Zusammenfassung

 
Überblick
  • Mit der Abnahme der Fertigungstiefe steigt die Abhängigkeit von den Lieferanten. Deswegen wird der Aufbau eines Risikomanagements für den Beschaffungsbereich unverzichtbar.
  • Der Aufbau eines Risikomanagements erfolgt üblicherweise in vier Schritten Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung sowie Risikoüberwachung und -dokumentation.
  • Der Beitrag beschreibt die veränderten Sourcing-Strategien der letzten Jahre und begründet die dadurch gestiegenen Risiken für den Einkauf. Zu den einzelnen Risiken werden Vermeidungs- bzw. Abwälzungsmöglichkeiten erläutert. Eine Übersicht über Frühwarnindikatoren erleichtert die Vorbeugung.

1 Risikofaktor Supply Management

Studienergebnisse

Nach einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Jahr 2014 leidet fast jedes zweite Unternehmen unter Störungen der Lieferkette. Von den 137 befragten Unternehmen rechnen 85 % mit einer wachsenden Abhängigkeit von Lieferanten und damit mit einem steigenden Risiko. Weiterhin sind 62 % der Meinung, dass sich die wachsende Zahl der Lieferanten nachteilig auf die Lieferzuverlässigkeit auswirkt. Die Lieferantenbeziehungen sind aufgrund der weltweiten Vernetzung und Abhängigkeit komplexer und damit risikoanfälliger geworden. Noch im Jahr 2003 sicherten sich lediglich 43 % der Lieferanten gegen Lieferantenrisiken durch Lieferantenaudits, Finanzdatenanalysen, Ausbau von Beschaffungsalternativen und Nutzung von Branchenindizes ab. Im Jahre 2012 wuchs die Zahl der Unternehmen auf 82 %. Gegen Preis-, Rohstoff- und Währungsrisiken sichern sich knapp 70 % ab.[1]

Risikofaktor Fertigungstiefe

Die Fertigungstiefe der Unternehmen reduzierte sich in den letzten Jahren auf 20–30 %. Je nach Branche werden somit 70–80 % des Produktwertes bei Lieferanten zugekauft. Die Fixkosten der Unternehmen wie Lagerkosten, Personalkosten, Miete und Maschinen sinken damit. Das Unternehmen hat aber ein Großteil seiner Wertschöpfung nicht mehr unter eigener Kontrolle, sondern ist auf die Zuverlässigkeit seiner Lieferanten bzw. Zulieferer angewiesen.

 
Praxis-Beispiel

Reduzierte Fertigungstiefe

  • Das Glasschiebedach des VW Eos besteht aus ca. 450 Teilen und hat ca. 70 verschiedene Lieferanten aus unterschiedlichen Ländern.
  • Der Siemenskonzern hat über 300.000 Lieferanten.
  • Der größte Hersteller von Zahnrädern, ZF in Friedrichhafen, hat einen Lieferantenstamm von ca. 13.500 Lieferanten, davon sind 350 sog. strategische oder "A-Lieferanten".

"A-Lieferanten" liefern nicht nur Einzelteile, sondern Module oder komplette Systeme. Beim Fahrzeug können dies komplette Achssysteme, Motoren, Getriebe- oder ABS-Systeme, oder Fahrzeugcockpits sein. Die Entwicklung geht vom Einzelteillieferanten zum Lieferanten für komplette und komplexe Systeme.

Durch die große Anzahl der Lieferanten und die gleichzeitige wachsende Bedeutung der "A-Lieferanten" gehört das Lieferantenmanagement bzw. Supplier Relationship Management zu einer strategischen Aufgabe des Einkaufs und des Risikomanagements. Je geringer die Fertigungstiefe, desto größer die Abhängigkeit von den Lieferanten durch schlechte Qualität, verspätete Lieferung oder Insolvenz. Bekannte Fahrzeughersteller zahlen jährlich Millionen Euro an Lieferantenkrediten, um wichtige Lieferanten vor einer Insolvenz und sich selbst damit vor einem Lieferstopp zu bewahren.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass für mehr als 80 % der Einkaufsleiter das Management der Versorgungs- und Qualitätsrisiken eine zentrale Rolle im Risikomanagement spielt. Allerdings schätzt jeder zweite der 52 befragen Einkaufsleiter verschiedenster Branchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das eigene Risikomanagement als noch nicht ausreichend ein. Forschungsergebnisse in US-Unternehmen belegen außerdem, dass Supply Chain-Risiken einen negativen Einfluss auf den Unternehmenswert und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Gewinn haben. Somit erfüllt die Einführung eines funktionierenden Risikomanagementsystems gleich mehrere Funktionen:

  • Das Unternehmen hat eine Strategie bei plötzlich auftretenden unerwarteten Ereignissen.
  • Der Einkauf ist schneller handlungsfähig im strategischen wie auch im operativen Bereich.
  • Der Einkauf hilft dem Unternehmen Verluste zu vermeiden und im optimalen Fall gegenüber den Konkurrenzunternehmen Wettbewerbs- und Kostenvorteile durch eine schnelle Reaktion zu erlangen.
 
Praxis-Beispiel

Risikostrategie

Durch eine Naturkatastrophe fällt in Thailand ein Lieferant für wichtige elektronische Module aus. In der Risikostrategie wurden bei diesem Modul vorab schon mit drei Lieferanten in verschiedenen Ländern flexible Lieferverträge abgeschlossen. Die Lieferverträge beinhalten eine Erhöhung wie auch Reduzierung der Mengen um bis zu 30 %. Zudem wurde ein weiterer potenzieller Ersatzlieferant schon in der Vergangenheit zertifiziert und die die Lieferliste aufgenommen. Darüber hinaus wurden bei diesem Modul (A-Teil) die Sicherheitsbestände großzügiger bemessen. Der Ausfall des einen Lieferanten konnte also durch entsprechende Risikostrategien aufgefang...

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