Eine systematische Digitalisierung – bei Produktionsunternehmen "Einführung von Industrie 4.0" – stellt für alle Unternehmen eine große Herausforderung dar. Neben den hohen Investitionskosten aufgrund mangelnder Tauglichkeit der bestehenden Digitalisierungsinfrastruktur und der fehlenden Transparenz über den Nutzen der Digitalisierung treten Bedenken zur (IT-)Sicherheit bei der Implementierung und zur eigenen organisatorischen Veränderungsfähigkeit auf. Letztere wird durch die Akzeptanz der Digitalisierungsvorhaben bei den Mitarbeitern (Stichwort: Arbeitsplatzangst) und die Digitalisierungskompetenzen der Entscheider und Mitarbeiter beeinflusst.[1] An dieser Stelle ist es die Aufgabe des Controllings – speziell in Mittelstandsunternehmen als Business Partner der Geschäftsführung –, im Rahmen des strategischen (Innovations-)Controllingprozesses mit Methodenwissen zur strukturierten Umsetzung der Digitalisierung beizutragen, ja sie zu forcieren. Methodisch erfolgt das anhand von Reifegrad- bzw. Vorgehensmodellen, kombiniert mit klassischen Controlling- und Planungsinstrumenten.

[1] Vgl. Tschandl/Mallaschitz, 2016, S. 88.

3.1 Digitalisierungsreife ermitteln und Vorgehen planen

Reifegradmodelle dienen zur Standort- und Zielbestimmung und bestehen aus mehreren Kriterien, die zu Dimensionen (z. B. Produkte, Abteilungen) zusammengefasst werden. Jedes Kriterium wird durch mehrere Ausprägungsstufen mit Reifegraden/-stufen beschrieben. Bekannte Reifegradmodelle aus anderen Fachdisziplinen sind das European Foundation for Quality Management (EFQM)-Modell, das Process and Enterprise Maturity Model (PEMM)[1] oder das Capability Maturity (CMMI)-Modell.

Vorgehensmodelle unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung konkreter Vorhaben, indem sie die Schritte zum Erreichen eines Zieles modellhaft abbilden. Die Aufgabe wird in einzelne Prozessschritte –beispielsweise Ist-Analyse, Soll-Profil-Ermittlung und Ableitung von Maßnahmen – unterteilt und beschrieben. Das reduziert die Komplexität des Vorhabens sowie deren Planung und erleichtert das Controlling des Projektes. Darüber hinaus bilden Vorgehensmodelle auch den Rahmen für den Einsatz von Methoden und Werkzeugen in den einzelnen Phasen des Implementierungsprozesses.[2] Reifegradmodelle können isoliert verwendet oder in ein Vorgehensmodell zur Umsetzung der Digitalisierung eingebettet werden.

Reifegrad- und Vorgehensmodelle zur Selbstbewertung und Umsetzung von Digitalisierung/Industrie 4.0 sind beispielsweise

  • das Vorgehensmodell zur Entwicklung einer Industrie-4.0-Einführungsstrategie (Merz 2016),
  • die Roadmap Industrie 4.0 (AK4.0 2016) oder
  • das Readiness-Modell (Impulsstiftung des VDMA 2016).

Die dargestellten Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich

  • Umfang (Reifegrad- oder Vorgehensmodell),
  • Vorgehen (Phasen) und auch
  • Schwerpunkten (Technologie, Strategie und Prozesse).

Ein allgemeingültiges Konzept für die Digitalisierung eines Unternehmens ist nicht anwendbar, vielmehr bedarf es eines individuellen Transformationsprozesses, um die spezifischen Digitalisierungspotenziale ermitteln, bewerten und nutzen zu können.[3]

Das Betreiben einzelner Digitalisierungsprojekte in einem Unternehmen führt nicht zwangsläufig zu einem höheren Digitalisierungs- bzw. Reifegrad. Oft scheitern Unternehmen bei der konkreten Umsetzung und Operationalisierung definierter Industrie 4.0-/Digitalisierungsprojekte an der Anforderung, aus den möglichen Themenstellungen den richtigen Mix aus mess- und umsetzbaren Projekten zu definieren. Diese Problematik soll durch Bewertungen und systematische Auswahlprozesse in einem Vorgehensmodell gelöst werden.

[1] Vgl. Hammer, 2007.
[2] Vgl. Leimeister, 2012, S. 102, 113.
[3] Vgl. Seiter et al., 2016, S. 11 f.

3.2 Beispiel für ein Digitalisierungs-Vorgehensmodell: Roadmap Industrie 4.0

Am Beispiel des vom Institut Industrial Management erarbeiteten und bereits vielfach bei Unternehmen eingesetzten Konzeptes einer Digitalisierungs-Roadmap wird in weiterer Folge ein praxisorientiertes Vorgehen beschrieben. (s. Abb. 1)[1] Die 3 Phasen der Roadmap – Analyse, Ziele und Umsetzung – sind in 6 Teilschritte unterteilt, die sequenziell zu durchlaufen sind, um systematisch die aktuelle Digitalisierungs-/Industrie 4.0-Reife im Unternehmen fest-, und die Definition von Soll-Zuständen und Maßnahmen sicherzustellen.

Abb. 1: Beispiel für eine Digitalisierungs-Roadmap (Roadmap Industrie 4.0)

In das Vorgehensmodell eingebettet sind Reifegradmodelle für die 5 Handlungsfelder Einkauf, Produktion, Intralogistik, Vertrieb und Mensch. Diese Handlungsfelder sind aus dem Ansatz der Wertstromanalyse abgeleitet und fokussieren auf die interne vertikale und die unternehmensübergreifende horizontale IT-Integration, weil gerade hier in vielen Unternehmen wesentliche Potentiale der Digitalisierung zu heben sind: Effizienz, Flexibilität und neue Geschäftsmodelle. Das ergänzende Reifegradmodell Mensch ist handlungsfeldübergreifend und deckt die notwendigen Kompetenzen und organisatorischen Anforderungen ab. Dieses wurde separat dargestellt, um die Position und Relevanz des Menschen als zentralen Bestandteil bei Industrie 4.0 zu unterstreichen.

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