, integrierten und dezentralisierten Steuerungsansatz nennen wir COLLABORATIVE STEERING.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine Wandlung von einem traditionell, hierarchisch geführten Unternehmen hin zu einer agilen Organisationsstruktur ein schwieriger Prozess ist, der viele Jahre der Weiterentwicklung benötigt. Die Übernahme von Verantwortung erfordert neben dem Erhalt von Befugnissen noch sehr viel mehr. In Abbildung 6 sind die traditionell hierarchische und eine kollaborative Steuerung mit all ihren Unterschieden gegenübergestellt.

Abb. 6: Gegenüberstellung: traditionelles hierarchisches Steuerungsmodell vs. dem Führungsverständnis von COLLABORATIVE STEERING

Aus der Gegenüberstellung der beiden Steuerungsmodelle geht klar hervor, dass es nicht damit getan ist, neue Werkzeuge zu etablieren, Entscheidungsprozesse zu definieren und eine neue Struktur festzulegen. Vor allem ist es eine kulturelle Veränderung, die bewirkt werden muss. Eigenständigkeit kann nicht verordnet werden, sondern diese muss zuerst zugelassen werden und von den Mitarbeitern und mittleren Führungskräften auch gewollt sein. Auch das Wollen reicht noch nicht. Mit Freiraum muss man auch umgehen können. Den gleichen Menschen, die über viele Jahre über Anweisungen geführt wurden, wird jetzt abverlangt, dass sie eigenständig ihre Zuständigkeitsbereiche organisieren. Auch wenn sie vermutlich in der Lage sind, ihre neuen Bereiche gut zu managen, müssen sie erst einmal das Vertrauen gewinnen, dass sie das auch tatsächlich dürfen. Vertrauen kann erst über einen längeren Zeitraum erlangt werden, Geduld ist dafür nötig.

Wenn in der Vergangenheit über einen langen Zeitraum die hierarchische Macht von großer Bedeutung war, dann fällt es auch schwer, Teile dieser Macht abzugeben. In einem über viele Jahre streng hierarchisch geführten Unternehmen sind die Führungspositionen von Personen besetzt, für die Macht eine große Bedeutung hat. Nur ein Teil dieser Personen wird durch eine Organisationsänderung die Einstellung zur Macht ändern. Deshalb müssen Führungspositionen voraussichtlich zumindest teilweise ausgetauscht werden.

Betrachtet man die Mitarbeiterseite, so wird hier teilweise gelten, dass jene Personen, die über viele Jahre von dominanten Chefs geführt wurden, sich damit wohl auch gut arrangiert haben. Nicht jeder will Freiraum haben, manche fühlen sich wohl dabei eng geführt zu werden. COLLABORATIVE STEERING mit dezentraler Eigenverantwortung muss nicht für jedes Unternehmen die geeignetste Arte der Steuerung sein. Auch eine hierarchische Steuerung kann für manche Unternehmen weiterhin erfolgreich sein. Die Anzahl an Firmen, die mit strenger hierarchischer Führung erfolgreich sein können, wird jedoch tendenziell weniger.

[1] Vgl. Biel/Kottbauer, 2018.

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