
In den meisten Bundesländern müssen Gäste in Restaurants Kontaktdaten wie Name und Anschrift oder E-Mail-Adresse hinterlassen, um im Falle eines Corona-Ausbruchs erreichbar zu sein. Weil in einigen Bundesländern die Polizei im Zuge der Strafverfolgung Zugriff auf diese Daten nimmt, sehen Datenschützer hier einen Verstoß gegen die Zweckbindung. Das Justizministerium teilt die Bedenken nicht.
In den meisten Bundesländern sind Cafés und Restaurants verpflichtet, Gästelisten zu führen, in denen sich die Besucher mit ihren Kontaktdaten eintragen müssen, um eine Kontaktverfolgung zu ermöglichen, sollte zu einem späteren Zeitpunkt in der Gaststätte ein Corona-Fall bekannt werden.
Corona-Gästelisten sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt
Welche Daten dabei erfasst und wie lange diese aufgehoben werden, unterscheidet sich zudem von Bundesland zu Bundesland. In den meisten Fällen ist etwa eine Aufbewahrung der Formulare über zwei oder maximal vier Wochen vorgesehen und es gibt mehr oder weniger genaue Vorgaben, wie diese Daten zu erfassen und aufzubewahren sind, um Vertraulichkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Polizeizugriff auf Gästelisten wird zum Datenschutz-Streitthema
Mittlerweile häufen sich allerdings Berichte darüber, dass auch die Polizei im Zuge der Strafverfolgung auf diese Gästelisten zugreift. Das sorgt für Verunsicherung bei vielen Gästen und insbesondere bei Datenschützern für erhebliche Skepsis. In der aktuellen Diskussion um diese Zugriffe meldete sich etwa der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung Thomas Bareiß (CDU) zu Wort und plädierte für eine Zurückhaltung der Sicherheitsbehörden. Die erfassten Daten sollten ausschließlich für die eigentlich erhobenen Zwecke verwendet werden, die Kunden müssten sich auf den Datenschutz verlassen können.
Ministerpräsident: Datenverwendung jenseits der Corona-Nachverfolgung ist Missbrauch
Deutliche Worte fand mittlerweile auch der thüringische Ministerpräsident Ramelow (Linke), der in einem Tweet die Verwendung der Daten für andere Zwecke als die Corona-Nachverfolgung als „Missbrauch“ einstufte und sie such als kontraproduktiv i.S. der Corona-Bekämpfung bezeichnete.
Justizministerium und Bundesregierung sehen kein Problem, Opposition schon
Aus Sicht der Bundesregierung gibt es dagegen keine Bedenken teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesjustizministeriums, Christian Lange (SPD), am 27. Juli mit, denn der Zugriff sei durch die StPO geregelt und benötige die Zustimmung eines Richters.
Fälle von Polizeizugriff in mehreren Bundesländern
Der neu aufgeflammte Streit um Gästelisten entzündete sich daran, dass in den letzten Tagen in mehreren Bundesländern wie Bremen, Bayern, Rheinland-Pfalz oder Hamburg zahlreiche Fälle bekannt wurden, bei denen die Polizei auf die Gästelisten zugegriffen hatte, um Delikte aufzuklären. Allein in Rheinland-Pfalz war dies bereits rund ein Dutzend Mal der Fall, ähnlich hoch lag die Zahl auch in Bayern, während Hamburg bislang etwa fünf Fälle meldete und in Bremen die Innenbehörde von wenigen Einzelfälle berichtete.
In zahlreichen anderen Bundesländern wie Hessen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen wurden bei einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa von den Polizeibehörden zwar noch keine derartigen Fälle bestätigt, obwohl die Behörden auch dort darauf hinweisen, dass derartige Zugriffe im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen durchaus erlaubt seien.
Eröffnet die StPO Zugriff auf Corona-Gästelisten?
Als rechtliche Grundlage wird dabei auf die bundesweit geltende Strafprozessordnung hingewiesen, wonach Richter, oder bei “Gefahr im Verzug“ auch Staatsanwälte, anordnen können, dass Gegenstände beschlagnahmt werden können, wenn diese für Ermittlungen von Bedeutung sind.
In den bisherigen Fällen habe es sich etwa um Fälle wie Sexualdelikte oder schwere Körperverletzungen gehandelt, sodass ein solches Vorgehen angemessen und sinnvoll gewesen sei, verteidigten etwa der bayerische Innenminister Herrmann (CSU) oder die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) das Vorgehen der Polizei.
Nicht jedes Bundesland sieht die Verwendung als rechtmäßig an
Grundsätzlich anders sieht man dies etwa in Baden-Württemberg, wo das Innenministerium auf die ausdrückliche und eindeutige Zweckbindung der Daten für die Corona-Nachverfolgung hinweist und eine Verwendung für andere Zwecke daher für unzulässig hält.
Gesetzliche Klärung durch Begleitgesetze zu den Corona-Verordnungen erforderlich?
Mehr Klarheit darüber, ob und wie die Polizei die Gästelisten verwenden darf, erhofft sich etwa der Gaststättenverband Dehoga. Sie plädieren für eine bundeseinheitliche Regelung in Gestalt eines Begleitgesetzes zu den Corona-Verordnungen.
Die fordert auch der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Dabei betonte er, dass Zugriffe auf die Daten stets verhältnismäßig bleiben müssten und nur bei schweren Straftaten, nicht aber bei Bagatelldelikten erfolgen dürften und empfiehlt Gastronomen, diese Zugriffe ausschließlich nach einem richterlichen Beschluss zuzulassen.
Corona-Gäste-Daten auch im Übrigen gut schützen
Doch nicht nur polizeilicher Zugriff gefährdet den Datenschutz der Corona-Gastdaten. Die meisten Verstöße, die der Datenschutz im Umgang mit Corona-Gästelisten wahrnehme ,sei das unachtsame Offenlegen der Daten früherer Gäste, befand der Sprecher der Landesbeauftragten für den Datenschutz in Niedersachsen, Philip Ossenkopp, gegenüber der taz.
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Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BFDI) hat für Fragestellungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie allgemeine Hinweise zum Datenschutz bereitgestellt. Folgende Fragen sind beispielsweise zulässig:
- Wurde eine Infektion bei Ihnen festgestellt?
- Haben Sie sich im relevanten Zeitraum in einem vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten?
- Hatten Sie Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person?