Controller-Kompetenzen bei Bosch

Verantwortliche im Controlling müssen wie Seiltänzer den Blick weit nach vorne richten und gleichzeitig ihr Unternehmen in der Gegenwart in Balance halten. Um diese Herausforderungen von morgen zu meistern, benötigen Controller lt. Prof. Stefan Asenkerschbaumer drei Eigenschaften, deren Entwicklung und Anwendung er am Beispiel von Bosch vorstellt.

Controller müssen ihr Unternehmen und sich selbst transformieren

Ein Balanceakt wird in den kommenden Jahren auf die Finanzabteilung zukommen. Einerseits muss sie proaktiv die interne, häufig digitale Transformation des Unternehmens begleiten. Andererseits wird von ihr erwartet, das Unternehmen durch Zeiten rückläufiger Umsätze zu lenken. Prof. Dr. Stefan Asenkerschbaumer, stellv. Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, präsentiert in seinem Vortrag eine Vision für den digitalen Finanzbereich, die er bei der Bosch Gruppe umsetzt. Dabei gibt er zu bedenken, dass die Digitalisierung an sich nichts Neues sei, jedoch das Ausmaß der Vernetzung zwischen Mensch und Maschine sowie von Maschine zu Maschine. Für das Controlling stellen sich im Rahmen der Digitalisierung zwei Fragen:

  • Was bedeutet die Digitalisierung für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens?
  • Betrifft die Digitalisierung nur andere Funktionsbereiche oder steckt auch das Controlling mitten in der Veränderung?

Um diese Fragen zu beantworten zeigt er, dass Digitalisierung ein enormer Performancetreiber sein kann, bezogen auf Umsatz als auch Profitabilität. Um diese positiven Effekte zu heben muss der Controller drei Eigenschaften zeigen: Agilität, Kompetenz als Business Partner sowie den Willen die Zukunft zu gestalten.

Daten als neuer „Reiseführer“

Auf dem Weg in die Zukunft steht dem Controller ein neues Werkzeug zur Verfügung. Daten. Heute sind die Hälfte der globalen Daten Unternehmensdaten. Diese werden stärker zunehmen als Daten von Privatpersonen. Als Beispiel nennt Prof. Asenkerschbaumer den Bau der neuen Bosch Halbleiterfabrik in Dresden, die pro Sekunde 1 GB an Daten produzieren soll. Diese Zunahme an Daten kann verwendet werden, um besser zu prognostizieren und dadurch die Unternehmenssteuerung zu verbessern. Um besser, schneller und individueller zu analysieren müssen die zahlreichen internen und externen Datenquellen jedoch durchgängig verknüpft sein. Diese Verknüpfung gepaart mit einer systematischen Data Governance kann helfen, Diskussionen über die Korrektheit von Daten zu einem Phänomen der Vergangenheit zu machen. Zudem hilft strukturiertes Datenmanagement beim Einsatz moderner, prädiktiver Analyseverfahren.

Am Beispiel von Process Mining erläutert er den Wert der Analyse vorhandener, verknüpfter Daten. Im Process Mining werden digitale Fußspuren ausgewertet, um Effizienz, Konformität und Engpässe bei Prozessen auszuwerten. Anhand der Analyseergebnisse werden Soll- und Ist-Prozesse verglichen und auch Prozesse identifiziert, die mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) optimiert werden können.

Umsatzrückgang drei Monate im Voraus erkannt

Ein weiteres Beispiel zur Datennutzung zeigte er anhand der rollierenden Umsatzprognosen mit Hilfe von Predictive Analytics. Bei Bosch werden bis zu 48 Algorithmen ausgeführt, deren Ergebnisse gescored, kombiniert, und zu einer Gesamtprognose zusammengeführt. Um diese Prognosen im Geschäftsfeld Powertrain zu ermöglichen wurden interne und externe Daten kombiniert. Diese Prognosen werden heute als zweite Meinung gegenüber den Forecasts der Controller verwendet und konnten dieses Jahr einen Umsatzrückgang bereits drei Monate vor dem Eintreten vorhersagen.

Algorithmen müssen verstanden und ständig neu trainiert werden.

Allerdings mahnte Asenkerschbaumer an, dass diese Algorithmen verstanden und ständig neu trainiert werden müsse. Zum Verständnis gehört für ihn die Kenntnis über verwendete Datenquellen sowie Grundkonzepte der Algorithmen. Um die Algorithmen erstmals gut zu trainieren bedarf es genügend Daten – um sie permanent neu zu trainieren, werden fortlaufend neue Daten benötigt. Ohne Verständnis fehle den Anwendern das Vertrauen in die Ergebnisse. Daher müsse dieses Vertrauen hergestellt werden, um Fortschritte bei der Digitalisierung zu erzielen.

Kennzahlengestaltung erfordert auch organisatorische und prozessuale Kompetenzen bei den Controllern

Eine wichtige Aufgabe von Controllern als Business Partner sieht der Bosch-Vorstand in der Auswahl und dem Einsatz der richtigen Kennzahlen für neue Geschäftsmodelle. Für eine effektive Steuerung müssen lt. Asenkerschbaumer sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Kennzahlen zum Einsatz kommen. Damit diese Kennzahlen richtig zusammenwirken sei es jedoch notwendig Controllern Finance-Wissen und Finanzern Controllerwissen zu vermitteln. Dies gehe jedoch über das Wissen von IT-Tools hinaus, sondern bis zu organisatorischen und prozessualen Kompetenzen. Dies helfe den Mitarbeitern, Prozesse end-zu-end zu verstehen und neu bzw. besser zu gestalten. Bezüglich der angestrebten Nachhaltigkeit arbeitet Bosch mit anderen Unternehmen der Value Balancing Alliance zusammen.

Neue Geschäftsmodelle setzen Gestaltungswillen bei Controllern voraus

Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist der Wille zur Gestaltung für Prof. Asenkerschbaumer sowohl eine Grundeigenschaft, die er von Controllern erwartet, als auch eine der großen Herausforderungen für das Controlling der Zukunft. Um diesen Gestaltungswillen zu fördern, muss die Organisation jedoch auch offen für eine andauernde, von den Mitarbeitern getriebene Veränderung. Dies kann eine Organisation erreichen, indem agil gearbeitet wird.  Bei Bosch bedeutet dies, dass Ziele definiert werden, dem Mitarbeiter der Weg zur Erreichung dieses Ziels freisteht, er diesen aber in kurzzyklischen Reviews abstimmt. Dafür müssen Freiräume gewährt und sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte qualifiziert werden.

  • Für Führungskräfte bedeutet dieser Freiraum, dass sie loslassen und gleichzeitig zu inhaltlichen Coaches werden müssen.
  • Für Mitarbeiter bedeutet dieser Freiraum, dass mehr Kreativität und Eigeninitiative verlangt wird.

Diese agile Herangehensweise soll helfen, dass Mitarbeiter vernetzt denken und Prozesse funktionsübergreifend verstehen und optimieren. Um Mitarbeiter und Führungskräfte die nötigen Kompetenzen zu vermitteln, hat Bosch die Finance Academy eingerichtet. Ein Teil der Mitarbeiterentwicklung soll daneben durch die Rotation durch verschiedene Aufgabenprofile erfolgen. So kann übergreifendes und ganzheitliches Denken gefördert werden. Mit diesem übergreifenden Verständnis vom Unternehmen kann die digitale Transformation in Controling und Finance gelingen.

Auch in Zukunft kann auf Controller nicht verzichtet werden

Im Rahmen der digitalen Transformation muss das Controlling versuchen, auch bei unklaren Aussichten Klarheit zu schaffen. Investitionen in die Zukunft dürfen nicht auf Grund trüberer Aussichten eingestellt werden, so Asenkerschbaumer. Der Controller muss die Investitionen erkennen und unterstützen, die einen greifbaren Nutzen für die Organisation stiften. Auch in Zukunft wird eine Organisation nicht auf Controller verzichten können. Zwar werden Aufgaben zur Aufbereitung von Daten abnehmen, jedoch wird die operative Steuerung des Unternehmens weiterhin wichtig sein. Dafür braucht es Controller, die die drei zu Beginn postulierten Eigenschaften aufweisen: Agilität, Kompetenz als Business Partner sowie den Willen die Zukunft zu gestalten.

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Haufe Online Redaktion