Kabinettsentwurf der Vergabeverordnung (VgV) verabschiedet

Nach der am 17.12.2015 verabschiedeten umfassenden Reform des Vergaberechts hat das Kabinett am 20.1.2016 die neue VgV beschlossen, die die Einzelheiten des Verfahrens  bei künftigen Vergaben regelt und zum 18.4.2016 in Kraft treten soll.

Mit Einführung der EEE (Einheitliche Europäische Eigenerklärung) wurde ein wesentliches Element der Vereinfachung zukünftiger Vergabeverfahren geschaffen. Diese und weitere Neuerungen erfordern jedoch auf der zweiten Reformstufe ausgeklügelte Verfahrensmechanismen, um die grundsätzlichen Neuerungen praktikabel und händelbar zu machen. Diesem Ziel dient im wesentlichen die nun beschlossene VgV.

Geltungsbereich der VgV

Die Verordnung gilt gemäß § 2 Abs. 1 VgV für

  • sämtliche Aufträge öffentlicher Auftraggeber und diesen gleichgestellten juristischen oder natürlichen Personen,
  • deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet,
  • die in Art. 7 der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge festgelegt werden (EU-Schwellenwerte).

Die Schwellenwerte werden vom Bundeswirtschaftsministerium jeweils im Bundesanzeiger bekannt gegeben, sobald sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind.

Daneben gilt die Verordnung für bestimmte Aufträge im Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversorgung (§ 98 Nr.1-4 GWB) oder des Verkehrs (Sektorentätigkeiten).

Festlegung der Schwellenwerte ist von zentraler Bedeutung

Wesentlich für die Frage, ob die Verordnung überhaupt Anwendung findet, ist die Festlegung der Schwellenwerte. Diese werden alle zwei Jahre von der EU-Kommission angeglichen, die letzte Angleichung erfolgte durch VO Nr. 2170/2015 vom 24.11.2015, die seit dem 1.1.2016 gilt. Hiernach gelten zur Zeit folgende Schwellenwerte:

  • 135.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten und oberen Bundesbehörden,
  • 209.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge von nicht obersten Bundesbehörden und nicht für Aufträge in den Sektoren Verteidigung und Sicherheit,
  • 418.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich,
  • 5.225.000 Euro für Bauaufträge.

Zwingende Maßstäbe für die Bemessung des Auftragswertes

Bei der Schätzung des Auftragswertes ist nach § 3 VgV von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung einschließlich etwaiger Prämien oder Zahlungen an Bewerber oder Bieter auszugehen. Alle Optionen und etwaige Vertragsverlängerungen sind zu berücksichtigen. § 3 Abs. 2 VgV untersagt es ausdrücklich, den Wert eines beabsichtigten Auftrags so zu schätzen oder aufzuteilen, dass er der Anwendung der Verordnung entzogen wird.

Bindung an nationale Vergabeordnungen in bestimmten Fällen

Gemäß § 4 VgV  gelten besondere Bestimmungen für Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen, juristische Person des öffentlichen und privaten Rechts, die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art wahrnehmen sowie für die weiteren in § 98 Nr. 1-3 u. 5 GWG genannten Auftraggeber. Diese werden bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen und Auslobungsverfahren an bestimmte Vorschriften der VOL/A (Vergabeordnung für Leistungen) gebunden. Eine ähnliche Bindung gilt bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen an die VOF (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen) sowie bei Bauleistungen an die VOB/A (Verdingungsordnung für Bauleistungen).

Konkrete Bekanntmachungspflichten

Bei ihren Bekanntmachungen haben die Auftraggeber gemäß § 14 VgV die Anschrift der Vergabekammer anzugeben, welcher die Nachprüfung obliegt. Gemäß § 16 VgV werden voreingenommen Personen bei den Entscheidungen über die Vergabeverfahren ausgenommen. § 17 VgV verpflichtet die Auftraggeber der zuständigen Stelle eine jährliche statistische Aufstellung der im Vorjahr vergebenen Aufträge und zwar getrennt nach Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträgen zu übermitteln. Hierbei müssen auch Anzahl und Wert der vergebenen Aufträge angegeben werden.

Die Reform der VgV betrifft nur 90 % der Vergaben

Insgesamt wurde mit dem Gesetzespaket eine umfassende Modernisierung des europäischen Vergaberechts sowohl hinsichtlich der materiellrechtlichen Voraussetzungen als auch der konkreten Verfahrensabläufe geschaffen. Nicht verkannt werden darf aber, dass 90 % aller Aufträge innerhalb der EU unterhalb der festgelegten Schwellenwerte liegen.

  • In Deutschland wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vergabe unterschwellige Aufträge nur unvollkommen geregelt.
  • Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Unternehmen auch im unterschwelligen Bereich Mindestrechte bei der Vergabe zu gewähren sind.
  • Hierbei könnten die Regeln der VOL/A oder der VOB/A herangezogen werden. Dies folge aus dem verfassungsrechtlich geschützten Justizgewährleistungsanspruch (BVerfG, Beschluss v. 13.6.2006, 1 BvR 1160/03).

Nach einer Entscheidung des BVerwG sind zur Entscheidung über sich hieraus ergebende Rechtsfragen die ordentlichen Gerichte zuständig (BVerwG, Beschluss v. 2.5.2007, 6 B 10.07).

Resümee: Das neue Vergaberecht ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichbehandlung der europäischen Unternehmen bei öffentlichen Vergaben. Tatsache ist aber auch, dass das neue Vergaberecht nur knapp 10 % der öffentlichen Auftragsvergaben betrifft und damit einen viel zu kleinen Teil der Vergaben erfasst. Hier muss sich in Zukunft noch einiges bewegen. Insoweit wird auch schon diskutiert, inwieweit die neu geschaffenen Vergabegrundsätze partiell auf unterschwellige Vergaben ausgedehnt werden können.

Vgl. zu dem Thema auch:

Was ändert sich zum 18.4.2016 mit der Reform des Vergaberechts? 

Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht