Kronzeugenregelung als Falle - nicht nur für Branchengrößen

Kartellstrafen ereilen nicht mehr nur die „Großen“ einer Branche. Egal ob Badezimmerausstattungen, Süßwaren, Bier oder Möbel, zunehmend sind es auch Mittelständler, die ins Visier der Kartellbehörden geraten und für die die beträchtlichen Bußgeldzahlungen existenzielle Folgen haben können.

Bei zunehmender Tendenz sind es auch mittelständische Unternehmen, die wegen Preisabsprachen zu beträchtlichen Bußgeldzahlungen verurteilt werden.

Bekämpft werden damit Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs herbeiführen oder auch nur bezwecken.

BGH zur Zulässigkeit von Kartellverfahren

Andreas Mundt, der Chef des Bundeskartellamts, sagt dazu, die Bekämpfung von Kartellverstößen beträfe alle Branchen und Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe. Ein Urteil des BGH zur Zulässigkeit von Kartellverfahren besagt, ein Einschreiten der Kartellbehörden wegen Preismanipulationen sei bereits dann möglich, wenn in einem monopolistischen Markt die Preisabweichung gegenüber vergleichbaren Konkurrenzunternehmen 3 % betrage (BGH, Urteil vom 14.7.2015, KVR 77/13).

Kronzeugenregelung als Falle, besonders für den Mittelstand

Die erfolgreiche Arbeit der Kartellbehörden beruht nicht zuletzt auf der Kronzeugenregelung. Danach kommt das Unternehmen, das Preisabsprachen anzeigt, ungeschoren davon. Das Bundeskartellamt wirbt auf seinen Internet-Seiten offensiv für das anonyme Anzeige-Verfahren, das Privatpersonen (auch Mitarbeitern) strikte Anonymität zusichert.

Einladung zum Foulspiel?

Die Regelung ist nicht unumstritten, das sie zu Ermittlungszwecken der Kartellbehörden quasi zum Foulspiel einlädt. Möglicherweise verleitet die Kronzeugenregelung gar die eine oder andere Branchengröße dazu, erst die Preise mit kleineren Konkurrenten abzusprechen, um diesen dann im zweiten Schritt bei den Kartellbehörden anzuschwärzen und selbst Dank der Kronzeugenregelung straffrei zu bleiben.

Möglicher Nebeneffekt: Anschließend steht der Übernahme des angeschlagenen Konkurrenzunternehmens vielleicht nicht mehr viel im Wege.

Rückstellungen für Kartellverfahren

Auch die Finanzbehörden bringen für ertappte mögliche Kartellsünder wenig Mitgefühl auf: Laut FG Köln darf ein beschuldigtes Unternehmen keine Rückstellung für die zu erwartende Strafzahlung bilden. Verhängt das Bundeskartellamt Bußgelder wegen unzulässiger Preisabsprachen gegen ein Unternehmen, ist das Finanzamt berechtigt, den Betriebsausgabenabzug zu untersagen. Und zwar auch, wenn sich die Höhe die verhängten Bußgeldes anteilig aus dem Gewinn des Unternehmens berechnet (FG Köln, Urteil v. 24.11.2016, 10 K 659/16). Das steht aber u.U. im Widerspruch zur Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns, der für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Belastungen vorzusorgen hat. Zwar ist die Rückstellung in der Handelsbilanz zulässig,  aber viele kleinere Unternehmen erstellen keine gesonderte Handelsbilanz.

Unternehmerisches Glatteis

Die Themen M&A, Preise und Konditionenpolitik werden so zunehmend zu einem gefährlichen Parkett für Unternehmen. Vorsicht ist geboten, wenn man an Branchentreffen zu diesen Themen teilnimmt oder sich extern dazu äußert. Da Anschwärzen auch anonym möglich ist, sind Missverständnisse im Nachhinein schwer zu beseitigen und Verteidigung gegen Vorwürfe findet quasi im „luftleeren Raum“ statt. Bei wirklichen Preisabsprachen lauert die Gefahr Aufzufliegen überall, denn auch Mitarbeitern können ein Kartellverfahren auslösen. Das Portal www.business-keeper.de > Das Hinweisgebersystem, zunächst zur Korruptionsbekämpfung begründet, animiert auch Mitarbeiter in Firmen dazu, Compliance-Verstöße (z. B. auch gegen Wettbewerbsvorschriften anonym zu melden.

Gefährlich und realitätsfremd?

Dass sich die Behörden ihre Informationen über die umstrittene Kronzeugenregelung besorgen, wird teilweise auch als realitätsfremd kritisiert, da Branchengespräche über Preise und Konditionen üblich und vielfach sogar notwendig seien, um mittel- und langfristige Planungs- und Inves­titions­sicherheit der Beteiligten an einer Wertschöpfungskette zu gewährleisten.

So sei es kein Geheimnis, dass sich die Verarbeiter und Zulieferer der Automobil-Industrie auf Standardmargen verständigen, um die Gewinne und Investitionen ihrer Zulieferer zu sichern und so ihre eigene Lieferbereitschaft sicherzustellen. Wo liegt die Grenze, jenseits der straffrei ausgehenden anzeigende Konkurrenzbetrieben Beweise geliefert werden?

Die Jahr für Jahr ansteigende Einnahmen bei den Kartellämtern und die wachsende Höhe der einzelnen Bußen mahnen jedenfalls zu äußerster Vorsicht und Gesprächszurückhaltung.

Preisabsprachen vermeiden

Wie Preisabsprachen im Unternehmen vermieden werden, erläutert der Fachbeitrag Kartellrechtsverstöße und verbotene Wettbewerbsbeschränkungen vermeiden: Grundlagenwissen und Verhaltensregeln.

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Durch eine Gesetzeslücke, können sich bisher Konzerne so geschickt umstrukturieren, dass das bestrafte Unternehmen nur noch als leere Hülle übrig bleibt oder ganz aus dem Handelsregister verschwindet.Man spricht, wegen eines in diesem Bereich erfolgreichen Wurstkonzerns,  auch von der haftungsrechtliche "Wurstlücke": Die soll durch die GWB-Reform künftig geschlossen werden.

Schlagworte zum Thema:  Kartellrecht