Online-Plattformen wie Amazon müssen keine Telefonnummer angeben

Ein Abmahnthema weniger: Nach einer Entscheidung des EuGH muss als Kontaktmöglichkeit einer Online-Plattform keine Telefonnummer angeboten werden. Internetplattformen dürfen dem Verbraucher das Kommunikationsmittel ihrer Wahl zur Verfügung stellen, wenn es effiziente Kommunikation ermöglicht. Eine unbedingte Pflicht zum Telefonanschluss sei unverhältnismäßig

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte die Online-Plattform Amazon verklagt. Grund der Klage war das Fehlen einer in klarer und verständlicher Weise angegebenen Telefon- und Telefaxnummer.

Verbraucherverband bemängelt den Rückrufservice von Amazon als ineffizient

Der Rückrufservice von Amazon ist nach Auffassung des Bundesverbandes zur Erfüllung der Amazon obliegenden Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher nicht effizient genug, denn der Verbraucher müsse hier eine Vielzahl von Schritten unternehmen, um Kontakt zu einem Ansprechpartner des Unternehmens zu erhalten. Nach deutschem Recht sei der Unternehmer verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrages im Fernabsatz Verbrauchern eine gut erreichbare Telefonnummer anzugeben.

Rechtspflichten im Fernabsatz

§ 312 d Abs. 1 BGB verpflichtet den Unternehmer im Fernabsatz, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246 a EGBGB zu informieren.

  • Art. 246 a EGBGB statuiert in § 1 Abs. 1 Nr. 2 unter anderem die Verpflichtung des Unternehmers, seine Identität,  die Anschrift seiner Niederlassung, seine Telefonnummer und „gegebenenfalls“ seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse anzugeben.
  • Nach den EU-Richtlinien 2011/83/EU in Verbindung mit den Richtlinien 2006/123/EG und 2000/31/EG ist der Unternehmer im Fernabsatz verpflichtet, den Verbraucher über die Anschrift seiner Niederlassung und „gegebenenfalls“ seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse zu informieren, Art. 6 Absatz 1c der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU.

BGH beschloss Vorlage zum EuGH

Der in letzter Instanz mit der Sache befasste BGH legte dem EuGH u.a. die Frage zur Beantwortung vor, ob die Verbraucherrichtlinie der deutschen Regelung entgegensteht, wonach der Unternehmer grundsätzlich zur Angabe eines Telefonanschlusses verpflichtet ist, während die entsprechende EU-Richtlinie diese Verpflichtung nur „gegebenenfalls“ statuiert.

EuGH stellt Zweck der Verbraucherrichtlinie in den Vordergrund

In seiner Entscheidung traf der EuGH umfangreiche Feststellungen zum Zweck der EU-Verbraucherrichtlinie.

Nach dem Urteil des EuGH verfolgt die EU-Richtlinie 2011/83/EU den Zweck der Sicherung eines hohen Verbraucherschutzniveaus sowie der Garantie der Information und Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern (EuGH, Urteil vom 23.1.2019, C-430/17). Die entsprechenden Informationen sollen dem Verbraucher u.a. die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er sich vertraglich überhaupt an den betreffenden Unternehmer binden will sowie darüber, welche Rechte er im Rahmen der Vertragserfüllung besitzt, und insbesondere auch die Information über sein Widerrufsrecht.

Recht mit Unternehmen schnell und problemlos Kontakt zu treten

Hierzu gehöre auch das Recht, mit dem Unternehmer schnell und problemlos Kontakt aufnehmen zu können und effizient mit ihm zu kommunizieren. Die Erfüllung dieser Bedingungen sei von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und Durchsetzung von Verbraucherrechten.

EuGH betont unternehmerische Freiheit

Neben diesen Verbraucherrechten erläutert der EuGH aber auch das Erfordernis eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Auch dies gehe aus der Richtlinie hervor, denn sie lege nicht fest, welches Kommunikationsmittel dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen sei. Hierbei sei auch die Charta der Grundrechte der EU zu berücksichtigen, die grundsätzlich die unternehmerische Freiheit garantiere.

Unbedingte Pflicht zur Telefonnummerangabe ist unverhältnismäßig

Vor diesem Hintergrund beurteilte der EuGH die unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, als unverhältnismäßig. Nur wenn das Unternehmen über diese Anschlüsse als Kommunikationsmittel mit dem Verbraucher ohnehin verfüge, habe es die Verbraucher darüber zu informieren. Verfüge ein Unternehmen über einen Telefonanschluss als Mittel zur Verbraucherkommunikation nicht, so könne der Unternehmer nach seiner Wahl ein anderes Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen, beispielsweise

  • ein elektronisches Kontaktformular,
  • einen Online-Chat oder
  • ein Rückrufsystem.

Voraussetzung sei allerdings, dass hierdurch eine gleichwertige direkte und effiziente Kommunikation zwischen Verbraucher und Unternehmer ermöglicht wird.

Darüber hinaus habe der Unternehmer zu gewährleisten, dass die Information hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittels dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise vermittelt und zugänglich gemacht wird.

Gegebenenfalls bedeutet: Telefonnummer ist nicht obligatorisch

Nach alledem ist die Wendung in der Verbraucherrichtlinie „gegebenenfalls“ nach dem Urteil des EuGH dahin auszulegen, dass die Bestimmung keine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Verbraucher eine Telefonnummer als Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefon- oder Faxanschluss neu einzurichten

Im Einzelfall haben die nationalen Gerichte zu entscheiden

Schließlich legte der EuGH Wert darauf, dass es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte ist, im Einzelfall zu beurteilen, ob die den Verbrauchern vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel den Voraussetzungen einer effizienten Kommunikation gerecht werden und hinreichend effektiv sind.

Der EuGH stellte allerdings klar, dass eine Information noch nicht dadurch unverständlich wird, dass eine Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar ist

Nun hat wieder der BGH das Wort

Nach diesem Urteil haben die Bundesrichter in Karlsruhe nun im konkreten Fall über die Klage des Bundesverbandes zu entscheiden. Hierbei wird zu prüfen sein, ob die von Amazon zur Verfügung gestellten Kontaktmittel hinreichend effizient für eine schnelle Kommunikation sind. Der Hinweis des EuGH, dass das Erreichen der Telefonnummer nur über mehrere Klicks nicht gegen eine effektive Kommunikation spricht, weist allerdings bereits die Richtung.

(EuGH, Urteil v. 10.7.2019, C-649/17).

Hintergrund:

Die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (VRRL), die zum 13.6. 2014 in Kraft trat und zeitgleich in nationales Recht umgesetzt wurde, brachte gravierende Änderungen für den Onlinehandel. Besonders einschneidend ist sie für Rücksendungen und Widerrufsbelehrungen. Die VRRL sollte im EU-Raum einen weitgehend einheitlichen Verbraucherschutz sicherstellen, da sich der grenzüberschreitende Onlinehandel hinsichtlich der bis dahin unterschiedlichen nationalen Widerrufsfristen schwierig gestaltete. 

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Schlagworte zum Thema:  Verbraucherschutz