Mangelhafte Compliance wegen Kostendruck

Hätte der Hygieneskandal im Mannheimer Uniklinikum auch andere Kliniken treffen können? Leider ja. Der Kostendruck, der hier zu mangelhafter Compliance geführt hat, ist ein generelles Problem.

Der Geschäftsführer des Klinikums hat seinen Rücktritt eingereicht. Doch damit ist die Affäre nicht ausgestanden - es bleibt die Frage nach den Ursachen. Viele sehen sich durch die aktuelle Affäre bestätigt, dass wachsender Kostendruck der deutschen Kliniklandschaft schade.

Wegen Kostendruck wird an der Hygiene gespart

Der Frankfurter Experte für Krankenhaus-Hygiene, Christian Brandt, sieht ein generelles Problem. "Auf der einen Seite wollen und müssen im Gesundheitswesen alle immer Geld sparen", sagt er. "Auf der anderen Seite wird die Aufbereitung des OP-Bestecks immer komplexer. Da hat der Gesetzgeber in den letzten 10 bis 15 Jahren die Schrauben stark angezogen."

Mitarbeiter in der Sterilisation müssten sehr gut geschult sein und wissen, was mit den blutverschmierten Geräten zu tun ist. Im Mannheimer Fall waren nicht alle Reinigungsleute ausreichend geschult, wie die Klinik eingestand.

Mangelhafte Compliance in Kliniken kein Einzelfall?

Hygieneprobleme an Krankenhäusern seien keine Seltenheit, sagt der Bereichsleiter Betriebs- und Branchenpolitik der Gewerkschaft Verdi, Niko Stumpfögger. Allerdings betreffe das meist nicht den OP. "Im OP-Bereich wird noch am ehesten geguckt, dass die Reinigungsqualität eingehalten wird, weil es dort so besonders wichtig ist."

Es gebe an Krankenhäusern aber einen Trend, die Reinigung auszulagern, um Geld zu sparen. "Dann sind unterschiedliche Firmen im OP unterwegs." Der Kostendruck an deutschen Kliniken sei enorm, die Lage angespannt.

Kostendruck an Kliniken enorm - Folge: mangelhafte Compliance

Auch der Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser (IVKK) ist besorgt wegen des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks auf Kliniken. Dies werde tendenziell zu fatalen Fehlentscheidungen führen, kritisiert IVKK-Chef Bernhard Ziegler. "Wettbewerb ist wichtig, doch wir sollten Konsens darüber erzielen können, dass dieser Wettbewerb auf Qualität beschränkt sein sollte."

Das Klinikum Mannheim sieht die Ursachen bislang in schlechter Kommunikation und Organisation

Waschmaschinen für OP-Besteck fehle ein TÜV-ähnliches Siegel, Reinigungsleute aus dem sensiblen Bereich können keine Qualifikation vorweisen. Hinweise zu Hygienemängeln seien teils nicht weitergeleitet worden.

Eine gute Kommunikation zwischen Medizinern und Reinigungskräften sei wichtig, betont Brandt. Daran scheint es in Mannheim aber gemangelt zu haben, wie auch der Aufsichtsrat eingesteht.

Das legen auch interne Beschwerden nahe, aus denen "Spiegel Online" zitiert. In einer von Anfang 2014 ist die Rede von einer toten Fliege im OP-Besteck. Die Einträge lesen sich wie Hilferufe: "Wir sind kein Produktionsbetrieb, hier geht es um Menschenleben." Und: "Bitte, bitte lassen Sie es nicht dazu kommen, dass Patienten zu Tode gespart werden."

Darf Hygiene zu teuer sein?
Experte Brandt zufolge können es sich Krankenhäuser nicht mehr leisten, für die Reinigung von OP-Besteck Krankenpfleger abzustellen - jetzt übernehmen diese Aufgabe i. d. R. angelernte Kräfte. "Da wird der Mindestlohn des Reinigungsgewerbes gezahlt, knapp 10 Euro." Früher hätten oft noch besserbezahlte Krankenschwestern die Reinigung übernommen.

"Es ist sicherlich schwierig, für wenig Geld gute Leute zu finden", gibt Brandt vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene in Frankfurt am Main zu bedenken.

Staatsanwaltschaft wird sich noch lange mit dem Fall beschäftigen

Durch einen anonymen Hinweis kamen die Ermittlungen Anfang Oktober ans Licht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall. Die Ermittler haben das Krankenhaus bereits zweimal durchsucht und jedes Mal Gerätschaften mitgenommen. Erst am Mittwoch hatten Beamte kistenweise mögliches Beweismaterial aus der Klinik geschleppt.

Die Staatsanwaltschaft sucht derweil nach Experten: Sie sollen das beschlagnahmte OP-Besteck aus dem Uniklinikum auf Hygienemängel analysieren, sagte ein Sprecher.

Die Staatsanwaltschaft rechnet mit langwierigen Ermittlungen in dem Fall. "Das ist sicherlich kein Verfahren, das besonders schnell abgeschlossen ist."

Hygiene in Krankenhäusern - nicht nur für Patienten sondern auch fürs Personal

Unter Arbeitsschutzgesichtspunkten ist die Krankenhaushygiene deswegen besonders wesentlich, weil Krankenhäuser große Arbeitgeber sind und hier Hygiene stets nicht nur den Schutz der Patienten betrifft, sondern auch den der Beschäftigten. Mehr dazu lesen Sie hier.

dpa
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