Mitbestimmung bei Einführung von Ethikrichtlinien im Unternehmen

Während etwa in den USA Unternehmens-Ethikrichtlinien üblich sind, ist es in deutschen Unternehmen noch weniger verbreitet, bindende Verhaltensrichtlinien aufzustellen, die über allgemeine Unternehmensgrundsätze hinausgehen. Rechtlich ist insbesondere die Mitbestimmung zu beachten, wenn die Einführung nicht „nach hinten losgehen“ soll.  

Ethikrichtlinien können aus wenigen klarstellenden Regelungen über die Geltung von  Recht, Gesetz und Arbeitsweisungen bestehen. Es können aber auch umfangreiche Vorgaben sein, die die Privatsphäre der Mitarbeiter betreffen. Bei solchen Vorgaben ist neben der Mitbestimmung insbesondere auch das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten.

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Dann sind diese Regelungen, aber nicht notwendigerweise die gesamten Ethikrichtlinien, mitbestimmungspflichtig (BAG, Beschluss v. 22.7.2008, 1 ABR 40/07).

Einführung von Ethikrichtlinien

Ethikrichtlinien können durch Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeführt werden, im Betracht käme, je nach Art und Umfang der Regelungen auch die Anordnung Kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers:

  • Die Einführung eines Verhaltenskodex, der das Verhalten der Arbeitnehmer regelt und die betriebliche Ordnung betrifft unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
  • Das Mitbestimmungsrecht ist lediglich ausgeschlossen, wenn Regelungen sich nur auf Arbeitspflichten beschränken und alle die Bereiche, in denen nur auf die bestehende Gesetzeslage hingewiesen wird, etwa Tatbestände, die bereits durch das AGG geschützt sind oder ein Verbot von Insidergeschäften. 

Was fällt unter das Direktionsrecht?

Mittels des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber nur die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten konkretisieren. In Betracht kommen hier etwa

  • Regelungen zum Umgang mit dem Eigentum des Arbeitgebers,
  • zur Verschwiegenheit,
  • zum Verbot des Insiderhandels
  • und zum Verbot der Entgegennahme von Schmiergeld.

Bei den beiden letztgenannten Tatbeständen handelt es sich sowieso um strafrechtlich verbotene Verhaltensweise, die auf diesem Wege nur konkretisiert oder betont würden.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Wie bei jeder anderen Regelung ist bei der Einführung von Ethikrichtlinien ein etwaig bestehender Betriebsrat zu beteiligen, soweit mitbestimmungspflichtige Maßnahmen im Sinne des BetrVG geregelt werden sollen.  

Zwischen Ordnungs- und Arbeitsverhalten unterscheiden

Das wichtigste Mitbestimmungsrecht liegt Bereich des Ordnungsverhaltens aus § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist zwischen dem Ordnungs- und dem Arbeitsverhalten zu unterscheiden. Während Letzteres nur die Arbeitspflicht konkretisiert und somit grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig ist, wird beim Ordnungsverhalten das sonstige Verhalten von Arbeitnehmer reglementiert. In den Bereich des mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhaltens fallen zahlreiche üblicherweise in Ethikrichtlinien enthaltene Bestimmungen.

Beispiele

So sind etwa mitbestimmungspflichtig

  • Regelungen zu Alkohol- und Rauchverboten.
  • Reglementierung von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz.
  • Bestimmung zur privaten Nutzung betrieblicher Telefone und des Internets.
  • Da die Annahme von Geschenken Dritter nicht den innerbetrieblichen Bereich selbst betrifft, ist dies im Grundsatz nicht mitbestimmungspflichtig. Hingegen wäre eine Verfahrensregelung zu diesem Bereich (z.B. die Errichtung eines entsprechenden Genehmigungsverfahrens) innerbetrieblich und daher mitbestimmungspflichtig.
  • Auch das Aufstellen eines Meldesystems, mit dem Verstöße gegen Richtlinien dem Arbeitgeber zur Kenntnis gebracht werden können, greift in das Ordnungsverhalten ein, so dass der Betriebsrat zu beteiligen ist.
  • Auch Vereinbarungen zu Belästigung und unangemessenem Verhalten sind mitbestimmungspflichtig.  

Folge fehlender BR-Beteiligung

Wird ein Betriebsrat entgegen der erwähnten Vorschriften vom Arbeitgeber nicht an der Erstellung einer Ethikrichtlinie beteiligt, sind diese konkreten Einzelbestimmungen – und nicht etwa die gesamte Richtlinie – unwirksam.

Der Arbeitgeber kann aus dem Verstoß gegen solche unwirksamen Bestimmungen keine Sanktionen ableiten, kann das entsprechende Verhalten also nicht ahnden (BAG, Urteil v. 11.6.2002, 1 AZR 390/01). Zudem hat der Betriebsrat einen diesbezüglichen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Dieser kann in einem Beschlussverfahren oder aber durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

Ethikrichtlinien ausländischer Muttergesellschaft

Ethikrichtlinien einer ausländischen Muttergesellschaft, die über die deutsche Arbeitgeberin in den Betrieben in Deutschland eingeführt werden, unterliegen der betrieblichen Mitbestimmung, wenn und soweit Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG berührt sind.

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"Wes Brot ich ess', des' Lied ich sing!" Soweit geht es heute nicht mehr - doch auch heute noch ist der Arbeitnehmer seinem "Patron" gegenüber in gewissem Umfang zur Treue verpflichtet und an seine Weisungen gebunden.

Bei der Frage, ob und inwieweit der Arbeitnehmer zur Einhaltung bestimmter Verhaltenspflichten verpflichtet ist, ist – jedenfalls sofern die Verhaltenspflichten nicht gesetzlich geregelt sind -

  •  letztlich immer eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Grundrechten des Arbeitnehmers (z. B. allgemeines Persönlichkeitsrecht oder Recht der freien Meinungsäußerung)
  • und den berechtigten betrieblichen Belangen des Arbeitgebers, einschließlich des Gesundheitsschutzes
  • sowie der Persönlichkeitsrechte anderer Arbeitnehmer des Betriebes.