Das Thema der innerbetrieblichen Verrechnungspreise ist schon ziemlich alt. Eugen Schmalenbach hat den Kerngedanken – wie auch die damit verbundenen Probleme – bereits 1903 in seiner Habilitationsschrift ›Die Verrechnungspreise in großindustriellen Betrieben‹ prägnant festgehalten. Er schreibt:

Zitat

… Selbst wenn es möglich wäre, jedem Unterbetrieb, jeder Werkstätte nur ganz zuverlässige Betriebsführer zuzuteilen, so würde doch das Zusammenarbeiten an dem Mangel leiden, dass dem Leiter des Unterbetriebes die Übersicht über das Ganze, dem Leiter des Gesamten dagegen die Einsicht in das Einzelne fehlt. Und hier gibt es nur einen Ausweg: die einzelnen Teile des Betriebes müssen in einen rechnerischen Verkehr treten. Und diese Rechnung muss sich der Bewertung der gegenseitigen Leistungen bedienen. Und so entsteht hier ein eigenartiger Preis: der Verrechnungspreis.[811]

Das Schmalenbach'sche Ziel ist die Koordination einzelner Bereiche. Wie können selbstständige Einheiten innerhalb eines Konzerns durch Preise gesteuert werden? Der dafür festgesetzte Preis, der ›Verrechnungspreis‹, soll dazu führen, dass die einzelnen Teilbereiche durch die Optimierung ihres Bereichsergebnisses zugleich das Gesamtkonzernergebnis optimieren. Verrechnungspreise sollen eine Teiloptimierung der einzelnen Center zulasten des Konzerns verhindern. Sie sollen Angebot und Nachfrage so beeinflussen, dass sich die für das Unternehmen gewinnoptimale Menge ergibt. Die Ressourcen werden nicht nur gelenkt, sondern auch sparsamer verwendet. Das ist die sogenannte Steuerungsfunktion der Verrechnungspreise. Letztlich bedeutet dies: Ein Teil des Unternehmens wird über einen ›internen Markt‹ gesteuert. Man könnte sagen: Wenn der Markt prinzipiell (auch bei allen Erfahrungen der letzten Jahre, z. B. der Bankenkrise) einer Planwirtschaft überlegen ist, dann sollte dieses Instrument auch im Unternehmen genutzt werden!

Märkte binden zugleich ihrerseits Ressourcen. Einfache Beispiele dafür wären Einkauf, Vertrieb, die Wareneingangskontrolle oder das Reklamationsmanagement. Auch ein interner Markt, d. h. eine sogenannte Interne Leistungsverrechnung (ILV), bindet Ressourcen. Das ist aber bei einer zentralen Koordination nicht anders. Die Tatsache, dass die ILV Aufwand verursacht, ist damit zunächst einmal kein Argument gegen die ILV. Es stellt sich vielmehr als erste Frage, wann zentrale Vorgaben und wann eine Selbstkoordination (innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen) mittels Leistungsverrechnung die besseren Ergebnisse bringt. Das betrifft zum einen die Qualität der Leistung und zum anderen natürlich auch die Kosten. Dann, im zweiten Schritt, muss das gewählte Verfahren möglichst aufwandsarm gestaltet werden. Die richtige Frage lautet: Wird eine Leistung intern mit weniger Aufwand als vom externen Markt erzeugt? Man könnte von Effizienz in eigener Sache sprechen. In Teil C, Kapitel 18.1 werden unterschiedliche Aspekte der Marktkoordination besprochen

Entscheidungen werden durch die ILV hierarchisch ›nach unten‹ verlagert und dezentralisiert. Für Führungskräfte mag eine solche Selbstorganisation auch Sorgen und Ängste hervorrufen. Aber die Allwissenheit der Zentrale gibt es ohnehin nicht. Nur wenn die Zentrale vollkommene Information über die einzelnen Unternehmensbereiche hätte, könnte sie (unter sehr speziellen Voraussetzungen[812]) selbst ermitteln, welche Leistungen und Mengen den maximalen Gewinn für das Gesamtunternehmen erbringen würden. Es darf getrost bezweifelt werden, dass die dezentralen Bereiche der Zentrale alle Informationen bereitwillig, richtig und vollständig zur Verfügung stellen. Dem stehen Interessenskonflikte zwischen Bereichen und Hierarchieebenen entgegen. Zudem wäre eine zentrale Berechnung und Arbeitsanweisung in die Abteilungen – sofern überhaupt möglich – nicht flexibel genug, um auf Marktveränderungen unmittelbar reagieren zu können. Darum ist der komplette Verzicht auf selbstorganisierende Systeme in größeren Unternehmungen immer suboptimal.

Selbstorganisierende Unternehmenseinheiten werden auch im Rahmen des ›Beyond Budgeting‹ diskutiert. Dabei geht es nicht nur um die Abschaffung von Budgets. Es ist letztlich eine Frage von Führungskultur und -philosophie. Das Beyond Budgeting fordert u. a. die ›Schaffung eines Netzwerks vieler kleiner, ergebnisverantwortlicher Einheiten‹ und deren ›marktliche Koordination‹ durch ›Dezentralisierung der Entscheidungsautorität und -fähigkeit an kundennahe Teams‹. Es hat sich in Deutschland nicht durchgesetzt, die Budgetierung abzuschaffen. Auch der Internationale Controller Verein hat sich dagegen ausgesprochen und empfiehlt vielmehr eine Verbesserung der Planungs- und Steuerungsmechanismen. Einen Beitrag zu mehr Flexibilität innerhalb der Budgetierung kann eine gut ausgestaltete ILV leisten.

Deshalb ist in der Praxis zu beobachten, dass innerhalb von vielen Großkonzernen lokale Einheiten mit eigenen, zum Teil erheblichen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind. Auch wenn die Wirtschaftskr...

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