GWB-Digitalisierungsgesetz plant Wettbewerbsrecht 4.0

Die sozialen Marktwirtschaft soll an die Digitalisierung angepasst werden. Die 10. GWB-Novelle soll eine effektivere Eindämmung des Missbrauchs von Marktmacht, besonders durch die Global Player des Internets wie Amazon und Facebook, erreichen. Was sind die Eckpunkte der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)?

Im Wettbewerbsrecht passt der Spruch nach der Gesetzesnovelle ist vor der Gesetzesnovelle besonders gut. Seit zwei Jahre ist die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft, die Kartell-Geschädigte besser stellen sollte.

Doch immer noch erweist sich das Kartellrecht als zu zahnlos für den rasant sich verändernden Wettbewerb: Schon zieht das BMWi die nächste Novelle des GWB, das GWB-Digitalisierungsgesetz, aus der Schublade.

Wettbewerbsschutz beruht auf zwei Säulen

Der Schutz des Wettbewerbs beruht in Deutschland auf zwei Säulen, nämlich dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

  • Während das GWB den Schutz des Wettbewerbs als Institution im Auge hat, das die Freiheit des Wettbewerbs als solchen schützt,
  • bietet das UWG Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen einzelner. Das UWG soll gewährleisten, dass die einzelnen Wettbewerber sich im Markt redlich verhalten.

Mit der Novelle des GWB verfolgt das BMWi den institutionellen Schutz des freien Wettbewerbs.

Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtig Unternehmen 

Zur Vorbereitung der Novelle hatte das BMWi eine Studie zum Thema Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen in Auftrag gegeben und deren Auswertung inzwischen abgeschlossen. Daneben hat die Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ Vorschläge für eine Weiterentwicklung und Harmonisierung des europäischen Wettbewerbsrechts erarbeitet.

Die Neuregelungen haben insbesondere Plattform-Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook & Co im Fokus und sollen einen wettbewerbswidrigen Umgang mit Daten deutlich erschweren. Die ungebremste Datensammelwut der Internetriesen soll mit verschärften Spielregeln für marktbeherrschende Plattformen deutlich eingedämmt und der Markt und Datenzugang für Wettbewerber verbessert werden, so der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Auch neue Plattformen sollen eine Chance haben

Die Reform diene einer augewogenen Balance zwischen den Wachstumsmöglichkeiten deutscher und europäischer Plattformen einerseits und der Marktmacht der internationalen Plattformen andererseits.

Keine Benachteiligung von Fremdanbietern

Amazon soll aus Gründen der Gleichbehandlung künftig keine Anbieter mehr benachteiligen dürfen, die auf die Plattform angewiesen sind, um Kunden zu erreichen. Plattformunternehmen mit marktübergreifender Bedeutung soll es untersagt werden können, Plattformangebote von Wettbewerbern anders als eigene Angebote zu behandeln.

Eigenes Positionspapier der BRAK

Bereits im März 2019 hat der BRAK-Ausschuss Kartellrecht ein Positionspapier erstellt und konkrete Anregungen zur Schonung kleinerer Unternehmen gegeben, beispielsweise durch Anhebung der Angriffsschwellen des Bundeskartellamtes im Rahmen des § 35 GWB (Fusionskontrolle).

Die Vorschläge betreffen daneben die Modifizierung des Offenlegungsanspruchs im Rahmen des Kartellschadenersatzes (§§ 33 g Abs. 7, 33 a GWB) sowie die Regelung der Missbrauchsaufsicht. Die Vorschläge der BRAK fanden in der Novelle zumindest teilweise Berücksichtigung. So sollen die Umsatzschwellen bei der Fusionskontrolle von 5 auf 10 Millionen Euro angehoben werden. Bagatellmärkte bis zu einem Volumen von 20 Millionen Euro sollen komplett aus der Fusionskontrolle ausgenommen werden.

Mehr Rechte für die Nutzer

Der Entwurf enthält zur Verbesserung der Nutzerrechte zwei wichtige Punkte:

  • Internet Usern soll künftig das Recht eingeräumt werden, Zugang zu den über ihre Person gesammelten Daten zu enthalten.
  • User sollen die Möglichkeit erhalten, diese Daten auf eine andere Plattform mitzunehmen bzw. zu übertragen, wenn sie die Plattform wechseln möchten (Verbesserung der Datenportabilität).

Verbesserungen auch für Internet-Unternehmen

Bei der Planung von Kooperationen sollen Internetunternehmen mehr Rechtssicherheit erhalten. Dies  bessere Rechtssicherheit soll durch einen Anspruch auf die Bewertung geplanter Kooperationen durch das Bundeskartellamt gewährleistet werden.

Verfügbares Datenvolumen als Kriterium für Marktmacht, Schutz vor Übernahme

Eine weitere wichtige Neuerung betrifft die Bewertung von Marktmacht durch das Bundeskartellamt. Bisher war die Größe des Datenvolumens, über die ein Unternehmen verfügt, kein wesentliches Kriterium für die Bemessung der Marktmacht eines Unternehmens. Dies soll sich in Zukunft ändern. Dem Bundeskartellamt soll künftig die Möglichkeit eingeräumt werden, die marktübergreifende Stellung eines Unternehmens festzustellen. Maßgebliches Kriterium hierfür ist der Zugang der Plattform zu wettbewerbsrelevanten Daten.

Ausweitung der Instrumente des Kartellamtes, mehr Schutz vor Übernahmen

Im Fall der Feststellung einer marktübergreifenden Stellung soll das Bundeskartellamt dem Unternehmen die Nutzung der auf dem beherrschten Markt von der Marktgegenseite gesammelten wettbewerbsrelevanten Daten ebenso wie die Errichtung von Marktzutrittsschranken auf einem anderen Markt untersagen können. Hierdurch sollen insbesondere auch deutsche und europäische kleinere Unternehmen sowie Startups besser vor Übernahmen durch marktbeherrschende Unternehmen geschützt werden.

Mehr Schutz für Whistleblower

Die rechtliche Stellung von Kronzeugen und Whistleblowern soll gestärkt werden. Das Bundeskartellamt ist häufig auf Informationen durch Whistleblower angewiesen, um Missbrauchstatbestände überhaupt zu erkennen. Deshalb soll insbesondere die Wahrung der Anonymität von Whistleblowern verbessert werden.

Interoperabilität soll verbessert werden

Das BMWi plant darüber hinaus, die Harmonisierung des Wettbewerbsrechts in Europa voranzutreiben. Hierzu gehört unter anderem, dass Messenger-Dienste ihre Interoperabilität verbessern. Beispiel: Der User soll Mitglied beispielsweise einer WhatsApp-Gruppe werden können, auch wenn er sonst andere Messengerdienste nutzt und kein WhatsApp-Nutzer ist.

Novelle durchläuft zunächst Phase der Ressortabstimmung

Die Gesetzentwurf geht zunächst an die übrigen Ressorts und soll zwischen den Ministerien abgestimmt werden, bevor er dem Kabinett vorgelegt wird.

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Hintergrund:

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber sieht die die Macht der großen Konzerne wie Facebook oder Google, die Unmengen von persönlichen Daten ihrer Nutzer sammeln, kritisch. Hier forderte der Datenschützer eine stärkere Regulierung durch die Politik, denn auch aus Sicht des Datenschutzes sei ein „Aufbrechen der Monopole“ wünschenswert (→ Ziele des neuen Datenschutzbeauftragten). 

Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht, Kartellrecht