Fernsehbetrag: Abwägung Pressefreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

In einem Fernsehbeitrag des MDR wurde ein Erfurter Gastronom der Mafia-Mitgliedschaft verdächtigt. Wer ihn und sein Lokal kennt, kann ihn in dem Beitrag identifizieren. Für diese Bloßstellung forderte der Restaurant-Betreiber eine Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Bislang erfolglos.

In einer Dokumentation der Sendung „exakt“ berichtete der MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) über das Netzwerk und die Aktivitäten der italienischen Mafia in Deutschland.

Von Journalisten und Polizeibehörden aufgedeckt: Mafiosis unter uns

Titel der halbstündigen Sendung war „Provinz der Bosse – Die Mafia in Mitteldeutschland“.

Die Sendung wurde im November 2015 im MDR ausgestrahlt und kann heute noch auf YouTube angeschaut werden.

Im Fokus des Berichts stand die ’Ndrangheta, die ihren Ursprung in Kalabrien hat und seit Mitte der 1990er Jahre als mächtigste Mafia-Organisation Europas gilt. Wichtigste Einnahmequellen sind der Drogenhandel und die illegale Müllentsorgung.

Deutschland wird offenbar vor allem dazu genutzt, die Millionen von Einnahmen sauber zu waschen, bevorzugt über hochpreisige italienische Restaurants. Nach den Ermittlungen von Polizeibehörden und Journalisten spielt die Stadt Erfurt eine maßgebliche Rolle in den Geldwäsche-Aktivitäten der ’Ndrangheta. In dem TV-Beitrag berichteten die Journalisten u.a. anonymisiert über einen bestimmten Gastronomen, der Mitglied der Mafia sein soll. Das Bildmaterial lässt relativ einfach Rückschlüsse auf das Restaurant und seinen Besitzer zu, wenn man sich in Erfurt auskennt oder für die Sache interessiert.

Verdächtigter Restaurant-Inhaber beklagt Persönlichkeitsrechtsverletzung

Diese Publizität passte dem Gaststätten-Inhaber überhaupt nicht. Er sah sich durch die MDR-Sendung verunglimpft und in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.

  • Deshalb verklagte der Gastronom sowohl den Sender als auch an der Recherche beteiligte Journalisten
  • und verlangte von ihnen die Zahlung einer Geldentschädigung
  • sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten dafür, um Abmahnungen an Leute rauszuschicken, die den Fernsehbeitrag im Internet eingestellt hatten.

Eingriff in Persönlichkeitsrecht zu schwach für finanzielle Entschädigung

  • Das Landgericht Erfurt sprach dem diffamierten Gastronomen einen Teil der Rechtsanwaltskosten zu und wies die Klage ansonsten ab.
  • Ende Februar hatte das OLG Jena über die Berufung beider Seiten zu urteilen und wies die Ansprüche des Restaurantbesitzers komplett zurück.

Zwar sahen die Richter sein Persönlichkeitsrecht als verletzt an, weil er anhand der Art und Weise der Berichterstattung identifizierbar sei. Der Eingriff sei aber nicht stark genug, um eine Geldentschädigung zur rechtfertigen.

Verdachtsberichtserstattung

Denn immerhin habe der Sender die Vorwürfe der Mafiazugehörigkeit durchgängig als Verdacht, nicht als Tatsache dargestellt. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse seien der MDR bzw. die recherchierenden Journalisten hierzu auch berechtigt gewesen.

Abmahnkosten dem Fernsehsender zurechenbar?

Die Kostenerstattung für seinen Rechtsanwalt im Zusammenhang mit den Abmahnungen fand das OLG Jena für zu weit hergeholt, um sie dem MDR aufzuerlegen.

Das Hochladen des Beitrags im Internet durch Dritte könne dem Sender nicht zurechnet werden.

Daher ging der Gastronom am Ende der zweiten Instanz mit völlig leeren Händen aus. Bisher hat der BGH noch nie zu Schadenersatz in Form von Abmahnkosten wie in vom Kläger geforderten Fall zu entscheiden. Das OLG hat mit der Zulassung der Revision die Schranke zu wegweisender BGH-Rechtsprechung geöffnet.

(OLG Jena, Urteil v. 21.2.2018, 7 U 471/17).



Hintergrund: Verdachtsberichterstattung

Der BGH hat in einer Reihe von höchstrichterlichen Urteilen zur Pressefreiheit, im Falle einer Verdachtsberichterstattung der Pressefreiheit den klaren Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen eingeräumt hat.

So hat der BGH der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ in einem Fall Recht gegeben, in dem diese über die Entlassung eines Vorstandsmitgliedes einer Bank wegen der vermuteten Weitergabe vertraulicher Unterlagen an Journalisten berichtet hatte. Der Spiegel berichtete über den Verdacht, das Büro des Vorstandsmitgliedes sei verwanzt und abgehört worden. Die Verdachtsmomente bestätigten sich später nicht. Dennoch sah der BGH keine Veranlassung, das Presseorgan zur Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung zu verpflichten. Allerdings gewährte der BGH der Betroffenen einen Anspruch, auf Veröffentlichung eines Nachtrags, dass der Verdacht sich nicht bestätigt habe (BGH, Urteil v. 18.11.2014, VI ZR 76/14).