Korruptionsvorwürfe gegen Gewerkschaftsfunktionäre in USA

Führende Funktionäre der größten Gewerkschaft Nordamerikas „United Auto Workers“ (UAW) stehen unter dem Verdacht der Korruption und der Annahme von Schmiergeldern. Mit dem größten aber auch teuersten Streik seit 50 Jahren hat die UAW ihr desolates Image wieder etwas aufpoliert.

Bereits im Sommer 2019 kam es zu Razzien des FBI bei führenden Gewerkschaftsfunktionären in vier amerikanischen Staaten. Schmiergelder in Millionenhöhe sollen einzelne Gewerkschaftsfunktionäre erhalten und ihre Mitglieder dadurch geschädigt haben. Der Verdacht: Gewerkschaftsführer sollen mit Unternehmern in Hinterzimmern gekungelt, sich die eigenen Taschen gefüllt und bei ihren Mitgliedern Niedriglöhne durchgedrückt haben.

Private Luxusgüter auf Kosten der Gewerkschaftsmitglieder

Die Vorwürfe richten sich u.a. gegen den ehemaligen Präsidenten der UAW, Dennis Williams, der Firmengelder zur Finanzierung von privaten Luxusgütern und Kuraufenthalten verwendet haben soll. Sechs der acht Verhandlungsführer, die den Tarifvertrag von 2015 unterzeichnet hatten, sollen danach in den Korruptionsskandal verwickelt sein. Der frühere stellvertretende Vorsitzende der UAW, Norwood Jewell, hat sich bereits schuldig bekannt und arbeitet jetzt offensichtlich mit der StA zusammen.

Machten Funktionäre den Beschäftigten Niedriglöhne schmackhaft?

In den vergangenen zehn Jahren hatte die Gewerkschaft ihren Mitgliedern teilweise extrem niedrige Löhne zugemutet und dies mit der desolaten Lage der US-amerikanischen Autoindustrie begründet. Die arbeitgeberfreundlichen Tarifvereinbarungen erfolgten zunächst bei Fiat Chrysler und wurden dann in ähnlicher Weise für General Motors und Ford übernommen.

Die Gewerkschaftsspitze argumentierte, die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie seien nur durch eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität der US-amerikanischen Automobilindustrie zu retten. Die Gewerkschaft hat entscheidend daran mitgewirkt, dass General Motors & Co vor zehn Jahren die Stundenlöhne erheblich senken konnte.

„Vorübergehende“ Niedriglöhne blieben auf Dauer

Die als nur vorübergehend angekündigten Leistungskürzungen waren entgegen den gewerkschaftlichen Ankündigungen dann allerdings von erheblicher Dauer. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre sind die Stundenlöhne lediglich geringfügig gestiegen. General Motors beispielsweise aber hat in dieser Zeit die Gewinnmarge erheblich erhöht und Milliardengewinne eingefahren.

Härtester Streik der letzten 50 Jahre

Die Unzufriedenheit der Beschäftigten der Automobilindustrie steigerte sich in dieser Zeit zu einem Siedepunkt. Die "UAW" geriet mächtig unter Druck und demonstrierte nun eindrucksvoll ihre immer noch bestehende Macht. In den Monaten September/Oktober 2019 hat sie den härtesten Streik der letzten 50 Jahre bei General Motors durchgesetzt. Die unzureichende Höhe der Löhne, die schlechte Gesundheitsvorsorge der Arbeitnehmer sowie eine geforderte Bestandsgarantie für die Arbeitsplätze waren der Grund des Streiks, bei dem fast 50.000 Beschäftigte von General Motors über einen Zeitraum von 40 Tagen nicht gearbeitet haben. Die Produktion stand in 31 Fabriken still. Betroffen von den Streiks waren auch viele Zulieferer.

Streik endet mit beachtlichem Erfolg

Nach 40 Tagen war der Arbeitskampf beendet. Die Gewerkschaft hat einen Tarifvertrag ausgehandelt, der sowohl Lohnerhöhungen als auch Bonuszahlungen vorsieht. Die Umstellung befristeter Arbeitsverträge auf feste Arbeitsverträge wurde deutlich erweitert, der Gesundheitsschutz zwar nicht verbessert, aber der bisherige Standard zumindest festgeschrieben. Außerdem hat die Gewerkschaft durchgesetzt, dass mehr Zeitarbeiter übernommen werden und den Zeitarbeitern die gleichen Löhne wie fest angestellten Arbeitnehmern gezahlt werden. Zwei von vier Werken, die General Motors in Michigan, Ohio und Baltimore bereits geschlossen hatte, werden nun weiterbetrieben.

Korruptionsskandal ist noch nicht ausgestanden

Die Gewerkschaft kann sich auf den mit dem Streik erreichten Erfolgen nicht ausruhen. Die Korruptionsvorwürfe gehen weiter. US-Staatsanwälte ermitteln weiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Maßgebliche Funktionäre der Gewerkschaft werden verdächtigt, Fiat Chrysler günstige Tarifabschlüsse verschafft und dafür nicht unerhebliche geldwerte Vorteile erhalten zu haben.

Spektakuläre Klage von General Motors gegen Fiat Chrysler

Am 20.11.2019 hat General Motors angekündigt, gegen „Fiat Chrysler Automobiles“ auf Schadenersatz zu klagen. General Motors wirft dem Konkurrenzunternehmen vor, durch umfangreiche Bestechungen der Gewerkschaftsfunktionäre die UAW in ein von „Fiat Chrysler Automobiles“ kontrolliertes Unternehmen verwandelt und sich dadurch wettbewerbswidrig erhebliche Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschafft zu haben. In der Klageschrift von General Motors wird Funktionären der UAW unter anderem vorgeworfen, in Geheimverhandlungen mit Fiat Chrysler die Beschäftigung im Niedriglohnbereich erheblich ausgeweitet, Krankenversicherungsleistungen gesenkt und dafür geldwerte Vorteile eingestrichen zu haben. Noch am Tag der Klageeinreichung kündigte der Präsident der UAW, Gary Jones, seinen Rücktritt an.

UAW ist durch den Korruptionsskandal schwer angeschlagen

Die Korruptionsvorwürfe haben der UAW schwer zugesetzt. Die UAW war als Gewerkschaft der Automobilindustrie, der Luftfahrtindustrie, dem Landmaschinenbau und im Gesundheitswesen die einflussreichste nordamerikanische Gewerkschaft. Auf die Gewerkschaft gehen mehr als 3.000 aktuell laufende Tarifverträge mit rund 2.000 Unternehmen zurück. Sie hat ihren Sitz nicht nur in Nordamerika, sondern auch in Kanada und ist auch in Puerto Rico aktiv. Organisiert sind in der Gewerkschaft allerdings vor allem Arbeitnehmer aus der nordamerikanischen Automobilindustrie. 1978 verfügte die Gewerkschaft noch über 550.000 Mitglieder, heute sind es kaum noch mehr als 50.000, eine eindeutige Folge der Korruptionsvorwürfe. Der kürzliche Streik war für die Gewerkschaft sehr teuer. Für entgangene Löhne zahlte sie ihren Mitgliedern eine wöchentliche Entschädigung von 250 US-Dollar.

US-Regierung könnte die Kontrolle übernehmen

Nach den US-amerikanischen Gesetzen zur Bekämpfung von Betrug besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Regierung bei Ausweitung des Korruptionsskandals die Aufsicht über die Gewerkschaft übernimmt. In diesem Fall bestünde für die US-Regierung und damit auch für den US-Präsidenten die Möglichkeit, direkt in die Gewerkschaft durchzuregieren. Ein Schreckensszenario für alle Automobilbeschäftigten.


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