Prä-GroKo plant härtere Sanktionen bei Wirtschaftskriminalität

Die von CDU/CSU und SPD ausgehandelte Koalitionsvereinbarung enthält eine Kampfansage gegen die Wirtschaftskriminalität. Nicht nur den wirtschaftskriminell handelnden Akteuren, auch den davon profitierenden Unternehmen drohen schärfere Sanktionen. Und auch die Bekämpfung der Steuerkriminalität steht im Fokus der künftigen Koalitionäre.

  • Kernpunkt ist eine deutlich stärkere strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen für strafrechtliches Handeln ihrer Mitarbeiter.
  • Vorbild sind dabei das aus dem Jahr 2013 stammende Verbandsstrafgesetzbuch (Gesetz zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden) in Nordrhein-Westfalen
  • sowie der Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes der Forschungsgruppe Verbandsstrafrecht der Universität Köln.

Geplante GroKo plant Abkehr vom Opportunitätsprinzip

Ein entsprechender Entwurf des Bundesjustizministeriums wurde schon in der vergangenen Legislaturperiode weitgehend ausgearbeitet. Einer der Kernpunkte ist die Abkehr vom Opportunitätsprinzip.

Bei wirtschaftskriminellem Verhalten einzelner Mitarbeiter eines Unternehmens soll das Gesamtunternehmen, das aus der kriminellen Tat einzelner Mitarbeiter Vorteile erzielt hat, nicht mehr aus der Verantwortung entlassen werden können.

Die Sanktionierung des Unternehmens soll zukünftig die Regel sein. Nur in klar definierten Ausnahmefällen soll von einer Stationierung des Unternehmens abgesehen werden können,

  • beispielsweise wenn das Unternehmen ein effektives Compliance-System eingeführt
  • und/oder durch eigene Nachforschungen und
  • freiwilliges Offenbaren zur Aufdeckung von Gesetzesverstößen beigetragen hat.

Sanktionen sollen deutlich verschärft werden

In Anlehnung an das Kartellrecht soll bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro ein Bußgeld bis zu 10 % des Jahresumsatzes verhängt werden können (Höchstbetrag derzeit 10 Millionen Euro). Die künftige Koalition beabsichtigt darüber hinaus ein detaillierteres Sanktionsrecht sowie eine Konkretisierung der weiteren Rechtsfolgen von Verstößen. Hierzu gehören:

  • Konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Unternehmensgeldbußen.
  • Das Recht der Vermögensabschöpfung soll vereinfacht werden, um so die vorläufige Sicherstellung von unrechtmäßig erlangten Vermögenswerten zu erleichtern
  • und darüber hinaus eine nachträgliche Vermögensabschöpfung zu ermöglichen.
  • Bei Vermögen unklarer Herkunft soll eine Beweislastumkehr eingeführt werden, das heißt, der Inhaber müsste den legalen Erwerb der Vermögenswerte nachweisen (Ähnliches wurde kürzlich in Italien zur Bekämpfung der Mafia gesetzlich geregelt).
  • Darüber hinaus soll die Einführung eines speziellen Unternehmensstrafrechts für multinationale Konzerne geprüft werden.

Strafnachlässe für kooperatives Verhalten

Die Unternehmen sollen dazu angehalten werden, intern Verstößen ihrer Mitarbeiter nachzugehen, um diese anschließend gegenüber den Strafverfolgungsbehörden offen zu legen. Hierfür sollen definierte Strafnachlässe festgesetzt werden.

Erleichterte Durchsuchung von Geschäftsräumen

Das Eingriffsinstrumentarium der Strafverfolgungsbehörden soll verbessert werden. U. a. sollen die Voraussetzungen für eine Durchsuchung des Unternehmens und die Beschlagnahme von Unterlagen klarer und auch weiter gefasst werden. 

Ein Aufstand der Strafverteidiger gegen diese erweiterten Polizeibefugnisse dürfte allerdings - ebenso wie gegen andere geplante StPO-Lockerungen- sicher sein.

Starke Anreize für eine effektive Unternehmens-Compliance

Die Notwendigkeit nachhaltiger Compliance-Richtlinien und funktionierender CMS würde durch die Reformen deutlich erhöht.

Unternehmen sollten frühzeitig erwägen, definierte Voraussetzungen in ihre Regelwerke aufzunehmen, unter denen interne Untersuchungen eingeleitet werden und unter welchen Bedingungen eine Offenlegung der Ergebnisse gegenüber den Strafverfolgungsbehörden sowie eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft offensiv seitens des Unternehmens eingeleitet wird.

Effizienteres Steuerstrafrecht geplant

Die im Koalitionsvertrag definierten Ziele zur Bekämpfung der Steuerkriminalität der künftigen Koalition lauten:

  • Steueroasen austrocknen,
  • Steuerharmonisierung,
  • Bürokratieabbau.

Zu diesem Zweck soll der Finanzmarkt stärker reguliert werden. Risiko und Haftung sollen zusammengeführt werden. Steuerzahler soll nicht mehr für die Risiken des Finanzsektors einstehen müssen. Kein Finanzprodukt soll deshalb ohne angemessene Regulierung bleiben. Auch die Rating-Agenturen sollen einer stärkeren Regulierung unterworfen werden.

Steuerhinterziehung soll stärker bekämpft werden

Eine künftige Koalition will grenzüberschreitenden Gewinnverlagerungen international operierender Unternehmen den Kampf ansagen. Hierbei soll eine neue umfassende Transparenz der Steuerverwaltungen untereinander helfen. Internationaler Steuervermeidung soll entgegengewirkt werden

  • durch den Abschluss der Arbeiten der OECD im Rahmen der „Base-Erosion-and Profit-Shifting-Initiative“ des Jahres 2015.
  • Flankiert werden soll dies durch eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Briefkastenfirmen, die keine hinreichend aktive Geschäftstätigkeit nachweisen können sowie
  • durch Schaffung eines öffentlichen Registers für alle wirtschaftlich Beteiligten an Trust- Konstruktionen entsprechend den Vorgaben des Geldwäschegesetzes. Deutschland soll gegebenenfalls gesetzlich voranschreiten, wenn internationale Regelungen nicht erreicht werden können.
  • Zur Schaffung besserer Transparenz soll europaweit eine länderspezifische Berichterstattung im Bankenbereich dem Rohstoffhandel insbesondere über erzielte Gewinne, entstandene Verluste und gezahlte Steuern zwischen den Steuerverwaltungen der Länder eingerichtet werden (country-by-country-reporting).
  • Der Umsatzsteuerbetrug soll zurückgedrängt werden.
  • Die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige soll weiter entwickelt werden. Angedacht ist, die Wirkung der Selbstanzeige künftig von den vollständigen Angaben zu den steuerrechtlich unverjährten Zeiträumen abhängig zu machen (zehn Jahre).
  • Für Steuerrechtsverstöße durch Banken sollen aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zum Lizenzentzug eingeführt werden. 

Schutz vor Unternehmensspionage

Deutsche Unternehmen sollen aber nicht nur sanktioniert, sondern auch geschützt werden. Eine nationale Strategie für den Wirtschaftsschutz soll Unternehmen vor Konkurrenz-Spionage auch aus fremden Ländern schützen.




Hintergrund:

Das deutsche Strafrecht gilt nur für natürliche Personen. Juristische Personen, die Straftaten begehen, können derzeit nur nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz zur Verantwortung gezogen werden (§§ 30, 130 OWiG). Begeht ein Vorstand beispielsweise eine vorsätzliche Straftat, durch die die Unternehmenspflichten verletzt werden oder das Unternehmen dadurch bereichert wird, kann eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro verhängt werden. Das Unterlassen von erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen ist ebenfalls bußgeldbewährt. Die Höhe der möglichen Geldbußen wurde 2013 durch eine Gesetzesänderung verzehnfacht (Artikel 4 G. v. 26.06.2013, BGBl. I S. 1738, in Kraft seit 30.6.2013).



Schlagworte zum Thema:  Koalitionsvertrag