Persönliche steuerliche Haftungsrisiken des GmbH-Geschäftsführers

Die Gründung einer GmbH oder einer haftungsbeschränkten UG bietet keine Gewähr für die Befreiung von persönlichen Haftungsrisiken. Häufig übersehen wird die Gefahr einer persönlichen Haftung des  Geschäftsführers gegenüber dem Finanzamt.

Die Gründung einer in der Haftung beschränkten Gesellschaft ist durch Einführung der haftungsbeschränkten UG mit einer nur geringen Stammeinlage in den letzten Jahren deutlich vereinfacht worden.

Begrenzte Haftungsbegrenzung

Die geringeren Voraussetzungen für eine Gründung haben zu einer erheblichen Zunahme der Gesellschaftsgründungen geführt.

Nicht wenige Geschäftsführer reiben sich verwundert die Augen, wenn plötzlich das Finanzamt Steuerschulden der Gesellschaft vom Geschäftsführer persönlich eintreiben will. Persönliche Haftung hatten manche so nicht auf dem Schirm.

Persönliche Haftungsrisiko gegenüber Finanzamt wird häufig verkannt

Die Rechtsgrundlage für die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers findet sich in der AO.

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  • wenn er durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten dazu beigetragen hat,
  • dass das Finanzamt Steuern nicht rechtzeitig festgesetzt hat,
  • Steuerschulden nicht rechtzeitig beglichen werden oder
  • sich nicht eintreiben lassen.
  • Auch für steuerliche Nebenleistungen wie Säumniszuschläge kann der Geschäftsführer gemäß § 69 AO in diesem Fall persönlich in Haftung genommen werden. 

Anzeigepflichten des Geschäftsführers

Schon bei Gründung der GmbH trifft den Geschäftsführer die Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Finanzamt über die Gründung und die Eintragung der GmbH oder der UG informiert wird und die Aufnahme der Tätigkeit der Gesellschaft dem Finanzamt anzuzeigen.

Die Steuererklärungen der Gesellschaft hat der Geschäftsführer immer persönlich zu unterzeichnen. Mit der Unterzeichnung übernimmt er die persönliche Haftung dafür, dass die steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft gemäß § 43 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfüllt werden (BFH, Urteil v. 26.1.206, VII R 3/15).

Das Thema Lohnsteuer ist besonders heikel

Besondere Vorsicht des Geschäftsführers ist bei der Lohnsteuer geboten. Die Pflicht zur Entrichtung der Lohnsteuer ist grundsätzlich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers. Die Einbehaltung der anteiligen Lohnsteuer durch das Unternehmen dient lediglich der Ablaufvereinfachung.

  • Die einbehaltene Lohnsteuer ist daher aus Sicht des Unternehmens Fremdgeld, das vom Unternehmen lediglich treuhänderisch verwaltet wird.
  • Die Nichtabführung der Lohnsteuer wird in der Folge regelmäßig als grob fahrlässiger, wenn nicht vorsätzlicher Verstoß gegen die steuerliche Abführungspflicht gewertet (BFH, Urteil v. 11.11.2008, VII R 19/08).
  • Eine Pflichtverletzung kann gemäß § 370 AO auch zu äußerst unangenehmen strafrechtlichen Konsequenzen (Freiheitsstrafe bis fünf Jahre, in besonders schweren Fällen bis zehn Jahre) führen.

Wichtig: Sollte keine ausreichende Liquidität im Unternehmen vorhanden sein, um die Lohnsteuer abzuführen, so darf der Geschäftsführer den Arbeitnehmern nur in dem Maße Lohn auszahlen, welches es ihm ermöglicht, auch den anteiligen Lohnsteuerbetrag an das Finanzamt abzuführen.

Besondere Regeln für die Umsatzsteuer

Nicht ganz so gravierend, aber ebenfalls gefährlich, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer. Hier ist besonders der Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten, d.h. der Geschäftsführer muss bei finanziellen Engpässen penibel darauf achten, dass die Umsatzsteuer immer mindestens in dem Maße abgeführt wird, in dem andere Gläubiger im gleichen Zeitraum befriedigt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Geschäftsführer in diesem Fall eine Quote ermitteln muss, nach der er sämtliche Gläubiger einschließlich des Finanzamtes im gleichen Umfange bedient

Wichtig: Von diesen Verpflichtungen kann der Geschäftsführer sich nicht dadurch befreien, dass er diese Tätigkeiten einem Steuerberater oder fachlich kompetenten Mitarbeitern überlässt.

Im Falle der Einschaltung eines Steuerberaters für die Erstellung der Steuererklärungen oder für die laufende Lohnbuchhaltung ist der Geschäftsführer verpflichtet, die Tätigkeit der Steuerberaters ständig zu überwachen und alles dafür zu tun, Unregelmäßigkeiten frühzeitig zu erkennen.

 

Effektive Compliance-Struktur kann vor Haftung schützen

Die Finanzverwaltung geht in der Praxis regelmäßig davon aus, dass eine grob fahrlässige Verletzung der Verpflichtung zur steuerlichen Kontrolle nicht vorliegt, wenn in dem Unternehmen eine gut strukturierte Compliance-Abteilung die Einhaltung der steuerlichen Verpflichtungen überwacht. Kommt es dennoch zu steuerlichen Fehlern, so dürfte der Geschäftsführer in diesem Fall faktisch vor Haftungsansprüchen geschützt sein.

Besondere Regeln für den Fall der Unternehmenskrise

Besondere Anforderungen gelten für das Verhalten des Geschäftsführers, wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise gerät oder sogar von einer Insolvenz bedroht ist. Auch in diesem Fall kann die Implementierung einer Compliance-Struktur, die ein effektives Frühwarnsystem für eine drohende Insolvenz einschließt, helfen, ein Verschulden des Geschäftsführers auszuschließen.

  • Sobald feststeht, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft droht, ist der Geschäftsführer verpflichtet, die Ausgaben der Gesellschaft auf ein absolutes Minimum reduzieren.
  • In keinem Fall darf er in dieser Situation das Finanzamt schlechter behandeln als andere Gläubiger.
  • In diesem Zusammenhang ist es von immenser Bedeutung, dass der Geschäftsführer rechtzeitig nach Gründung der Gesellschaft die ausstehenden Stammeinlagen der Gesellschafter eingefordert hat. Hat er dies versäumt, so haftet er im Insolvenzfall immer gegenüber dem Insolvenzverwalter hinsichtlich der nicht eingeforderten Einlagen (BFH, Urteil v.5.6.2007, VII R 65/05).

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Hintergrund

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Geschäftsführer sich nur durch eine gut organisierte Compliance-Struktur mit einem effektiven steuerlichen Kontrollsystem vor persönlichen Haftungsrisiken einigermaßen schützen kann. Auch in einer zunächst lediglich kleinen UG sollte der Geschäftsführer diese Aufgabe nicht unterschätzen oder vernachlässigen.

Wer sich zu der aus den verschiedensten Gründen immer noch weit verbreiteten Unsitte überreden lässt, rein formal für eine Gesellschaft eine Geschäftsführerstellung zu übernehmen, sollte sich dies mehr als zweimal überlegen. Zu den erheblichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken gesellt sich auch die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit (BGH, Beschluss vom 13.10.2016, 3 Str 352/16).