Google darf gesund.bund.de-Information nicht prominent ranken

Fake News sind, besonders bei Krankheitsthemen, von Übel. Bund und Google hielten konzertiert dagegen: Wenn eine Krankheit gegoogelt wird und das neue Nationale Gesundheitsportal (NGP) des Bundesgesundheitsministeriums dazu einen Beitrag hat, soll der an die unerreichbare Stelle „0“ der Google-Ergebnisse treten. Private Gesundheitsportale sahen sich ausgebremst, aber auch das LG München sah einen Wettbewerbsverstoß.

Eigentlich soll man bei Gesundheitsbeschwerden ja nicht im Internet nachschauen, sondern besser gleich zum Arzt gehen. Zu schnell wähnt man sich sonst auf des Teufels Schippe.

Selbstdiagnose per Internet ist ebenso gefährlich wie beliebt

Fehlinformationen sind besonders schwierig, man erinnere sich an Trumps Desinfektionsmittel. Auch das Phänomen, dass die Online-Recherche gesunde Menschen krank macht, hat mittlerweile einen Namen: „Cyberchondrie“. Der Reiz ist dennoch groß und viele Menschen suchen dort als erste Anlaufstelle nach Informationen. Hier wollte das Gesundheitsministerium ordnend eingreiffen.

Flut von teils nicht verifizierten Beiträgen führt zur Unsicherheit in Bevölkerung

Auslöser für den Rechtsfall waren die vielen, teilweise falschen und wissenschaftlich unbelegten Aussagen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Internet kursieren. Das Gesundheitsministerium mit Jens Spahn an der Spitze wollte sicherstellen, dass die Menschen seriöse Veröffentlichungen lesen, wenn es um Themen rund um die Gesundheit geht.


Nationales Gesundheitsportal des Bundes seit September 2020 online

Das BMG unterhält seit 1.9.2020 das Nationale Gesundheitsportal (NGP) unter gesund.bund.de, auf dem zu allen möglichen Krankheiten aufgeklärt wird. Die Informationen stammen aus hochkarätigen Quellen:  z.B. vom Deutschen Krebsforschungszentrum, dem Robert-Koch-Institut oder von medizinischen Fachgesellschaften.

Infobox von gesund.bund.de immer an vorrangiger Stelle bei Google-Ergebnissen

Bund und Google hatten vereinbart, dass sog. Infoboxen des Portals gesund.bund.de immer an prominentester Stelle unter allen Suchergebnissen angezeigt und mit einem Link zur NGP-Webseite verknüpft werden. Dafür hatte Google eine neue Position „0“ geschaffen, die für alle anderen Anbieter unzugänglich war und auch künftig bleiben sollte.

Netdoktor.de fordert per einstweiliger Verfügung das Ende dieser Vereinbarung

Bei Online-Gesundheitsportalen, Zeitungs- und Zeitschriftenverbänden schlug dies durch und diese Kooperation führte zu lautstarken Protesten. Netdoktor.de hat den Worten Taten folgen lassen und gegen Google und Bund vor dem LG München I zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angestrengt. Diesen war Erfolg beschieden.

Keine Sonderposition des Bundes in Bezug auf das Online-Gesundheitsportal

Das LG München I stellte zunächst fest, dass der Betrieb der Internetplattform gesund.bund.de durch das BMG keine rein hoheitliche Tätigkeit, sondern eine wirtschaftliche ist. So gelangte der Bund in das Kreuzfeuer des Wettbewerbs- und Kartellrechts, muss sich an deren Vorgaben messen lassen und an die Regeln halten.

Bund-Google-Kooperation führte zu geringeren Werbeeinnahmen bei netdoktor.de

Netdoktor.de ist ein privates Gesundheitsportal, das auf die Klicks der Internetnutzer angewiesen ist, denn diese wiederum führen zu Werbeeinnahmen, über die sich netdoktor.de finanziert. Hier landen rund 90% der Google-Nutzer auf der Suche nach Gesundheitstipps. Seit der Zusammenarbeit von BMG und Google sind die Klickraten rückläufig. Der Wissensdurst der Suchenden wird offenbar in vielen Fällen schon durch die Infobox des Bundes gestillt.

Bewusst gewollte Wettbewerbsbeschränkung auch zum Gesundheitsschutz nicht erlaubt

Das geht so nicht, entschied das LG München. Die Kooperation bewirkt nicht nur, sondern bezweckt sogar eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung zu Lasten anderer privater, seriöser Anbieter von Gesundheits-Informationen. Der möglicherweise erreichte Vorteil der Verbesserung der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung wiege diese Verdrängungs-Nachteile nicht auf.

(LG München I, Urteile v. 10.2.2021, 37 O 15720/20 + 37 O 15721/20)
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Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht, Kartellrecht