Obwohl in der vorgestellten Industrie 4.0-Roadmap neue Geschäftsmodelle bereits vorkommen –, führt der strategische Bottom-up-Prozess eher zu einer Digitalisierung bestehender Geschäftsmodelle, weniger jedoch zu neuen, digitalen und eventuell auch disruptiven Geschäftsmodellen. Ein Geschäftsmodell beschreibt die vereinfachte Grundlogik, wie ein Unternehmen für seine Kunden Wert schafft, einen Wettbewerbsvorteil erzielt und Gewinn erwirtschaftet. Die Innovation von Geschäftsmodellen ist somit erfolgsentscheidend für Unternehmen. Nach dem strategischen Rahmen für die Digitalisierung des Unternehmens können Controller in einem weiteren Schritt – im Controller-WEG-Modell dem E für Entwicklung entsprechend – ihre Geschäftsführung in der Funktion als Business Partner unterstützen. Vor allem bei Mittelstandsunternehmen begleiten Controller dabei die Digitalisierung des Geschäftsmodells methodisch.

Der praxisorientierte Vorschlag für diesen Methodeninput für Controller baut auf den sechs am häufigsten genannten Phasen von zwölf Vorgehensmodellen aus der Literatur zur (digitalen) Innovation von Geschäftsmodellen auf:[1] Verstehen (0), Ideen entwickeln (1), Testen (2), Lernen (3), Entscheiden (4) und Skalieren (5). Die Ausgestaltung dieser Phasen erfolgt unter Einbezug der iterativen Methoden zur Geschäftsmodellinnovation und der Idee des Controlling-Zyklus (planen, kontrollieren, informieren) zur Optimierung/Steuerung. Bei jeder Phase werden in Abb. 5 auch wesentliche Werkzeuge/Instrumente zur Umsetzung angeführt.

Abb. 5: Vorgehensmodell zur digitalen Transformation des Geschäftsmodells

[1] Vgl. Kogleck, 2018, S. 71 ff.

4.1 Phase 0: Verstehen – Ausgangssituation verstehen und Status erfassen

Zu Beginn ist es wichtig, die aktuelle Situation zu verstehen, um erfolgreiche Geschäftsmodell-Innovationen zu ermöglichen. Zur Vorbereitung können Controller mit Ihrem Methoden-Know-how unterstützen, folgende Schritte durchzuführen:[1]

  • Das derzeitige Geschäftsmodell dokumentieren, um es danach weiterzuentwickeln oder zu erneuern (z. B. mit Business Model Canvas[2]).
  • Umfeld analysieren: Sobald das (interne) Geschäftsmodell definiert ist, geht es darum, das relevante (externe) Umfeld zu verstehen, also vor allem die Kunden, den Wettbewerb, die Technologie und weitere relevante Stakeholder. Für ein Verstehen des (externen) Umfelds gibt es zahlreiche Methoden.[3] Als Methodeninput für von Controllern moderierte Prozesse ist die Geschäftsmodell-Umfeld-Landkarte ein empfehlenswertes Werkzeug, um die Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle strukturiert zu beschreiben. (s. Abb. 6)

Abb. 6: Geschäftsmodell-Umfeld-Landkarte[4]

  • Kunden verstehen: Aufgrund des großen Kundeneinflusses im digitalen Zeitalter sollten Unternehmen ihre Kunden exakt verstehen, damit sie das Geschäftsmodell auf deren Bedürfnisse und Probleme ausrichten und einen "Kunden-Problem-Fit" erreichen. Hierzu eignen sich Design-Thinking-Methoden.[5] Eine einfache Version beschreiben Osterwalder et al. mit dem "Kundenprofil-Modell" im Rahmen des Value Proposition Canvas.[6]

Nach dem Verstehen der aktuellen Situation startet ein agiler Controllingkreislauf (Phasen 1-4). Agil bedeutet das flexible Anpassen des Geschäftsmodells an Veränderungen (wie beispielsweise Kundenfeedback). Der Kreislauf ist kein linearer Prozess von der Planung bis zur Umsetzung. Vielmehr sind mehrere Schleifen (Runden bzw. Iterationen) notwendig, bis ein tragfähiges Geschäftsmodell entstehen kann.

[1] Vgl. Gassmann et al., 2013, S. 22 ff.; Osterwalder/Pigneur, 2010, S. 252 f.; Van der Pijl/Lokitz/Solomon, 2016, S. 85; Schallmo, 2016, S. 20 ff.
[2] Vgl. Osterwalder/Pigneur, 2010, S. 18 f.
[3] Wie beispielsweise die Modelle "Business Model Environment" von Osterwalder/Pigneur, 2010, S. 200 ff. oder "Context Canvas" von Van der Pijl/Lokitz/Solomon, 2016, S. 110 ff.
[4] In Anlehnung an Stampfl 2016, S. 201f.
[5] Vgl. Lewrick/Link/Leifer, 2017, S. 205 ff. Andere Instrumente sind zum Beispiel: Customer-Journey-Analyse, vgl. Van der Pijl/Lokitz/Solomon, 2016, S. 100; Customer Insights, vgl. Osterwalder/Pigneur, 2010, S. 126.
[6] Vgl. Osterwalder et al., 2014, S. 8 ff.

4.2 Phase 1: Ideen entwickeln – Ideen für Geschäftsmodell entwickeln und designen

Bei dieser Phase unterstützt der Controller bei der Generierung von Ideen für ein innovatives Geschäftsmodell durch den Einsatz passender Methoden:[1]

  • Ideen für Geschäftsmodell-Innovationen generieren: Um eine Vielzahl an Ideen für ein neues Geschäftsmodell zu generieren, können Controller sowohl auf bereits vorhandene Muster zurückgreifen (z. B. 55 Muster des St. Galler Business Model Navigator[2]), als auch komplett neue Ideen "Outside the Box" als Methodenbringer und Moderatoren in Workshops entwickeln lassen. Als Methoden zur Geschäftsmodell-Innovation können Controller das Value Proposition Canvas (s. Abb. 7) nach Osterwalder et al. oder die Blue-Ocean-Strategie nach Kim/Mauborgne anwenden.[3]

Abb. 7: Value Proposition Canvas[4]

  • Die Ideen in Geschäftsmodell-Optionen strukturieren: Sobald ausreichend viele Ideen gewonnen wurden, sind sie in Geschäftsmodelle zu transformieren. Dazu werden die Ideen als Annahmen i...

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