Behörde soll Unternehmensname bei Bußgeldverfahren nicht nennen

Behörden dürfen bei Bußgeldverfahren den Namen des betroffenen Unternehmens nicht ohne eine Ermächtigungsnorm nennen, da es sich um einen Grundrechtseingriff handelt. Die Bundesnetzagentur hatte in einer Pressemitteilung zu einem Bußgeldverfahren ein Call Center genannt. Das dagegen vorgehende Unternehmen bekam vor dem OVG Münster Recht. Der Beschluss könnte für viele Bereiche relevant sein.

Gehen staatliche Stellen gegen Unternehmen vor und sanktionieren diese beispielsweise durch Bußgelder, unterrichten sie oftmals auch die Öffentlichkeit über diese Vorgänge, etwa durch Pressemitteilungen und veröffentlichen entsprechende Informationen in jüngster Zeit immer öfter auch über Soziale Medien bzw. auf ihren Internetportalen.

Call Center wehrt sich erfolgreich gegen die Veröffentlichung eines Bußgeldverfahren

Auch bei der Bundesnetzagentur, die als oberste Regulierungsbehörde etwa für Strom- und Gasversorgungsnetze und insbesondere den Bereich Telekommunikation zuständig ist, war diese Praxis bislang üblich. Allerdings hat sich jetzt ein betroffenes Unternehmen erfolgreich gegen die Veröffentlichung seines Namens in einem Bußgeldverfahren gewehrt.

Anlass der Auseinandersetzung war, dass die Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung nach einem Verfahren gegen das Call Center und einem letztlich verhängten Bußgeld auch den Namen des Unternehmens nannte, wodurch sich das Unternehmen benachteiligt sah.

In der zweiten Instanz vor dem OVG Münster bekam das Unternehmen Recht, nachdem es zunächst nicht erfolgreich gewesen war. 

Nennung des Unternehmensnamens ohne Ermächtigungsnorm: Grundrechtsverstoß

Die Richter sahen in der Nennung des Unternehmensnamens einen Grundrechtsverstoß und räumen dem Unternehmen daher einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ein.

  • Die Namensnennung durch die Behörde könne zu schweren negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation des Call-Center-Betreibers führen,
  • indem die Veröffentlichung Entscheidungen aktueller und potentieller Kunden beeinflusse.
  • Dies stelle einen weitreichenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar,
  • für den die notwendige Ermächtigungsgrundlage nicht vorliege.

Daher könne der betroffene Call-Center-Betreiber eine Unterlassung verlangen. Das aus dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung trat hier hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück, weil der Schutz von Unternehmens hier von der sachlich spezielleren Grundrechtsnorm vollständig erfasst wird.

Informationen der Behörden müssen neutral sein

Zwar bestätigten die Münsteraner Richter die Berechtigung öffentlicher Stellen, auch ohne besondere Ermächtigung über ihre Aktivitäten im Rahmen einer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu berichten, die hier übermittelten Informationen müssten jedoch sachlich-neutral sein, was in diesem Fall durch die explizite Namensnennung nicht der Fall gewesen sei.

Namensnennung nicht durch das Telekommunikationsgesetz gedeckt

In der Entscheidungsbegründung geht das OVG explizit auch auf die im Telekommunikationsgesetz (TKG) enthaltene Ermächtigung von Behörden zur Veröffentlichung von Informationen im Internet ein. Nach § 45n Abs. 8 S. 1 ist für Behörden die Veröffentlichung von Informationen im Internet oder in Amtsblättern dann zulässig, wenn diese Informationen für Endnutzer von Bedeutung sein können.

Anders als die Vorinstanz sieht das OVG die Bekanntmachung von bußgeldbewehrten Rechtsverstößen bei gleichzeitiger Namensnennung durch diese Regelung jedoch nicht abgedeckt. Hier hätte der Gesetzgeber eine ausdrückliche Klarstellung geben müssen, wenn er so eine weitreichende Informationsweitergabe beabsichtigt hätte.

Nennung der Namen kein Mittel zur Verhaltensänderung

Ebenso sehen die Richter am OVG in der Generalklausel im § 67 des TKG keine Grundlage für eine solche Namensnennung. Auf diese Klausel hatte sich in dem Verfahren die Bundesnetzagentur berufen und argumentiert, dass durch die Information der Öffentlichkeit unter Nennung des Namens des Call-Center-Betreibers dieser veranlasst werden könne, sein Verhalten zukünftig zu ändern.

Diese Auffassung teilte das OVG jedoch nicht. Solle eine Verhaltensänderung erreicht werden, sei nicht die Information über das Bußgeld mitsamt Namensnennung das Mittel der Wahl, sondern es seien durch die Behörde entsprechende Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Generell seien Bußgelder auf ein Verhalten in der Vergangenheit gerichtet, nicht auf zukünftige Handlungen.

§ 67 Abs. 1 Satz 1 TKG setzt eine konkrete Gefahr der Verletzung gesetzlicher Vorschriften oder der von der Bundesnetzagentur erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern voraus. Hierbei hat die Bundesnetzagentur eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob hinreichende Verdachtsmomente für eine drohende Verletzung bestehen. 

Mögliche Auswirkungen auf Bußgeldverfahren bei Datenschutzverstößen

Nach Ansicht von Rechtsexperten dürfte dieser Beschluss dazu führen, dass sich Betroffene künftig auch gegen Pressemitteilungen zu Bußgeldverfahren anderer Behörden wehren werden. Insbesondere die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommene Berichterstattung über Datenschutzverstöße dürfte davon betroffen sein.

  • So war es bei vielen Datenschutzbehörden bislang üblich, Unternehmen zu benennen, gegen die wegen Datenschutzverstößen Bußgelder verhängt worden waren.
  • In einigen Fällen erfolgten diese Informationen sogar schon zu Zeitpunkten, in denen die Bußgeldbescheide noch gar nicht rechtskräftig waren.

Dies Praxis könnte sich möglicherweise nun ändern.

( OVG Münster, Beschluss v. 17.05.2021, 13 B 331/21).

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