Rekord-Geldbußen wegen Preisabsprachen bei Daimler, MAN u.v a.

Das Rad der Unternehmensskandale dreht sich weiter. Nun ist die Lkw-Branche dran. Wegen unerlaubter Preisabsprachen müssen viele namhafte Hersteller Strafen in bisher nicht gekannter Höhe zahlen, insgesamt die Rekordsumme von ca.  2,93 Milliarden Euro.

Daimler, MAN, Iveco, DAF, Volvo/Renault - sie alle sind betroffen. Sie alle verfügen über hehre Regelwerke zur Unternehmens-Compliance und besitzen eine eigene Unternehmensethik. Compliance-Beauftragte überwachen in den Unternehmen die Einhaltung der Spielregeln - und dennoch dieses Desaster!

Seit 14 Jahren regelwidriges Verhalten höchster Führungsebenen

14 Jahre lang war der rechtswidrige Zusammenschluss der größten Lkw-Hersteller aktiv.

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Unrechtsbewusstsein: Fehlanzeige!

Kartellabsprachen in gemütlicher Runde

Die Manager trafen sich in angemessenem Ambiente und sprachen ab, was ihnen besonders wichtig war. Dabei ging es nicht nur um Preisabsprachen, sondern auch ganze Marktstrategien wurden abgestimmt. Nach dem Vorwurf der Wettbewerbshüter wurde die rechtswidrige Zusammenarbeit genutzt, um

  • die Verkaufspreise für mittelschwere und schwere Lkw abzustimmen,
  • das Zeitfenster für die Einführung abgassenkender Technologien zur Minderung der Schadstoffemissionen möglichst langfristig zu gestalten
  • und so die Einführung von mit EU-Recht kompatiblen Lkw Motoren zu verzögern

Abgesprochen wurde auch, auf welche Weise die im Zusammenhang mit den technischen Entwicklungen entstehenden Kosten an die Kunden weitergegeben werden können.

Das Karussell verbotswidriger Kartellabsprachen

Diese Absprachen hatten eine enorme Bedeutung für den europäischen Lkw-Markt. Allein MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF produzieren 90 % aller mittelschweren und schweren Lkw in Europa. Nicht zuletzt wegen dieser Marktbedeutung kam es zur bisher höchsten Kartellstrafe in Europa. Zur Erinnerung:

  • Das so genannte Fahrstuhlkartell erhielt im Jahr 2007 eine Strafe von knapp 900 Millionen Euro, weil die Hersteller in mehreren europäischen Ländern die Preise für Fahrstühle abgestimmt hatten.
  • Mit Strafen von über 1 Milliarde Euro sahen sich 2008 die Hersteller von Windschutzscheiben für Autos konfrontiert.
  • Im Jahre 2012 erhielten die Hersteller von Computer- und Fernsehbildschirmen Strafen von ebenfalls deutlich über 1 Milliarde Euro.
  • Banken und andere Geldhäuser wurden 2013 von der EU-Kommission wegen der gemeinschaftlichen Manipulation des Libor mit einer Strafe von insgesamt 894 Millionen Euro belegt. 
  • Auf 953 Millionen lautete die Strafe gehen diverse Autozulieferer wegen der Abstimmung der Preise für Wälzlager im Jahre 2014 

Straffreiheit für den Hinweisgeber

Inzwischen hat ein Großteil der Lkw Hersteller einem Vergleich mit der EU-Kommission zugestimmt.

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Neue MAN-Führung mit eisernem Besen

Der wahrscheinliche Grund für den „Verrat“: Im Rahmen einer schweren Korruptionsaffäre musste ein Großteil des Vorstandes im Jahr 2011 zurücktreten. Die neue Unternehmensführung kehrte mit eisernem Besen.

Die Compliance-Regeln wurden radikal verschärft. Die Schaffung einer neuen Unternehmensethik ließ keinerlei korrupte Geschäfte und auch keine rechtswidrigen Kartellabsprachen mehr zu. In Konsequenz dieser Ethik zeigte MAN das verbotswidrige Kartell den EU-Behörden an und kam damit in den Genuss der „Kronzeugenregelung“, d.h.,  der Hinweisgeber bleibt straffrei. Ganz uneigennützig erfolgte der Hinweis an die EU-Behörde natürlich nicht, denn MAN ersparte sich damit eine hohe Rücklage für die zu erwartende Geldstrafe von rd. 1,2 Milliarden Euro.

Scania widersetzt sich jeder Strafe

Die andere VW-Tochter Scania lehnt bis heute einen Vergleich ab. Scania ist der Auffassung, sich weder an Preisabsprachen noch an Zeitplänen für die Einführung neuer Abgastechnik beteiligt zu haben. Die Ermittlungen der EU-Behörde gehen in diesem Fall daher weiter.

Mit Geldstrafen ist es möglicherweise nicht getan

Neben den erheblichen Geldstrafen müssen die Konzerne unter Umständen mit nicht unerheblichen Schadenersatzansprüchen rechnen. Insbesondere große Speditionen sind empört und beabsichtigen, mit Schadenersatzklagen gegen die Konzerne vorzugehen. Das Problem solcher Klagen besteht allerdings darin, dass die Unternehmen den Ihnen infolge der Kartellabsprache entstandenen Schaden im Einzelfall beweisen müssen. Welche Schäden genau durch das Kartell entstanden sind, wird aber schwer zu belegen sein, wobei ein Schadennachweis durch Vorlage entsprechender Gutachten anerkannter Wirtschaftsprüferkanzleien durchaus Erfolg haben kann.

Daimler hat bereits frühzeitig Rücklagen für Strafzahlungen gebildet

Die Rekordeinzelstrafe entfällt auf Daimler mit 1,09 Milliarden Euro. Daimler hat nach eigenen Angaben inzwischen die internen Kontrollen zur Einhaltung der Unternehmenscompliance erheblich verstärkt. In Mitarbeiterschulungen werden Mitarbeiter dafür sensibilisiert, Anzeichen für unzulässige Preisabsprachen und auch sonst für jede Art von Korruption frühzeitig zu erkennen. Daimler hat außerdem finanziell vorgesorgt.

Schon im Jahr 2014 hatte Daimler 600 Millionen Euro für Kartellstrafen zurückgelegt, inzwischen ist die Rücklage wohl auf ca. 1 Milliarde angestiegen.

Konzerne wollen künftig keinen Ärger mehr

Insbesondere Daimler möchte den Lkw-Markt in Europa aufmischen und hat vor gut einem Jahr den ersten nahezu serienreifen autonom lenkenden Lkw vorgestellt. Im US-Bundesstaat Nevada sind bereits 2 autonom fahrende Lkw zugelassen. Daimler blickt laut Vorstand in eine blendende Lkw-Zukunft und möchte sich diese nicht durch unschöne Kratzer an der Reputation durch Kartellverfahren und ähnliches zerstören lassen. Unternehmensreputation - nach wie vor eines der stärksten Motive für die Einhaltung von Compliance-Regeln, aber anscheinend immer noch nicht stark genug - denn sonst wären solche Kartellverstöße im großen Stil auf höchster Führungsebene nicht denkbar.


Schlagworte zum Thema:  Kartellrecht, Preisabsprachen