Eine Sonderregelung trifft § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG für Mehrarbeitsstunden, die in sog. Arbeitszeitkonten eingestellt werden: Bei Arbeitnehmern sind die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von 12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung eines Mindestlohns auszugleichen.

Diese Vorgaben sind nicht einschlägig, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts, das auf die Vergütung der arbeitsvertraglichen Sollarbeitszeit gerichtet ist, erfüllt ist. Für das verstetigte Arbeitsentgelt ist per sog. Schattenrechnung zu ermitteln, ob das tatsächlich gezahlte und auf den Mindestlohn anrechenbare Monatseinkommen unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mindestens den darauf entfallenden Mindestlohnbetrag erreicht.

 
Praxis-Beispiel

Schattenrechnung

Bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Wochenstunden und einem monatlichen Divisor von 163 wird ein Monatsgehalt von 2.200 EUR gezahlt. Werden nun in einem Monat 10 Überstunden geleistet, so wären mindestens 173 Stunden mit dem Mindestlohn zu vergüten. Das ergibt einen Betrag von 2.146,93 EUR (173 h x 12,41 EUR). Da das gezahlte Monatsgehalt von 2.200 EUR den Anspruch auf den Mindestlohn "übererfüllt", könnten in diesem Fall die Mehrarbeitsstunden auch länger als 12 Monate im Arbeitszeitkonto verbleiben.

Die Fälligkeitsregelungen finden nach § 2 Abs. 3 MiLoG keine Anwendung auf Wertguthabenvereinbarungen.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitgeber hat im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgeglichene Stunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die eingestellten Stunden dürfen monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen (§ 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 MiLoG).

Geltung nur für Mindestlohn-Arbeitszeitkonten

Die gesetzlichen Einschränkungen gelten aber nicht für sämtliche Arbeitszeitkonten, sondern nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht auf dem Mindestlohnniveau verdient. Außerhalb und oberhalb des Mindestlohnbereichs gibt es insoweit keine Einschränkungen.

 
Praxis-Beispiel

Flexi-Vereinbarung

Bei einer vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von 18,75 Wochenstunden beträgt die monatliche Arbeitszeit 81,5 Stunden. In das Arbeitszeitkonto dürfen monatlich maximal 40,75 zusätzliche Mehrarbeitsstunden eingestellt werden.

2.1 Arbeitsvertragliche Regelung?

Das Gesetz sieht vor, dass eine "schriftliche Vereinbarung" für das Zeitkonto erforderlich ist.

Eine derartige Vereinbarung liegt sowohl bei einer arbeitsvertraglichen Regelung als auch bei einer Regelung in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung oder in einem normativ oder in Folge schriftlicher Inbezugnahme geltenden Tarifvertrag vor.

Nicht geklärt ist, ob auch die bloße Textform (z. B. Fax, E-Mail) dem Erfordernis der "schriftlichen Vereinbarung" genügt.

 
Wichtig

Bloße Textform nicht ausreichend

Da weder im Gesetz noch an anderer Stelle eine Regelung zur Textform erfolgt ist, sollte hiervon Abstand genommen werden. Ein Verstoß gegen das Formerfordernis würde nämlich zur Unwirksamkeit der Arbeitszeitkontovereinbarung führen; der Arbeitgeber könnte sich dann auch nicht mehr auf die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 MiLoG berufen.

2.2 Überschreitung der 50 %-Grenze und deren Folgen

Monatlich dürfen jeweils nicht mehr als 50 % der vereinbarten Arbeitszeit auf das Konto gehen.

Die Folge einer Überschreitung dieser Grenze ist nicht festgelegt. Im Gesetz ist der Grundsatz geregelt, dass die "erbrachte Arbeitsleistung" zu entlohnen ist – dies gilt für jede Arbeitsstunde, unabhängig davon, ob sie innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit oder über diese hinaus geleistet wurde. Abweichend hiervon können über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbrachte Stunden auf ein Zeitkonto eingestellt werden. Gäbe es die entsprechende gesetzliche Vorschrift nicht, wäre jede tatsächlich erbrachte Arbeitsstunde mit 12 EUR spätestens am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats zu vergüten. Dies gilt erst recht, wenn die angesprochenen Fälligkeits- und Ausgleichsregelungen nicht greifen, etwa weil die festgelegten Voraussetzungen in dieser Vorschrift nicht vorliegen. Wird die 50 %-Grenze also überschritten, so unterliegt die Vergütung dieser Mehrarbeit denselben Voraussetzungen wie der Mindestlohn (Fälligkeit spätestens am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats). Während des laufenden Monats kann der Arbeitgeber der Überschreitung der 50 %-Grenze aber noch durch bezahlte Freizeitgewährung entgegentreten.

Der Arbeitgeber sollte dies bei Vereinbarung eines schriftlichen Zeitkontos unbedingt beachten.

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