Untreue in Behörden - Affäre um angeblich herrenlose Häuser

Ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Ex-DDR-Immobilien haben Mitarbeiter des Rechtsamtes der Stadt Leipzig möglicherweise auf Abwege geführt. Der BGH hat ihre Freisprüche hinsichtlich des Verkaufs herrenloser Grundstücke zumindest teilweise nicht bestätigt. Nun muss der Vorwurf der Untreue erneut geprüft werden.

Hintergrund des Verfahrens ist das Erbe, das die DDR nach dem Mauerfall hinterlassen hat.

Da die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich nicht weniger Grundstücke ungeklärt waren, war es in vielen Gemeinden üblich - darunter in der Stadt Leipzig - Grundstücke, die als herrenlos angesehen wurden, auf dem Immobilienmarkt anzubieten und zu veräußern.

Verkauf herrenloser Grundstücke durch gesetzliche Vertreter

Gesetzlich ermöglicht wurde diese Vorgehensweise durch Art.233 § 2 Abs.3 EGBGB.

  • Diese Vorschrift erlaubt es den Kommunen, in den Fällen, in denen die Eigentümer eines Grundstücks oder deren Aufenthalt nicht feststellbar sind,
  • für diese einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen und über diesen das Grundstück veräußern zu lassen.
  • Der Erlös ist auf sogenannten städtischen Verwahrkonten zu parken und zu verzinsen.

Die Gemeinde ist verpflichtet, weitere Nachforschungen nach den Eigentümern bzw. den Erben anzustellen.

Laut StA ca. eine halbe Million Euro Schaden

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Mitarbeitern des Rechtsamtes der Stadt Leipzig sowie einer Rechtsanwältin, die bei mehreren Grundstücksverkäufen als gesetzliche Vertreterin eingesetzt worden war, Untreue und Betrug vorgeworfen.

  • Die Anwältin soll zumindest in einem der Fälle die Grundstücksveräußerung vorgenommen haben, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Vertretung gefehlt hätten.
  • Den Mitarbeitern des Rechtsamtes wurde zur Last gelegt, in 43 Fällen die auf den städtischen Konten verwahrten Erlöse aus Verkäufen an die später festgestellten Berechtigten gesetzeswidrig ohne Zinsen ausgezahlt zu haben.
  • Ein Mitarbeiter soll darüber hinaus in 173 Fällen zu Lasten der Stadt die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr unterlassen haben.

Den Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft auf insgesamt über eine halbe Million Euro.

Freisprüche sämtlicher Angeklagten durch das LG

Das zunächst mit der Sache befasste LG sprach sämtliche Angeklagten von den gegen sie erhobenen Vorwürfen frei.

Nach Auffassung des LG waren schon die Tatbestände der Untreue und des Betrugs objektiv nicht erfüllt,

jedenfalls hätten sämtliche Angeklagten ohne Untreue- oder Betrugsabsicht gehandelt (LG Leipzig, Urteil v. 17.12.2014, 8 KLs 607 Js 58699/11).

Mit diesem Urteil war die StA nicht einverstanden und legte Revision beim BGH ein. Dieser hob die Freisprüche teilweise auf.

LG muss einen Teil der Vorwürfe erneut prüfen

In 3 Fällen muss das LG erneut prüfen, ob die Mitarbeiter des Rechtsamtes gegenüber den Erben der betreffenden Grundstücke vorsätzlich gegen ihre diesen gegenüber bestehende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen haben.

Der BGH rügte unzureichende Feststellungen der Vorinstanz insbesondere zu der Frage,

  • ob die Mitarbeiter des Rechtsamtes ohne ausreichende Prüfung davon ausgegangen waren, dass die Grundstückseigentümer nicht ermittelt werden konnten
  • und sie vorschnell eine gesetzliche Vertreterin mit der Veräußerung beauftragt hatten.

Das LG habe nicht alle maßgeblichen Umstände betreffend einen insofern möglicherweise doch bestehenden Tatvorsatz der Angeklagten geprüft und gewürdigt. Mit der erneuten Prüfung hat der BGH nun eine andere Kammer des LG betraut. In allen anderen Punkten hat der BGH die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen, womit der Freispruch gegenüber der als gesetzliche Vertreterin agierenden Rechtsanwältin endgültig bestätigt ist.

(BGH, Urteil v. 9.11.2016, 5 StR 313/15).


Nach § 266 StGB kann derjenige wegen Untreue bestraft werden, der eine ihm obliegende Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verletzt.


Art. 233 § 2 Abs.3 EGBGB

Ist der Eigentümer eines Grundstücks oder sein Aufenthalt nicht festzustellen und besteht ein Bedürfnis, die Vertretung des Eigentümers sicherzustellen, so bestellt der Landkreis oder die kreisfreie Stadt, in dessen oder deren Gebiet sich das Grundstück befindet, auf Antrag der Gemeinde oder eines anderen, der ein berechtigtes Interesse daran hat, einen gesetzlichen Vertreter. Im Falle einer Gemeinschaft wird ein Mitglied der Gemeinschaft zum gesetzlichen Vertreter bestellt. Der Vertreter ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. § 16 Abs. 3 und 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Vertreter wird auf Antrag des Eigentümers abberufen. Diese Vorschrift tritt in ihrem räumlichen Anwendungsbereich und für die Dauer ihrer Geltung an die Stelle des § 119 des Flurbereinigungsgesetzes auch, soweit auf diese Bestimmung in anderen Gesetzen verwiesen wird. § 11b des Vermögensgesetzes bleibt unberührt.

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