BVerwG wendet sich gegen Videoüberwachungsrechte für Private

Mit dem Videoüberwachungsverbesserungsgesetz wurde vor zwei Jahren der Einsatz privat betriebener Videokameras an öffentlich zugänglichen Orten erlaubt. Erklärtes Ziel war es, durch die erweiterte Überwachung für mehr Sicherheit zu sorgen. Das BVerwG erklärte die Neuerung in § 4 Abs. 1 BDSG für unanwendbar. Sie verstößt gegen DSGVO und EU-Recht. Das bestätigt Datenschutzbeauftragte in ihrem damaligen Widerstand.

Mit der rechtlich großzügigeren Regelung der Videoüberwachung durch Unternehmen und  Vereine im öffentlichen Raum wollte der Gesetzgeber auf terroristische Attacken und Amokläufe reagieren. Er versprach sich von den Maßnahmen besseren Schutz vor Kriminalität durch eine höhere Abschreckung und Aufklärung.

Überwachungserlaubnis nach BDSG für Parkhäuser, Einkaufszentren etc.

Mit der Regelung in § 4 Abs. 1 BDSG sollen dazu auch private Betreiber von z.B. Parkplätzen, Einkaufszentren oder Sportstätten in die Lage versetzt werden, durch eine Videoüberwachung dieser Orte für mehr Sicherheit zu sorgen.

In einem Rechtsstreit um eine solche Videoüberwachung entschied nun aber das Bundesverwaltungsgericht, dass

  • diese Regelung zur Privilegierung privater Videoüberwachung
  • gegen das EU-Datenschutzrecht verstoße
  • und daher nicht anwendbar sei.

DSGVO regelt Videoüberwachung abschließend

Nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter regelt die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Art. 6 die Videoüberwachung durch Private abschließend, sodass nationale Bestimmungen, wie hierzulande die erwähnte Regelung in § 4 Abs. 1 BDSG, nicht anzuwenden seien.

  • Privatpersonen, auch wenn sie Geschäfte betreiben,  könnten sich nicht selbst zum Sachverwalter des öffentlichen Interesses erklären, führte das BVerwG in seiner Urteilsbegründung aus.
  • Insbesondere seien sie nicht neben oder anstelle von Ordnungsbehörden zum Schutz der öffentlichen Ordnung berufen.

Datenschutzbehörden sehen durch das BVerwG ihre Bedenken bestätigt

Gegen die Einführung erweiterter Videoüberwachungsmöglichkeiten hatten Datenschutzbehörden schon im Gesetzgebungsverfahrens Bedenken angemeldet (→ Streit um Ausweitung der Videoüberwachung in Berlin )und auf den Vorrang des EU-Rechts hingewiesen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kommentierte etwa der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar die Entscheidung in einer Pressemitteilung, der sich durch die Entscheidung in seiner Auffassung bestätigt sieht:

„Die Aufgabe der Videoüberwachung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit kann nicht auf private Betreiber übertragen werden, sondern bleibt eine Aufgabe der zur Ausübung öffentlicher Gewalt befugten staatlichen Behörden.

Auch in Zukunft können nach Maßgabe der Europäischen Datenschutzgrundverordnung private Betreiber die Schutzinteressen von dritten Personen bei der Datenverarbeitung berücksichtigen – allerdings nicht im Rahmen einer nationalen Vorrang- und Verstärkerklausel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit durch private Videoüberwachungsanlagen.“

Gegen die Möglichkeiten zur erweiterten Videoüberwachung durch Private gibt es zudem noch eine Verfassungsbeschwerde, die von Mitgliedern der Piratenpartei eingereicht wurde.


Der Fall

In dem Fall, der jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt worden war, ging es um eine Anordnung der Beauftragten für den Datenschutz in Brandenburg zur rechtskonformen Aufstellung eines Videoüberwachungssystems im Empfangsbereich einer Zahnarztpraxis.

Die Datenschutzbehörde wollte erreichen, dass die Kamera so ausgerichtet werden sollte, dass der öffentlich zugängliche Teil der Praxis nicht erfasst werden konnte. Gegen diese Vorgaben hatte sich die Zahnärztin mit einer Klage zur Wehr gesetzt, die nun abgewiesen wurde.

(BVerwG, Urteil v. 27.03.2019, 6 C 2.18). 


Hintergrund:

Damalige Datenschutzbeauftragten-Kritik im Gesetzgebungsverfahren

Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk, hatte in einer Stellungnahme für den Innenausschuss heftige Kritik an diesem Vorhaben übte.

  • Die Gesetzesänderung erlaube eine zumindest in der Theorie unverhältnismäßige Überwachung, der sich die Bürger kaum noch entziehen könnten
  • So flächendeckend Videoüberwachung stelle einen tiefen Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht dar.
  • Generell zweifelt die Datenschutzbeauftragte auch an, dass die Videoüberwachung eine geeignete Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung darstellen kann.
  • Dabei verwies sie etwa auf das Beispiel London, wo diese Maßnahme lediglich zu einer Verlagerung der Kriminalität geführt habe.

Als bessere Maßnahmen stuft sie die Erhöhung der Polizeipräsenz
oder eine bessere Beleuchtung von Plätzen und Straßen
ein.

Bei der Experten-Anhörung im Bundestag warnte etwa der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar davor, dass hiermit der Weg zu einer Totalüberwachung des öffentlichen Raums geebnet werde, ohne dass die gewünschten Abschreckungseffekte, insbesondere im Hinblick auf die Gefahren durch Terrorismus, erreicht würden.

Schlagworte zum Thema:  Videoüberwachung, Datenschutz