Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus dem Abgasskandal

Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Volkswagen AG begann nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart im Jahre 2015 noch nicht zu laufen. Hier war eine Klage erst in 2019 erhoben worden und in erster Instanz als verjährt abgelehnt worden.

Die Rechtsprechung zur Verjährung wegen Schadenersatzansprüchen im Abgasskanal ist nicht einheitlich. In einer aktuellen Entscheidung hat beispielsweise der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart eine ganz andere Auffassung vertreten als zuvor der 10. Zivilsenat.

Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger im Jahre 2012 ein Neufahrzeug des Typs VW Sharan käuflich erworben. In dem Fahrzeug war eine Umschalteinrichtung verbaut, die für den Fall, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befand, einen geringeren Stickoxidausstoß veranlasste.

Volkswagen AG erhob die Einrede der Verjährung

Wegen dieser unzulässigen Abschalteinrichtung machte der Kläger Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB geltend. Die Volkswagen AG erhob die Einrede der Verjährung und hatte damit in erster Instanz Erfolg. Das auf die Berufung des Klägers mit der Sache befasste OLG Stuttgart sah dies jedoch anders und verurteilte Volkswagen zur Zahlung von Schadenersatz.

Voraussetzungen der regelmäßigen Verjährung

Grundsätzlich beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Hinreichende Kenntnis wegen Berichterstattung?

Die Klage wurde vorliegend im Jahre 2019 erhoben. Eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers im Jahre 2015 hätte somit eine Verjährung seiner Forderungen zur Folge gehabt. Das OLG ging jedoch davon aus, dass die öffentlich verbreiteten Informationen durch Volkswagen sowie die Medienberichterstattung im Jahre 2015 nicht ausreichend waren, um darauf zu schließen, dass der Kläger bereits zu dem damaligen Zeitpunkt hinreichende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass genau sein Fahrzeuge vom Dieselskandal betroffen ist.

Verjährungsfrist begann frühestens Ende 2016

Dem Kläger sei in dem Zusammenhang nicht vorzuwerfen, dass er von der Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hatte, auf der Internetseite der Beklagten die Betroffenheit seines Fahrzeugs zu überprüfen. Dem Kläger hätte sich damals gerade noch nicht aufdrängen müssen, dass er sich aktiv um die Klärung etwaiger Ansprüche bemühen muss.

Nach Auffassung des 7. Zivilsenats des OLG Stuttgart begann die Verjährungsfrist damit frühestens mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen. Durch die im Jahre 2019 erhobene Klage ist rechtzeitig eine Hemmung der Verjährung eingetreten.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2020, 7 U 470/19).

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