Autoren: Jörg Hanken, Isabel Ruhmer-Krell, Ron Dorward

Aus den folgenden Gründen sind Funktionsverlagerungen für internationale Firmengruppen von erheblicher Bedeutung:

  • Aus strategischen, geschäftspolitischen und/oder betriebswirtschaftlichen Gründen sind Unternehmen zumeist gezwungen, bestimmte Teile ihrer Wertschöpfungskette in das Ausland zu verlagern.

    • Zum einen mag der Druck von Kunden ausgehen (z. B. der Automobilzulieferer folgt dem Automobilhersteller in dessen Länder/Märkte).
    • Zum anderen werden die Unternehmen teilweise von ihren Wettbewerbern, die ihrerseits z. B. Produktionen in Länder mit geringeren Produktionskosten (z. B. Energie, Löhne etc.) verlagert haben, gezwungen, ins Ausland zu verlagern.
  • Natürlich ist auch das Erschließen neuer Märkte im Rahmen der seit Jahren immer intensiveren Globalisierung und Internationalisierung eine überlebensnotwendige Strategie dieser Unternehmen, da die heimischen Märkte häufig bereits gesättigt sind bzw. stagnieren.Analog könnte eine zukünftige Stagnation, der Rückgang der Globalisierung, die Stabilisierung von Lieferketten oder die Reduzierung der Abhängigkeit von Asien zu Verlagerungen zurück ins Heimatland oder zumindest nach Europa führen.
  • Soviel sei vorweggenommen: Nicht jede Funktionsverlagerung ist im Sinne der nachfolgenden Ausführungen steuerlich "schädlich". Allerdings lösen letztere erhebliche steuerliche Belastungen, sogenannte "Exit Tax Charges" aus. Diese Endbesteuerung ergibt sich grob aus dem abdiskontierten Wert des verlagerten Gewinnpotenzials, multipliziert mit dem Unternehmensteuersatz des abgebenden Unternehmens (z. B. stark vereinfachtes Beispiel: Gewinnpotenzial der verlagerten Produktion = eine Million EUR p. a. × 10 % Kapitalisierungszinssatz für ewige Rente = zehn Millionen EUR DCF-Wert × 30 % Steuerbelastung = drei Millionen EUR Sofortsteuerbelastung = "Exit Tax Charge").
  • Das "Exit Tax"-Risiko ist vor allem deswegen so groß, weil sich Funktionsverlagerungen in der Praxis aufgrund von laufenden – betriebswirtschaftlich sehr sinnvollen – operativen Prozess- und Supply-Chain-Optimierungen auch schleichend vollziehen können, ohne dass die Steuerabteilung oder das Controlling darüber aktiv vorab informiert werden. Dieses latente Risiko ist in einem weltweit tätigen Konzern sehr schwer zu managen.
  • Das Thema "Funktionsverlagerungen" ist äußerst umfangreich und zwischen Finanzverwaltungen und Unternehmen stark umstritten. Selbst Angehörige der Finanzverwaltung[741] sehen einige Regelungen kritisch. Auch international ist noch wenig abgestimmt. Um diesen erheblichen Aspekten gerecht zu werden, müsste man sich deutlich ausführlicher äußern, als es im Rahmen dieses Werks möglich ist und den individuellen Einzelsachverhalt detailliert steuerlich prüfen bzw. von Experten prüfen lassen. Insofern werden die meisten praxisrelevanten Punkte knapp zusammengefasst und im Übrigen wird auf weitere Fundstellen verwiesen[742].
  • Wie entstand die Funktionsverlagerungsbesteuerung und für welche Zeiträume ist sie wirksam?

    Der deutsche Gesetzgeber hat die Funktionsverlagerungsbesteuerung im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 durch Einfügung der Sätze 9 bis 13 des § 1 Abs. 3 AStG eingeführt. Sie ist grundsätzlich für 2008 und nachfolgende Veranlagungszeiträume ("VZ") wirksam (bei abweichendem Wirtschaftsjahr bereits in 2007). 

  • Im Ergebnis ist es zutreffend, dass auch vor 2008 Funktionsverlagerungen fremdüblich zu vergüten waren und diese im Falle der Fremdunüblichkeit auch in Betriebsprüfungen aufgegriffen wurden. Allerdings sind die zweiseitige (signifikant werterhöhende) Bewertung, der Mittelwertansatz sowie die Fiktion der Fremdüblichkeit einer Preisanpassungsklausel, die allesamt international nicht abgestimmt sind, grundsätzlich sehr schwer nachvollziehbar Was sich dahinter verbirgt, soll auf den folgenden Seiten erläutert werden.
  • Ziel des Gesetzgebers war es,

    • die Besteuerung deutschen Steuersubstrats sicherzustellen,
    • die Besteuerung von Funktionsverlagerungen in Übereinstimmung mit dem OECD-Fremdvergleichsgrundsatz zu regeln und
    • die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 % gegenzufinanzieren. Damals hat die Regierung steuerliche Mehreinnahmen aus Funktionsverlagerungen in Höhe von ca. 1,77 Milliarden EUR p. a. geschätzt.

Als Rechtgrundlage ist neben § 1 Abs. 3 S. 9 bis 13 AStG auf die äußerst umfangreiche Funktionsverlagerungsverordnung vom 12. August 2008 zu verweisen. Das BMF interpretiert diese Regelungen in einem noch umfangreicheren Erlass vom 13. Oktober 2010[3]. Im Mai 2021 wurde § 1 AStG angepasst und u. a. das Thema Funktionsverlagerung in einen neuen separaten § 1 Abs. 3b AStG verschoben. Dabei wurden insb. die sog. Öffnungsklauseln (siehe unten) aktualisiert. Darüber hinaus wurde die Preisanpassungsklausel deutlich ausführlicher im neuen § 1a AStG geregelt.

Mittlerweile liegt auch der Entwurf einer neuen Verordnung[4] zu dieser Gesetzesänderung in 2021 vor, dem der Bundesrat am 7. Oktober 2022 zugestimmt hat. Die Neuerungen haben wir nac...

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