„Man kann auch mit Schweinehälften Geld waschen“

Mit dem Geldwäschegesetz ergeben sich für Unternehmen neue Pflichten. Rechtsanwalt Dr. Joachim Kaetzler von der Wirtschaftskanzlei CMS erläutert im Gespräch mit der Haufe Online-Redaktion, warum Unternehmen wissen müssen, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen und welche betriebsinternen Sicherungsmaßnahmen sie nach den Regelungen umsetzen müssen.

Das nationale Geldwäschegesetz setzt die Änderungen der Vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie in der Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung in Deutschland um.

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Geldwäsche ist ein Risiko für jedes Unternehmen

Haufe Online-Redaktion: Herr Dr. Kaetzler, beim Thema Geldwäsche denkt man in erster Linie an Banken und Finanzdienstleister oder an Bargeldgeschäfte. Sind auch andere Unternehmen vom Geldwäschegesetz betroffen?

Dr. Joachim Kaetzler: Ja, auch Immobilienmakler (Kaufmakler), Casino- oder Finanzunternehmen, sowie gewerbliche Güterhändler sollen mit der Umsetzung des Geldwäschegesetzes mithelfen, den Fluss von inkriminierten Geldern zu stoppen. Denn Geldwäsche ist ein Risiko für jedes Unternehmen. Man kann mit jeder Ware oder jeder Dienstleistung Geld waschen, auch mit Schweinehälften.

Maßnahmen ergreifen, um nicht für Geldwäsche missbraucht zu werden

Haufe Online-Redaktion:

Und deshalb müssen also alle Unternehmen wissen, mit wem genau sie Geschäftsbeziehungen eingehen.

Dr. Joachim Kaetzler: Alle verpflichteten Unternehmen, nicht darunter fallen z. B. Dienstleister. Doch obwohl z. B. ein Hotel nicht verpflichtet ist, Maßnahmen nach dem Geldwäschegesetz zu ergreifen, trägt es selbstverständlich Risiken, für Geldwäsche missbraucht zu werden.

Unternehmen müssen sich die Frage stellen: "Wer ist mein Kunde?"

Haufe Online-Redaktion:

Und was genau müssen verpflichtete Unternehmen über ihre Geschäftspartner wissen?

Dr. Joachim Kaetzler: Verpflichtete Unternehmen müssen einschätzen: Wer ist mein Kunde? Und das ist nicht immer einfach. Oft arbeitet ein „Kunde“ für einen Dritten. So tritt ein Geldwäscher selbstverständlich nicht selbst in Erscheinung, sondern versteckt sich z. B. hinter einer Treuhandkonstruktion. Aufgabe ist es also zu erkennen, ob der Geschäftspartner wirklich der Geschäftspartner ist oder ob er im Interesse einer anderen natürlichen oder juristischen Person handelt.

Bisher war die wichtigste Frage immer: Wer ist eigentlich der formale Anteilseigner; nach den Panama Papers hat sich diese Fragestellung zu einer funktionalen Betrachtung verändert: Handelt es sich um eine Orphan Structure, z. B. auf den Caymans? Wer hat Zugriff auf das Vermögen bzw. wer kann darüber regieren?

Der Maßnahmenkatalog nach dem Geldwäschegesetz ist groß

Haufe Online-Redaktion:

Die Unternehmen sind nach den Regelungen auch verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen umzusetzen. Wie sehen die aus?

Dr. Joachim Kaetzler: Der Maßnahmenkatalog ist groß und reicht von der Mitarbeiterschulung bis zur Bestellung eines Geldwäschebeauftragten. Zunächst müssen die Unternehmen eine Risikoanalyse anfertigen, in der besondere Geldwäscherisiken im Hinblick auf den Kundenbestand, die geografische Erstreckung oder besonders gefährdete Produkte identifiziert werden. Darauf basierend sind dann individuelle Regeln im Rahmen des Gesetzes aufzustellen. Man kann sagen: Die Risikoanalyse ist der Nukleus der Sicherungsmaßnahmen.

Das Geldwäschegesetz enthält auch Erleichterungen

Haufe Online-Redaktion:

Gibt es auch Entlastungen durch das Gesetz?

Dr. Joachim Kaetzler: Ja, der gewerbliche Güterhändler profitiert vom Gesetz. Für ihn sind Sicherungsmaßnahmen nur noch für Bargeldgeschäfte über 10.000 Euro vorgesehen. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn beim Güterhandel kein Bargeldgeschäft stattfindet, müssen auch keine Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Ich erwarte, dass viele Güterhändler ein Bargeldverbot ab einer gewissen Schwelle aussprechen werden, was durchaus legitim ist, was aber auch den Bargeldverkehr weiter reduzieren wird.

Mit was müssen Mitarbeiter beim Geldwäschegesetz rechnen?

Haufe Online-Redaktion:

Noch einmal zurück zu den Sicherungsmaßnahmen. Dort heißt es, dass Mitarbeiter auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen sind. Wie sieht das in der Praxis aus?

Dr. Joachim Kaetzler: Gemeint ist damit vor allem das polizeiliche Führungszeugnis, das bei Mitarbeitern mit risikosensitiven Tätigkeiten, etwa bei Kreditinstituten, schon lange üblich ist. Bei anderen Berufsgruppen wie Rechtsanwälten erfolgt das Zuverlässigkeitsvotum über ihre Zulassung. Große Durchleuchtungen finden nur auf allerhöchster Führungsebene statt.

Mit dem Geldwäschegesetz ist für den Geldwäschebeauftragten eine Garantenstellung verbunden

Haufe Online-Redaktion:

Einige Unternehmen sind verpflichtet einen Geldwäschebeauftragten zu bestellen. Wann ist das der Fall? Und wer eignet sich als Beauftragter?

Dr. Joachim Kaetzler: Grundsätzlich sind nicht alle Unternehmen dazu verpflichtet. Güterhändler können sich durch eine Bargeldannahmeschwelle der Verpflichtung entziehen. Außerdem können Aufsichtsbehörden die Bestellung eines Geldwäschebeauftragten anordnen oder davon absehen.

Mit dem Gesetz ist für den Geldwäschebeauftragten, meist ein Mitarbeiter der Compliance- oder Rechtsabteilung, eine Garantenstellung verbunden. Er haftet also persönlich und unmittelbar für Verstöße im Unternehmen gegen das Geldwäschegesetz. Dadurch ist der Posten deutlich unpopulärer geworden. Da hilft auch kein Sonderkündigungsschutz, der – ähnlich wie beim Datenschutzbeauftragten – auch für den Geldwäschebeauftragten eingeführt wurde.

In bestimmten Konstellationen unterliegt der Geldwäschebeauftragte übrigens nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Wenn er z. B. eine Verdachtsmeldung einreichen will, ihm dies der Geschäftsführer aber verbieten will, ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers insoweit ausgeschlossen.

Der Geldwäschebeauftragte ist quasi ein Beliehener, der seinen Auftrag im Interesse der Öffentlichkeit ausübt. Er kommuniziert mit den Behörden, meldet Verdachtsfälle und hat Kontrollfunktion. Seit Jahrzehnten wird diskutiert: Ist er nicht ein Hilfspolizist?

Das Geldwäschegesetz fordert die Einrichtung eines Transparenzregister, eine Reaktion auf die Panama Papers

Haufe Online-Redaktion:

Das Gesetz ist am 26.06.2017 in Kraft getreten. Gibt es noch eine Besonderheit, die zu beachten ist?

Dr. Joachim Kaetzler: Beim Transparenzregister handelt sich um eine Datensammlung, ähnlich dem Handelsregister. Unternehmen dürfen sich allerdings nicht auf die Einträge im Register verlassen. Und die Diskussion um öffentlichen Zugang und öffentlichen Glauben ist noch lange nicht abgeschlossen.

Geldwäschegesetz - Für und Wider

Haufe Online-Redaktion:

Was halten Sie persönlich von den schärferen Richtlinien?

Dr. Joachim Kaetzler: Gut ist, dass die Regeln für die Güterhändler korrigiert wurden. Hinsichtlich der weiteren Verschärfung ist zu begrüßen, dass wir ein europaweites, einheitliches Unternehmensregister bekommen.

Das Thema ist allerdings recht komplex. So gibt es z. B. bei Familienstiftungen im deutschen Mittelstand durchaus private Vermögensinteressen, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht transparent werden sollten. Für fehl am Platze halte ich den Zugang für Journalisten und NGOs zum Register.

Wichtig ist, dass die Vorgaben der FATF und der EU richtig umgesetzt werden.

Haufe Online-Redaktion: Vielen Dank, Herr Dr. Kaetzler, für das Gespräch.

 

Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin

 

Dr. Joachim Kaetzler ist promovierter Strafrechtler und seit 2008 Partner bei CMS. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Geldwäsche und berät Unternehmen regelmäßig zur Korruptions- und Geldwäscheprävention.

 

Financial Intelligence Unit (FIU) = Zentralstelle für Verdachtsmeldungen des Bundeskriminalamtes

Beneficial Owner = wirtschaftlicher Eigentümer

FATF = Financial Action Task Force, Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen gegen Geldwäsche

Schlagworte zum Thema:  Geldwäsche