Korruptionsstrafrecht schützt Wettbewerb und Unternehmen

Das mit der Neuregelung des Korruptionsstrafrechts Ende 2015 eingeführte Geschäftsherrenmodell stellt neben dem Schutz des Wettbewerbs auch den Schutz des Geschäftsherren vor korrupten Mitarbeitern in den Fokus des Korruptionsrechts. Die damit für die Unternehmen eröffneten Chancen werden in der Praxis noch nicht genügend beachtet.

Am 20.11.2015 ist die Neufassung des Korruptionsstrafrechts, darunter die Reform des § 299 StGB in Kraft getreten. Bis zu dem Zeitpunkt hinkte Deutschland in diesem Bereich der internationalen Entwicklung ziemlich hinterher. Neben der Umsetzung internationaler Vorgaben hat der Gesetzgeber mit der Reform die Korruptionsvorschriften neu geordnet und übersichtlicher zusammengefasst.

  • Die Strafbarkeit der Korruption im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB wurde erheblich erweitert,
  • dies auch im Interesse der Belange des Unternehmens, das vor korrupten Mitarbeitern geschützt werden soll.
  • Mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten der Reform hat sich in den meisten Unternehmen trotzdem wenig geändert.

Damit werden neue Chancen einer wirksameren Compliance-Organisation unnötig vertan. 

Strafbarkeitslücke vor der Reform

Das bis zur Reform geltende sogenannte Wettbewerbsmodell wurde im Rahmen der Reform um das Geschäftsherrenmodell ergänzt.

Damit wollte der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke schließen, die dadurch entstand,

  • dass nach der bis dahin geltenden Regelung lediglich der Wettbewerb vor Korruption geschützt wurde
  • und der Straftatbestand nur im Falle einer tatsächlich entstandenen Wettbewerbsverzerrung erfüllt war.

Mit Inkrafttreten der Neuregelung ist es nicht mehr erforderlich, dass die Gewährung eines unrechtmäßigen Vorteils innerhalb einer Wettbewerbssituation erfolgt.

Private Endverbraucher können nie Täter sein

Auch nach der Reform gilt:

Die Pflichtverletzung als Leistung oder Gegenleistung der Unrechtsvereinbarung muss sich nach dem Gesetz auf den Bezug von Waren und Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr beziehen.

Dies hat zur Folge, dass der Endverbraucher nicht Täter des § 299 StGB sein kann. Ein Kaufmann, der einen Vorteil gewährt, um einen Mietvertrag über einen Gewerbeobjekt zu erlangen, ist wegen Korruption strafbar, während der Mieter von Wohnraum bei gleichem Verhalten nicht unter die Strafvorschrift fällt.

Das Geschäftsherrenmodell dehnt die Strafbarkeit empfindlich aus

Mit der Einführung des Geschäftsherrenmodells wurden die Interessen des Arbeitgebers an einer loyalen und unbeeinflussten Ausübung der Dienste durch die betroffenen Arbeitnehmer in den Fokus der Strafbarkeit gerückt.

Nach der Neufassung von § 299 StGB erfasst der Straftatbestand nun auch

  • Handlungen eines Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens,
  • die dieser ohne Einwilligung des Geschäftsherrn vornimmt und
  • mit denen er seine Verpflichtungen gegenüber dem Geschäftsherrn verletzt und
  • für die er sich einen persönlichen Vorteil gewähren lässt.
  • Hierunter fallen Kick-Back-Provisionen, Schmiergeldzahlungen, aber auch schon Essenseinladungen oder Weihnachtsgeschenke.

Die Gesetzesänderung bezweckte die Angleichung des deutschen Strafrechts an andere europäischer Rechtsordnungen, deren Korruptionsstrafrecht nicht den Wettbewerb, sondern Vermögen und Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsherren schützt.

Durch Compliance-Regeln erheblichen Einfluss auf die Strafbarkeit nehmen

Die mit der Neuregelung einhergehende Ausdehnung der Strafbarkeit ist in den Compliance-Regeln vieler Unternehmen bisher nicht wirklich angekommen.

Insbesondere ist den  Compliance-Verantwortlichen bisher zu wenig bewusst, welche Chancen mit der Reform für einzelne Unternehmen verbunden sind. Mit der Neuregelung wird die Strafbarkeit nämlich in erheblichem Umfange versubjektiviert.  Durch entsprechende Regelungen kann die Compliance-Struktur eines Unternehmens selbst erheblichen Einfluss auf die potentielle Strafbarkeit pflichtwidrige Handlungen ihrer Mitarbeiter nehmen.

  • Stellt beispielsweise ein Unternehmen intern konkrete Regeln dazu auf,
  • nach welchen Kriterien Lieferanten auszuwählen sind,
  • nach welchen Kriterien Abnehmer ausgewählt und bedient werden,
  • nach welchen Kriterien unterschiedliche Angebote verglichen werden

so läuft jeder Mitarbeiter, der diese Regeln nicht beachtet, Gefahr, das scharfe Schwert der Strafbarkeit zu spüren, wenn ihm für die Regelverletzung auch nur geringfügige, nach bisheriger Vorstellung noch sozial adäquate Vorteile gewährt werden.

Unternehmen haben Strafverfolgung durch Antragsprinzip in der Hand

Die Compliance-Abteilungen der meisten Unternehmen haben die mit der Gesetzesreformen verbundenen Anforderungen bisher nicht umgesetzt.

  • Die Überprüfung der unternehmensinternen Compliance-Richtlinien und Compliance-Prozesse im Hinblick auf das neu eingeführte Geschäftsherrenmodell steht weiterhin aus.
  • Eine besondere Einflussmöglichkeit des Unternehmens auf die Strafbarkeit von Mitarbeitern entsteht dadurch, dass die Tat gemäß § 299 StGB nur auf Antrag verfolgt wird.

Es wäre bedauerlich, wenn die Compliance-Verantwortlichen der Unternehmen die durch die Reform entstandenen Chancen ungenutzt lassen. Nicht, weil sie ihren Mitarbeitern übel gesinnt sind, sondern weil sie die Chance auf striktere Compliance-Implementierung versäumen.



Hintergrund:

§ 299 Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

seit 26.11.2015

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder

2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

 1. einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder

2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

Schlagworte zum Thema:  Compliance-Management, Korruption