Korruption: Schwerer Compliance-Rückschlag für Thyssenkrupp

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen den ehemaligen Chief-Compliance-Officer von Thyssenkrupp Dr. Thomas Kremer wegen des Verdachts der Korruption. Kremer zeichnet heute als Vorstand bei der Telekom für Compliance verantwortlich.

Bereits im Januar diesen Jahres hat die Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume der Bremer Rüstungsfirma „Atlas Elektronik“ wegen des Verdachtes der Korruption durchsucht. Die StA stellte umfangreiches Datenmaterial sicher.

Verkauf von Torpedos und Sonarsystemen für U-Boote

Grund der Durchsuchung: Verdacht der Korruption im Zusammenhang mit dem Verkauf von Torpedos und Sonarsystemen für U-Boote. Verdächtigt werden insgesamt 14 Beschuldigte, in den meisten Fällen Mitarbeiter der Firma Atlas Elektronik. Die Angelegenheit ist umso gravierender, als bereits im Jahr 2013 die StA ein Verfahren gegen das Unternehmen wegen der Bestechung von griechischen Regierungsmitgliedern beim Verkauf von Ausrüstungen für U-Boote eröffnet hatte.

Verdacht der StA: Rüstungsverkauf durch Bestechungsgelder angekurbelt

Nun haben die Ermittlungen auch den Essener Mutterkonzern Thyssenkrupp erreicht. Das Unternehmen Atlas Elektronik gehört je zur Hälfte dem Essener Unternehmen Thyssenkrupp sowie der EADS-Tochter Airbus. Mitte Juni hat die Staatsanwaltschaft nun auch die Thyssenkrupp-Zentrale in Essen durchsucht und wiederum in großem Umfang Daten beschlagnahmt.

  • Im Fokus der Staatsanwaltschaft steht diesmal u.a. der ehemalige „Chief-Compliance-Officer“ von Thyssenkrupp Thomas Kremer.
  • Der Verdacht der StA: Die Firma Atlas Elektronik soll in dem Zeitraum 1998 bis 2014 insbesondere türkische Beamte durch Zahlung von Bestechungsgeldern zum Kauf von Torpedos und Sonartechnologie mit Wissen des Mutterkonzerns motiviert haben.

STA sieht Ex- Compliance-Beauftragten mitverantwortlich

Die StA unterstellt, dass das Vorstandsmitglied der Telekom, Thomas Kremer, als damaliger, für die Compliance Verantwortlicher bei Thyssenkrupp über die Geschäftspraktiken des Tochterunternehmens informiert gewesen sein müsse, jedenfalls sei er als im Unternehmen zuständiger Compliance-Beauftragter der Garant für Regeltreue und daher für solche Praktiken mitverantwortlich.

Der Beschuldigte selbst weist die Vorwürfe zurück und hat über seinen Düsseldorfer Anwalt bereits ein Gutachten vorlegen lassen, das seine Verantwortlichkeit für diese Geschäftspraktiken verneint.

Die Ermittlungsgruppe „Hellas“ ist effektiv

Herausgekommen sind die Geschäftspraktiken von Atlas durch die eigens eingesetzte Ermittlungsgruppe „Hellas“.

Hellas wurde unter Führung der Staatsanwaltschaft als besondere Anti-Korruptions-Truppe als eine Art Zusammenschluss aus Polizei, Steuerfahndung und zentraler Anti-Korruptionsstelle ins Leben gerufen.

Teil des Firmenvermögens wurde eingefroren

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist die Bekämpfung von Korruption effektiv nur dann möglich, wenn Unternehmen die Erfahrung machen, dass Erträge aus den mit Hilfe von Korruption erreichten Geschäftsabschlüssen nicht im Unternehmen verbleiben.

Die StA hat deshalb inzwischen 69 Millionen Euro Firmenvermögen von Atlas eingefroren. Dieses soll gegebenenfalls für die etwaige Verhängung eines Bußgeldes zur Verfügung stehen.

Korruption ist in der Rüstungsindustrie kein Einzelfall

Erst im Jahr 2014 wurden die Ermittlungen gegen das Unternehmen „Rheinmetall Defence Electronics“ wegen Zahlungen an griechische Regierungsmitglieder im Rahmen des Verkaufs von U-Boot-Ausrüstungen gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 37 Millionen Euro eingestellt.

Offen ist, ob auch jetzt weitere Unternehmen im Fokus der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften mit der Türkei stehen. Auch zur Höhe der gezahlten Schmiergeldsummen hat die StA bisher sich nicht geäußert.

Höchstmögliches Compliance-Niveau

Thyssenkrupp legt seit Jahren viel Wert auf ein ausgefeiltes Compliance- Regelwerk und hat in dessen Ausarbeitung eine Menge Manpower investiert.

Thomas Kremer übernahm im Jahre 2003 als Chef-Justiziar die Leitung der Holding-Rechtsabteilung der Thyssenkrupp AG und war dort maßgeblich an der Entwicklung der Compliance-Richtlinien des Unternehmens beteiligt. 2007 wurde er zum „Chief-Compliance-Officer“ ernannt, bevor er schließlich im Jahr 2009 die Leitung des neu gegründeten „Corporate Centers Legal and Compliance“ bei Thyssenkrupp übernahm. Im September 2013 wurde er darüber hinaus Mitglied der Regierungskommission „Deutscher  Corporate Governance Kodex“. Die Qualifikation des Compliance-Beauftragten lag also auf höchstmöglichen Niveau.

Trotz höchster Qualifikation: Niederschmetternde Compliance-Bilanz

Unabhängig von der Frage, inwieweit die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sich gegen Kremer erhärten, muss die Frage erlaubt sein, welchen Wert die ausgefeilte Compliance eines Unternehmens hat, wenn trotz sorgfältigster Erarbeitung eines solchen Regelwerks und der offensichtlich besonders hohen Qualifikation des für die Compliance Verantwortlichen die Kontrollmechanismen - ob mit oder ohne dessen Wissen - in einem Unternehmen so versagen können, dass korrupte Geschäftspraktiken offensichtlich dennoch in großem Umfange möglich sind und - wie die Staatsanwaltschaft vermutet - hausinterne Juristen solche Vorgänge nicht unterbinden. Dies kann - so sich der Verdacht erhärtet - nur bedeuten, dass die Kontrollmechanismen auf ganzer Linie versagt haben.

Wie immer: Brutalstmögliche Aufklärung

Thyssenkrupp selbst betont, bei der Aufklärung der Vorwürfe in jeder Hinsicht behilflich zu sein. Die vollständige Aufklärung habe höchste Priorität. Die Aufklärung unter Auswertung der sichergestellten Unterlagen dürfte Monate in Anspruch nehmen. Solange die Vorwürfe nicht vollständig geklärt sind, gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung für sämtliche Beteiligten.

Und: Nicht nur die Rüstungsindustrie, auch andere Branchen sind nicht per se  weniger korruptionsanfällig. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach einer Studie der Unternehmensberatung „AlixPartners“ 90 % aller Compliance- Beauftragten von Unternehmen ein Korruptionsrisiko in ihrer Branche sehen, 28 % halten das Korruptionsrisiko nach dieser Studie sogar für signifikant.

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