Google-Fonts: Ermittlungen wegen Abmahnbetrug

Das LG München hat in einem Urteil vom 20.1.2022 festgestellt, dass die dynamische Verwendung des Google-Dienstes “Google Fonts“ ohne vorherige Einwilligung einen Datenschutzverstoß darstellt. Privatpersonen und Abmahnanwälte nahmen und nehmen das zum Anlass, Abmahnungen an Unternehmen zu versenden, die Google-Fonts-Schriften auf ihrer Homepage einsetzen. Die Abmahnungen können allerdings selbst strafbar sein: Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen einen Abmahnanwalt wegen Abmahnbetrugs und Erpressung.

Google Fonts: Kostenlose Schriften für Internetseiten

Unter der Bezeichnung „Google Fonts“ bietet Google seit 2010 mehr als 1.000 Schriftarten an, die Webseitenbetreiber auf ihren Internetseiten einbinden können. Da die Schriften kostenfrei sind und für die Nutzung keine Lizenzgebühren anfallen, sind sie zu einer Standardlösung für die Schriftgestaltung auf Internetseiten geworden. Die Einbindung der Schriften kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: Entweder werden die Schriften auf dem eigenen Webserver lokal gespeichert und von dort lokal eingesetzt. Oder sie verbleiben auf den Servern von Google und werden beim Aufruf der Internetseite von einen Google-Server nachgeladen.

Beim Nachladen werden die IP-Adressen der Nutzer an Google übertragen

Sind die Google-Schriften dynamisch eingebunden, werden beim Aufruf der Internetseiten automatisch auch die IP-Adressen der Geräte an Google übertragen, auf denen die Seiten gerade geöffnet werden. Da es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handelt, ist dies datenschutzrechtlich problematisch, wenn dafür nicht von jedem Besucher eine Einwilligung vorliegt.

Nutzung von Google-Fonts: Webseitenbetreiber zu Unterlassung und Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt

In seinem Urteil gab das LG München (Urteil v. 20.1.2022, 3 O 17493/20) einem Kläger vollumfänglich Recht, der einen Webseitenbetreiber auf Unterlassung und Schmerzensgeld wegen der unerlaubten Weitergabe seiner IP-Adresse an Google über die dynamische Einbindung von Google Fonts verklagt hatte. Das Gericht sprach dem Kläger einen immateriellen Schadenersatz in Höhe von 100 EUR zu. Dabei wurde ausdrücklich festgestellt, dass die Übertragung der IP-Adresse die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums darstellt, die nicht durch ein berechtigtes Interesse des Webseitenbetreibers gedeckt ist.

Gerichtsurteil bildet Grundlage für Abmahnwelle bezüglich Google-Fonts

Mit einiger Verzögerung machen sich nun Privatpersonen und Abmahnanwälte das Münchener Urteil zunutze. Sie suchen im Internet gezielt nach Internetseiten, die dynamische Google-Fonts-Schriften verwenden. Werden sie fündig, teilen sie den Webseitenbetreibern mit, dass diese die Weitergabe ihrer IP-Adresse an Google unterlassen sollen und fordern einen Schadenersatz in Höhe 100 EUR zuzüglich etwaiger Anwaltsgebühren. Von der Abmahnwelle betroffen sind vor allem Handwerksbetriebe und kleinere Unternehmen, die keine eigene Rechtsabteilung haben.

Google Fonts: Abmahnungen lassen sich durch lokales Speichern verhindern

Unternehmen und Privatpersonen, die auf ihren Internetseiten Google Fonts einsetzen, sollten umgehend dafür sorgen, dass die Schriften auf dem lokalen Webserver gespeichert und von dort geladen werden. Ist dies der Fall, ist der Einsatz von Google Fonts datenschutzrechtlich einwandfrei und nicht zu beanstanden. Sollte die dynamische Einbindung der Schriften technisch notwendig sein, muss ein zusätzliches „Consent-Tool“ eingesetzt werden, mit dem die Einwilligung der Seitenbesucher vor dem Aufbau der Seite eingeholt wird.

Abmahnung wegen Google Fonts: Nur nach anwaltlicher Prüfung zahlen

Werden die Google-Schriften dynamisch eingesetzt und ist die Abmahnung bereits erfolgt, sollte auf jeden Fall anwaltlicher Rat eingeholt und die Schadenersatzforderung nicht sofort gezahlt werden. Die Behauptung der Verletzung von Datenschutzrecht muss nachgewiesen werden, genauso wie der immaterielle Schaden, der dadurch entstanden ist. Lässt sich nachweisen, dass Privatpersonen oder Abmahnanwälte systematisch nach Webseiten mit dynamischen Google-Schriften gesucht haben, um sich zu bereichern, haben sie sich dadurch unter Umständen strafbar gemacht.

Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen Abmahnbetrugs und Erpressung

Am 21.12.2022 hat die Staatsanwaltschaft Berlin im Ermittlungsverfahren gegen einen bekannten Berliner Abmahnanwalt mehrere Durchsuchungsbeschlüsse und zwei Arrestbeschlüsse vollstreckt. Gegen den Anwalt und dessen Mandanten wird wegen des Verdachts des Abmahnbetrugs und der Erpressung in 2.418 Fällen ermittelt. Die Durchsuchungen dienten der Beweissicherung. Die Beschuldigten hatten mindestens 2.418 Personen und Gewerbetreibende, die auf ihren Homepages Google Fonts einsetzen, per Anwaltsschreiben abgemahnt und gegen eine Zahlung von 170 EUR die Unterlassung einer Zivilklage angeboten. Mehr als 2.000 Personen haben das Vergleichsangebot angenommen und gezahlt. Die Gesamtsumme beläuft sich nach Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten auf 346.000 EUR.

Abmahnungen erfolgten anlasslos und dienten allein finanziellen Interessen

Nach Auffassung der Staatsanwalt war den Beschuldigten bewusst, dass kein Anlass für einen Vergleich bestand. Die Klageandrohung im Abmahnschreiben erfolgte nur mit dem Ziel, den Vergleich und die damit verbundene Zahlung von 170 EUR herbeizuführen. Die Beschuldigten haben zudem eigens eine Software programmiert, um Webseiten mit Google Fonts zu identifizieren und automatisiert zu besuchen. Sie haben die Webseitenbetreiber dadurch gezielt getäuscht und vorgegeben, dass eine Person die jeweiligen Webseiten besucht hat. Mangels Person habe aber gar keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorgelegen.

Weitere Ermittlungsdetails finden Sie in der Pressemeldung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin