Kartellrecht: Neue Leitlinien zu Bußgeld und Kronzeugen

Das Bundeskartellamt hat neue Leitlinien für das Kronzeugenprogramm und für die Bußgeldzumessung in Kartellverfahren veröffentlicht. Damit wird das Kronzeugenverfahren gesetzlich abgesichert. Die neuen Regelungen eröffnen auch die Möglichkeit, bestehende Compliance-Maßnahmen mildernd zu berücksichtigen.

Änderungen in der Bußgeldzumessung

Durch die neuen Bußgeldleitlinien hat sich vor allem die Zumessungsmethodik geändert, die sich mehr an der gerichtlichen Praxis orientieren wird. Maßgeblicher Gesichtspunkt bleibt der von dem Kartellverstoß betroffene Umsatz. Insgesamt wird sich daher das Bußgeldniveau wohl nicht wesentlich ändern. Trotzdem werden die Bußgelder künftig schwerer vorhersehbar: Wo nach den alten Bußgeldleitlinien noch eine formelhafte Berechnung angestellt wurde, wird künftig nur noch der sog. "Ausgangswert" rechnerisch festgesetzt. Auf dieser Basis wird im Rahmen einer Gesamtabwägung anhand einer Reihe von Kriterien das konkrete Bußgeld bestimmt.

Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen

Compliance-Maßnahmen, die im Vorfeld eines Kartellverstoßes ergriffen wurden („Vortat-Compliance“), können positiv berücksichtigt werden, wenn sie zur Aufdeckung des Kartellverstoßes geführt haben. Derartige Compliance-Maßnahmen werden allerdings nicht berücksichtigt, wenn die Unternehmensleitung am Kartellverstoß beteiligt war. Nach einem Kartellverstoß eingeführte Compliance-Maßnahmen („Nachtat-Compliance“) helfen insbesondere dann, wenn Unternehmen bei der Aufklärung aktiv kooperieren.

Anreize für Zusammenarbeit mit Behörden

Die Behörde setzt mit den Leitlinien zum Kronzeugenprogramm Anreize für Kooperation: Wer Kartellverstöße selbst anzeigt und kooperiert, dessen Compliance-Maßnahmen werden tendenziell bußgeldmindernd berücksichtigt. Mit der Erklärung zur Kooperation setzt die Geschäftsleitung zunächst einen „Marker“, der ihr im besten Fall den ersten Rang der Anzeigenden sichert. Dies ist im Hinblick auf den Umfang der Bonusregelung von wichtiger Bedeutung. Der Antragsteller muss jedoch schon zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Mindestangaben an das Bundeskartellamt herausgeben, um in den Genuss der Rangsicherung zu kommen.

Das Bundeskartellamt setzt der Geschäftsleitung dann eine Frist, bis ein konkreter Kronzeugenantrag ausgearbeitet werden muss. Dieser Antrag muss alle Angaben enthalten, die einen Durchsuchungsbeschluss ermöglichen oder wesentlich dazu beitragen, die Tat nachzuweisen. Die Geschäftsführung muss dann über das gesamte Verfahren weiter mit dem Bundeskartellamt kooperieren, insbesondere die Kartelltätigkeit unverzüglich einstellen und die Zusammenarbeit vertraulich behandeln. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Bundeskartellamt eine vorübergehende Fortsetzung der Verstöße verlangt. 

Anwendungsbereich der Regelung

Das Kronzeugenprogramm kann auf alle Kartellbeteiligten, also natürliche Personen wie Unternehmen, Anwendung finden. Selbst der alleinige Anführer des Kartells ("Ring-leader") kann entgegen der früheren Rechtslage jetzt Kronzeuge sein. Nur solche Mitglieder, die andere zur Teilnahme gezwungen haben, sind vom Bußgelderlass ausgeschlossen. Künftig entfällt die Möglichkeit einer Privilegierung schon dann, wenn der Kronzeuge in der Vergangenheit lediglich versucht hat, Mitkartellanten zur Beteiligung oder zum Verbleib im Kartell zu zwingen. Diese Einschränkung besteht aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips: besonders sozialschädliches Verhalten soll nicht in den Genuss vollständiger Bußgeldfreiheit kommen.


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