Zusammenfassung

Die Position des Service Centers "Lieferantenverkehr" als leistungsstarker interner Dienstleister sollte gestärkt und ausgebaut werden. Zur Steuerung und zum Monitoring der Prozesse in der Rechnungsprüfung wurde eine aussagekräftige Prozesskostenrechnung entwickelt und ein dezidiertes Kennzahlensystem eingeführt.

Das sich daraus ergebende neue leistungsorientierte und verursachungsgerechte Preismodell bietet den Kunden des Service Centers eine deutlich höhere Transparenz. Auf dieser Basis können die Kosten aus der Dienstleistung aktiv beeinflusst und gesteuert werden. Somit wird ein aktiver Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet.

Der Beitrag erläutert die Einführung der Prozesskostenrechnung in mehreren Phasen und stellt den Zeit- und Ressourcenbedarf bis hin zur Erstellung des neuen Preismodells und der Anwendung in der Praxis dar.

Das Projekt wurde mit dem ControllerPreis 2012 des Internationalen Controller Vereins ICV) als herausragende Controller-Leistung ausgezeichnet.

1 Ausgangssituation

1.1 Kurzvorstellung der Otto Group

Steckbrief

1949 in Deutschland gegründet, ist die Otto Group eine weltweit agierende Handels- und Dienstleistungsgruppe mit ca. 49.600 Mitarbeitern. Die Gruppe ist mit rund 120 wesentlichen Unternehmen in 20 Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens präsent. Ihre Geschäftstätigkeit erstreckt sich auf die 3 Segmente Multichannel-Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Service. Im Geschäftsjahr 2015/16 erwirtschaftete die Otto Group einen Umsatz von 12,1 Mrd. EUR. Sie ist weltweit der größte Online-Händler für Fashion und Lifestyle, insgesamt die Nummer 2 hinter Amazon und in Deutschland Marktführer. Kataloggeschäft, E-Commerce und der stationäre Einzelhandel bilden die 3 Säulen des Multichannel-Einzelhandels der Otto Group.

1.2 Service Center Lieferantenverkehr (SC LV)

Abwicklung der Rechnungs­prüfung für inländische Konzern­gesellschaften

Das SC LV bietet für inländische Unternehmen der Otto Group die Durchführung der Nebenbuchhaltung Kreditoren an. Wesentliches Element dieser Dienstleistung ist die Prüfung von Rechnungen in den beiden Hauptprozessen "Handelsware" und "Nicht-Handelsware".

  • Bei den Handelswaren (HaWa) handelt es sich dabei um die Waren, die im Segment Multichannel-Einzelhandel dem Endverbraucher zum Kauf angeboten werden.
  • Lieferungen und Leistungen, die die Gesellschaften im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit beziehen, werden hier als Nicht-Handelswaren (Non-HaWa) bezeichnet.

Kein Kontrahierungszwang

Kunden des SC LV sind Konzernfirmen innerhalb der Otto Group. Ein Kontrahierungszwang zur Nutzung des SC LV ist nicht vorhanden, daher können die Konzernfirmen frei wählen, ob sie die Dienstleistung der Rechnungsprüfung selbst vornehmen, das SC LV oder einen Dritten beauftragen.

Die strukturelle Ausrichtung als ein Shared Service Center bringt für das SC LV mit sich, dass die Standardisierung und Automatisierung der logistischen Rechnungsprüfung die wesentliche Zielsetzung ist, um Kostenvorteile für die Kunden und somit für die Otto Group zu erzielen. Hauptbestandteil einer optimierten logistischen Rechnungsprüfung ist der systemgestützte Abgleich der Datenbestände aus Bestellungen – Leistungserbringung Lieferung – Rechnungen (klassischer 3-Wege-Match).

1.3 Wettbewerbssituation und -fähigkeit

Forderung nach marktgerechten Preisen

Der nicht vorhandene Kontrahierungszwang bringt für das SC LV eine Wettbewerbssituation in 2 Dimensionen mit sich.

  1. In der Wettbewerbssituation gegenüber der Konzerngesellschaft gilt es, die Dienstleistung kostengünstiger als eine Eigenabwicklung darstellen und anbieten zu können.
  2. Auch gegenüber dritten Dienstleistungsunternehmen, die im Rahmen eines Business Process Outsourcing (BPO) durch die Konzerngesellschaft beauftragt werden können, müssen die Preise des SC LV einem Vergleich standhalten können.

Um bestehende Kunden halten und neue Kunden gewinnen zu können, muss also ein drittvergleichsfähiges Produkt- und Preismodell gefunden werden, welches etwas über die Leistungsfähigkeit des SC LV aussagen kann.

Zudem forderten viele Kunden eine differenzierte Preisbetrachtung, mit der sie später in der Lage sind, aus ihrer Sicht Kostentreiber selber zu identifizieren und ihre Prozesse so zu ändern, dass es zu Kosteneinsparungen kommt. Es bestand ferner der Wunsch, für die einzelnen Leistungen Einzelaufrisse der dahinter stehenden Vorgänge zu erhalten und eigene Recherchen auf Vorgangsebene durchführen zu können.

1.4 Altes Produktmodell

Starre Strukturen im alten Produktmodell

Das alte Produkt- und Preismodell folgte grob den beiden Hauptprozessen der zu erbringenden Dienstleistung. Dabei wurde sowohl HaWa als auch Non-HaWa in die Produktgruppen[1] Rechnungseingangsbearbeitung und Rechnungsprüfung aufgeteilt. Die Produkte im Rechnungseingang wurden getrennt nach elektronischem und papiergebundenem Eingang und damit nach dem zu betreibenden Aufwand zur Erzeugung eines digitalen Rechnungsdatenbestands. Die Rechnungsprüfung differenzierte in beiden Fällen grundsätzlich nur nach Rechnungen, die automatisch gebucht wurden ("no-touch") und manuellem Klärungsbedarf.

Abb. 1: Das alte Produktmodell – reguläre Leistungen

Preisfests...

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