Bundesregierung gegen Deutsche Umwelthilfe: noch gemeinnützig?

Die Deutsche Umwelthilfe hat mit erfolgreichen Fahrverbotsklagen der Bundesregierung Probleme bereitet. Nun kommt Gegenwind: Auf Unions-Initiative will das Bundesfinanzministerium die Gemeinnützigkeit der DUH überprüfen und hat bei der zuständigen Finanzbehörde hierzu einen Bericht angefordert. Aberkennung der Gemeinnützigkeit würde den DUH durch Streichung öffentlicher Zuschüsse schwächen. Juristen sind irritiert.

Die Erfolge der DUH sind besonders in juristischer Hinsicht nicht wegzudiskutieren und sie schaden den Zielen und auch dem Image der Bundesregierung enorm.

Bundesregierung will Fahrverbote für Diesel-PKW vermeiden

Insbesondere die erklärte Absicht der Bundesregierung, Fahrverbote für Diesel-PKW zu vermeiden, wird durch die von der DUH erzielten verwaltungsgerichtlichen Urteile zum partiellen Fahrverbot von Dieselfahrzeugen in deutschen Großstädten konterkariert (VG Wiesbaden, Urteil v. 5.9.2018, 4 K 1613/15.WI; VG Berlin, Urteil v.9.10.2018, 10 K 207.16; VG Stuttgart, Urteil v. 28.7.2017, 13 K 5412/15; VG Düsseldorf, Urteil v. 13.9.2016, 3 K 7695/15; VG Gelsenkirchen, Urteile v. 15.11.2018, 8 K 5068/15 und 8 K 5254/15).

VG Wiesbaden macht mit Fahrverboten für Dieselfahrzeuge Ernst

Dieselfahrverbot vor dem BVerwG

CDU-Parteitagsbeschlüsse zur Schwächung der Deutschen Umwelthilfe

Die Erfolge der DUH sind besonders der Regierungspartei CDU ein Dorn im Auge. Daher hat die Partei auf ihrem Bundesparteitag Ende letzten Jahres in Hamburg beschlossen, der DUH in die Parade zu fahren.

  • Laut CDU-Beschluss soll die Förderung der DUH aus Mitteln des Bundeshaushalts möglichst komplett eingestellt werden.
  • Der Beschluss sieht u.a. vor, dass

„bereits etatisierte Mittel, die noch nicht verbindlich zugesagt wurden, mit einem Sperrvermerk versehen werden und in künftigen Haushalten keine Mittel mehr für die DUH etatisiert werden“.


  • Zudem soll geprüft werden, ob die DUH noch die Kriterien für die vom Finanzamt Singen zuerkannte Gemeinnützigkeit erfüllt.

Was macht die Deutsche Umwelthilfe?

Die DUH prüft laut Vereinssatzung

  • die Einhaltung der Vorgaben zum ökologischen Verbraucherschutz, also beispielsweise die Angaben von Herstellern und Händlern auf Verpackungen oder zum Energieverbrauch bei Haushaltsgeräten.
  • Vor diesem Hintergrund hat der Verein u.a. eine rege Abmahntätigkeit entfaltet.
  • Sind von der DUH überprüfte Angaben von Händlern falsch, erhalten diese eine Abmahnung durch den Verein, die mit einer Gebühr von in der Regel 200 Euro verbunden ist.
  • Im Wiederholungsfall sind Konventionalstrafen von oft mehreren Tausend Euro zu zahlen.

Wie finanziert sich die Deutsche Umwelthilfe?

Der 1975 gegründete Verein hat rund 100 Mitarbeiter. Er unterhält Geschäftsstellen in Radolfzell am Bodensee, Berlin und Hannover.

  • Der Jahresetat beträgt ca. 8 Millionen Euro. 
  • Die Gelder kommen zum Teil von Bundes- und Landesministerien, von nationalen und internationalen Stiftungen.
  • Daneben erhält der Verein Projektzuschüsse von der EU-Kommission.
  • Ca. 2,5 Million Euro hat der Verein im vergangenen Jahr durch Bußgelder und Konventionalstrafen eingenommen.
  • Daneben finanziert sich der Verein über Spenden. Zu den Spendern gehörten bisher unter anderem der Autohersteller Toyota sowie der Getränkeproduzent Krombacher. 
  • DUH führt darüber hinaus seit vielen Jahren Sammelaktionen durch Jugendgruppen für lokale Umweltprojekte durch.

Regierung kritisiert Finanzgebaren der DUH mit drastischen Äußerungen

Die Spendensammlungen des Vereins waren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Bemerkung wert, die DUH setze offensichtlich „Kinder als Drückerkolonnen“ für das Einsammeln von Spenden ein. Die DUH will Äußerungen des Ministers vor den Presserat bringen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion Joachim Pfeiffer nannte die Organisation wegen ihrer Abmahntätigkeit einen „semikriminellen Abmahnverein“.

Gesetzgeber will Fahrverbote durch Änderung im BImSchG vermeiden

Die Bundesregierung hat als Konsequenz auf die Überschreitung der CO² Grenzwerte, Kritik aus der EU-Kommission und zur Abwendung der drohenden Fahrverbote das „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ aufgelegt. Eine der darin geplanten Maßnahmen betrifft eine Lockerung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Verhältnismäßigkeit ist das Stichwort, mit dem angeordnete bzw. drohende Dieselfahrverbote in vielen deutschen Städten verhindert werden sollen.

Kabinett beschließt Änderung des Immissionsschutzgesetzes, um Fahrverbote zu verhindern

  • Mit der Ergänzung des § 40 Abs. 1a BImSchG sollen Fahrverbote dann unverhältnismäßig sein, wenn der europarechtlich vorgegebene Grenzwert von 40 µg Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft (Art. 23 Abs. 1 UA2 Richtlinie 2008/50/EG) nur geringfügig bis zu 50 µg überschritten wird.
  • Das Konzept soll nach Angaben der Bundesregierung der Umsetzung der Grundsatzentscheidungen des BVerwG zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Einführung von Fahrverboten (BVerwG Urteile v. 27.2.2018, 7 C 26.16 und 7 C 30.17).

Verhältnismäßigkeit der Fahrverbote

Bereits das BVerwG hat in seinen grundlegenden Entscheidungen zur Verhängung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines solchen Fahrverbots den Gerichten als grundlegende Verpflichtung auferlegt, z.B. durch die sukzessive Einführung von Fahrverboten, zunächst nur für ältere Diesel, und einer zeitlich gestaffelten Ausdehnung auf neuere Fahrzeuge (BVerwG, Urteile v. 27.2.2018, 7 C 26.16 u. 7 C 30.17).

Exakt diese Verhältnismäßigkeitsprüfung haben die Verwaltungsgerichte, die zwischenzeitlich über die Einführung eines diese Fahrverbots entschieden haben, ihren Urteilen zu Grunde gelegt und hierzu ausführliche Erwägungen angestellt. Es ist daher fraglich, ob der Weg über das Bundesimmissionsschutzgesetz nachhaltig den Ausweg aus der Fahrverbotsmisere weist.

Gemeinnützigkeit als Hebel für eine DUH-Disziplinierung?

In dieser verfahrenen Situation stellt sich auch der Bundesfinanzminister  die Frage, ob ein solcher Verein gemeinnützig sein kann. Auf eine Anfrage der Grünen hat das Bundesfinanzministerium bestätigt, dass die Bundesregierung beim zuständigen Finanzamt in Singen einen Bericht zur Frage der Gemeinnützigkeit der DUH angefordert hat. Das Problem ist allerdings, dass die Bundesregierung nach allgemeiner Rechtsauffassung keinerlei Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit der DUH besitzt. Die Bundeskanzlerin hat eingeräumt, dass

  • die örtlichen Finanzbehörden über die Gemeinnützigkeit in eigener Zuständigkeit entscheiden,
  • dies entbinde die Regierung aber nicht davon, sich Einzelfälle näher anzusehen,
  • besonders wenn ein Verein die Interessen seiner Mitglieder ohne Rücksicht auf einen möglichen wirtschaftlichen Gesamtschaden durchsetze.

Erst im September 2018 hatte das Finanzamt Singen die Gemeinnützigkeit der DUH für weitere fünf Jahre bestätigt.

DUH-Spender ziehen sich zurück, Streichung von Fördermitteln wäre rechtswidrig

Die Aktivitäten der Bundesregierung zeigen bereits Teilerfolge und haben dazu geführt, dass Toyota und auch Krombacher als Spender der DUH abgesprungen sind.

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag Sven-Christian Kindler erklärte, es sei bemerkenswert, dass die Bundesregierung gegen eine Umweltorganisation vorgeht, die sich gegen Rechtsbrüche wendet, während die Automobilindustrie ungeschoren davon kommen soll.

Bundesumweltministerin  Svenja Schulze hat die Pläne der CDU zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit denn auch bereits abgelehnt. Auch die Streichung von Fördermitteln wegen der von der DUH angestrengten rechtmäßigen Klagen sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

Rechtsexperten sind irritiert über die Schachzüge der Politik und warnen vor einer „Lex Umwelthilfe“

Die von CDU und CSU ins Spiel gebrachte Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe stößt bei Entsprechend spezialisierten Juristen auf deutliche Unverständnis. So erklärte gegenüber der "Rheinischen Post" Prof.  Rainer Hüttemann, renommierter Autor zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht:

  • Ob eine Organisation wie die Umwelthilfe gemeinnützig sei, hänge nicht von politischen Einschätzungen,
  • sondern allein davon ab, ob die Organisation die in der Abgabenordnung bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen erfülle.
  • Es sei unerheblich, in welcher Höhe eine Organisation Spenden erhalte, oder in welchem Umfang sie sich durch wirtschaftliche Tätigkeiten zusätzliche Mittel für ihre satzungsgemäßen Zwecke beschafft.

Diese Rechtsauffassung bestätigte auch der Jura-Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, Joachim Wieland

Auch der Vorsitzende der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, warnte die Politik im "Handelsblatt": die Prüfung der Gemeinnützigkeit sei ausschließlich Sache des zuständigen Finanzamtes, das „dem Recht und keiner Partei verpflichtet“ ist. 

Vermeidung von Fahrverboten mit allen Mitteln

Oberstes Ziel der Bundesregierung im Abgasstreit ist offensichtlich nach wie vor die Vermeidung von Diesel-Fahrverboten. Damit dürfte sie in weiten Teilen der Bevölkerung in Anbetracht der damit verbundene Mobiltätsprobleme durchaus auf Zustimmung stoßen. Zur Erreichung dieses Ziels und zur Disziplinierung eines ungeliebten Vereins sollte dem Kabinett allerdings nicht jedes Mittel recht sein, insbesondere dann nicht, wenn die gewählten Maßnahmen in eine rechtliche Grauzone führen.

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Hintergrund:

Anspruch der Anwohner auf saubere Luft

Der Anspruch der Bürger aus nationalem Recht ergibt sich

  • unmittelbar aus § 47 Abs. 1 S. 1 und 3 BImSchG ab,
  • wonach die für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen zuständige Planbehörde (Regierungspräsidium Stuttgart) einen Luftreinhalteplan aufzustellen oder fortzuschreiben hat,
  • wenn die nach europäischen und bundesrechtlichen Vorschriften einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe nicht eingehalten werden. 
Schlagworte zum Thema:  Fahrerlaubnis, Umweltschutz, Gemeinnützigkeit