
Das Beratungsunternehmen Noerr hat kürzlich die aktuelle Studie "Internal Investigations – Compliance-Studie 2019" publiziert.
Die Studie informiert auf Grundlage der Befragung von 300 Führungskräften wann, wie und von wem interne Untersuchungen über Compliance (Internal Investigations) durchgeführt werden. Die Gründe sind sehr häufig Bereicherung, Korruption und Verstöße gegen Compliance.
92 Prozent der befragten Entscheider betrachten den Verdacht auf eine finanzielle Bereicherung zum Nachteil des Unternehmens sowie Korruption als Grund für eine Untersuchung, 86 Prozent Verstöße gegen Compliance-Regelungen und 83 Prozent Straftaten aller Art. Bei möglichen Datenschutzrechtsverletzungen ziehen 81 Prozent der Befragten und bei Verstößen gegen Kapitalmarktrecht 61 Prozent eine Untersuchung in Betracht. Wichtige Gründe sind auch Kartellrechtsverletzungen (77 %) sowie Ordnungswidrigkeiten (74 %).
Die DSGVO und die Änderungen des BDSG hatten eine weitgehende Verunsicherung in den Unternehmen zur Folge. Dies ergab eine Befragung von über 200 Unternehmen, die Noerr im Rahmen der Studie Crisis Management 2018 durchgeführt hatte. Untersuchungen zum Krisenmanagement ergaben zusätzlich, dass rund ein Viertel der Befragten das Risiko von Compliance-Verstößen im Bereich des Kapitalmarktrechts als hoch einschätzt, obwohl nur 2 bis 3 Prozent der Unternehmen tatsächlich betroffen waren.
Untersuchungen bei schweren Delikten und hoher Wahrscheinlichkeit
Ob Untersuchungen tatsächlich eingeleitet werden, hängt laut 42 Prozent der befragten Führungskräfte von der vermuteten Schwere des Delikts ab. Die Wahrscheinlichkeit des Verstoßes wird von 26 Prozent der Befragten als "sehr wichtig" für die Entscheidung eingestuft. Der Stellung des Verdächtigten in der Unternehmenshierarchie betrachten 62 Prozent der Befragten als unerheblich und nur 10 Prozent als wichtig.
In Unternehmen, die einen definierten Prozess zur Durchführung von Internal Investigations etabliert haben, gibt es deutlich geringere Vorbehalte gegen Untersuchungen als bei Unternehmen, die nicht über einen solchen Prozess verfügen. Es ist zu empfehlen, ein solches Reglement einzuführen, siehe unten.
Vorbehalte gegen interne Untersuchungen gibt es vor allem bei geringer Aufklärungswahrscheinlichkeit (37 % der Befragten). 22 Prozent haben Angst vor Unruhe im Unternehmen und 20 Prozent befürchten, dass die Kosten zu hoch sind.
Bei Familienunternehmen gilt eine zu niedrige Aufklärungswahrscheinlichkeit bei 47 Prozent der Befragten als Hinderungsgrund, hingegen nur für 30 Prozent in den Nicht-Familienunternehmen. 26 Prozent der Befragten in Nicht-Familienunternehmen fürchten sich vor ungünstigen Ermittlungsergebnissen, aber nur 9 Prozent in Familienunternehmen.
Entscheidung ist Chefsache
Die Entscheidung, ob eine interne Untersuchung durchgeführt werden soll, wird in den meisten Unternehmen durch die Geschäftsleitungen oder durch Compliance-Abteilungen/Committees getroffen. In 70 Prozent der Unternehmen wird die oberste Führungsebene zumindest eingebunden.
Hinweis: Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, für die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben seitens der Gesellschaft zu sorgen und Compliance-Verletzungen zu verhindern und aufzuklären.
Der Aufsichtsrat wird nur in 37 Prozent der Unternehmen vor jeder Untersuchung benachrichtigt. 64 Prozent der Befragten geben an, dass der Aufsichtsrat informiert wird, wenn der Verdacht besteht, dass Mitglieder der Geschäftsleitung Verstöße begangen haben und laut 46 Prozent der Befragten wird der Aufsichtsrat nur bei gewichtigen Verfehlungen benachrichtigt.
Hinweis: Nach Gesellschaftsrecht hat der Aufsichtsrat die Pflicht, den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung zu überwachen, andernfalls kann sich eine Haftung des Aufsichtsrates ergeben. Besonders wenn der Verdacht besteht, dass auch Geschäftsleitungsmitglieder an Compliance-Verstößen beteiligt sind, sollte der Aufsichtsrat für Aufklärungsmaßnahmen sorgen und wenn nötig die Initiative ergreifen.
Durchführung der internen Untersuchung
Interne Untersuchungen werden in 67 Prozent der größeren Unternehmen und in 49 Prozent der Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern von der Compliance-Abteilung und/oder der internen Revisionsabteilung geleitet.
Wichtige Gründe für den Einsatz externer Berater bei internen Untersuchungen ist eine hohe Komplexität des Falls (64 %), Ressourcenknappheit (49 %) und die Gefahr eines Imageschadens (39 %). Die Entscheidung darüber, ob eine interne Untersuchung ausschließlich durch interne Abteilungen oder mithilfe externer Berater durchgeführt werden soll, wird in den meisten Unternehmen durch die oberste Führungsebene getroffen. Diese wird laut 54 Prozent der Befragten seltener in die Entscheidung eingebunden, wenn es ein Reglement zur Durchführung interner Untersuchungen gibt. Gibt es ein solche nicht, entscheiden bei 67 Prozent der Unternehmen die oberste Führungsebene bzw. bei 16 Prozent Gesellschafter (16 %).
Bei der Auswahl externer Berater ist die fachliche Spezialisierung bezogen auf den Untersuchungsgegenstand das mit Abstand wichtigste Kriterium: 80 Prozent der Unternehmen sehen es als entscheidend an. Eine forensische Expertise, Erfahrung im Bereich Gesellschaftsrecht sowie eine feste Mandatsbeziehung zu dem eigenen Unternehmen spielen in 36 Prozent der Unternehmen eine Rolle.
Bei internen Untersuchungen ist Vertraulichkeit wichtig
Das Legal Privilege zum Schutz der Vertraulichkeit von Erkenntnissen und Quellen aus einer internen Untersuchung ist aus Sicht von 72 Prozent der Befragten sehr wichtig. Es schützt im angelsächsischen Raum die Korrespondenz zwischen Mandanten und Anwälten vor der Pflicht, diese Unterlagen vor Gericht vorlegen zu müssen, wie es sonst üblich ist. Anwälte sind ohnehin zur Geheimhaltung verpflichtet und können die Mandanten auch gleich juristisch beraten. Allerdings gilt das "Legal Privilege" nicht in Deutschland, wie das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.06.2018, 2 BvR 1287/17, festgestellt hat.
Hinweis: Bei der Auswahl von externen Beratern sind Sachkenntnisse und Seriosität zu berücksichtigen, auch Honorarvergleiche können sich lohnen. Zu empfehlen ist in jedem Fall ein schriftlicher Vertrag mit klarer Definition des Auftrages und den Honoraransätzen. Ist der Berater keiner beruflichen Geheimhaltungspflicht unterworfen, fügt man in den Vertrag eine Geheimhaltungsklausel ein, die auch nach Beendigung des Auftrages gelten muss. Falls die Untersuchung ergibt, dass Offizialdelikte begangen und die Behörden informiert werden, kann man den Berater verpflichten, gegenüber den Medien Diskretion zu wahren.
Mitarbeiterinterviews bei internen Untersuchungen
Zur Aufklärung von Missständen und Gesetzesverstößen werden im Rahmen interner Untersuchungen regelmäßig Mitarbeiterinterviews geführt. Grundsätzlich sind die Angestellten arbeitsrechtlich zur Beteiligung verpflichtet. Das gilt auch, wenn sie Pflichtverletzungen oder gar strafbare Handlungen offenlegen und sich selbst bezichtigen müssen. Dabei stellt sich die Frage nach den Verteidigungsrechten der Mitarbeitenden und den Schutz von Whistleblowern.
In 80 Prozent der Unternehmen werden die befragten Mitarbeitenden darüber informiert, ob gegen sie ein Verdacht besteht und in 78 Prozent der Betriebe können sie einen Betriebsrat oder einen Anwalt beiziehen. In 73 Prozent der Unternehmen können verdächtigte Angestellte – abweichend von der derzeit geltenden Rechtslage – die Antwort auf Fragen verweigern, wenn sie sich selbst belasten müssten, in 54 Prozent der Unternehmen müssen sie auch nicht ihre Kollegen verraten.
Whistleblower schützen
Angestellte haben eine gewisse Rücksicht auf die Interessen ihres Arbeitgebers zu nehmen, was aber arbeitsrechtlich nicht eindeutig geregelt ist.
Den Whistleblowern sollte garantiert werden, dass sie keine Nachteile davon haben, dass sie Missstände offenlegen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich die Aussagen als üble Nachreden (§ 186 StGB) oder Verleumdungen (§ 187 StGB) entpuppen.
Ergebnisse der internen Untersuchung dokumentieren
Eine sorgfältige Dokumentation der Untersuchung ist grundsätzlich zu empfehlen, weil sie die Beweise gegen die Verdächtigen oder auch die Entlastung erleichtert. In 52 Prozent der Unternehmen wird ein formeller Abschlussbericht erstellt, und in 35 Prozent interne Aktenvermerke. Nur in 5 Prozent der Unternehmen werden interne Untersuchungen überhaupt nicht dokumentiert. Aber Achtung: Wenn Sie einen Verstoß erkennen und nicht umgehend reagieren, kann die entsprechende Dokumentation als Beweismittel für unterlassene Gegenmaßnahmen verwendet werden.
In 90 Prozent der Unternehmen werden die Ergebnisse von internen Untersuchungen direkt an die oberste Führungsebene weitergeleitet und bei 40 Prozent an den Aufsichtsrat. Hingegen erfolgt eine Berichterstattung an Compliance-Abteilungen, bzw. die von der internen Untersuchung betroffenen Fachabteilungen, nur in 53 Prozent der Fälle.
Nur in 26 Prozent der Unternehmen werden Straftaten immer den Behörden gemeldet, in 8 Prozent nur bei schweren Straftaten. In 54 Prozent der Fälle wird nach Situation entschieden.
Reglement über Untersuchungsverfahren
Maßgebliche Auswirkungen auf die Durchführung von Internal Investigations hat ein Reglement, in dem der Prozess der Untersuchung klar geregelt wird, und eine entsprechende Organisation im Unternehmen. In 54 Prozent der Betriebe mit mehr als 1.000 Mitarbeitern ist ein solcher Prozess bereits etabliert und in 46 Prozent der kleineren Unternehmen. Bei Stammsitz im Inland ist das interessanterweise seltener der Fall (49 %) als in den Unternehmen, deren Muttergesellschaft im Ausland (62 %) liegt. Unternehmen, die über konkrete Maßnahmenpläne für Krisensituationen verfügen, sind seltener betroffen als Unternehmen ohne derartige Vorkehrungen, das ergab die Studie "Crisis Management 2018".
Hinweis: Ein solches Reglement sollte mindestens folgende Punkte enthalten:
- Voraussetzungen für Untersuchungen,
- zuständige Abteilungen oder Personen,
- Informationspflicht gegenüber der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat ist immer zu empfehlen,
- Einsatz von externen Beratern und Vertragsmuster,
- Voraussetzungen für Mitarbeiterbefragungen,
- Schutz für Whistleblower,
- Möglichkeit für verdächtige Mitarbeitende auf Auskunftsverweigerung, bzw. Beteiligung eines Anwalts oder Betriebsrates,
- Dokumentation der Untersuchung,
- Information der Behörden,
- Geheimhaltungspflichten,
- Datenschutz.
Neues Unternehmenssanktionsrecht geplant
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat Ende August 2019 einen Entwurf zum Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgelegt. Dieser resultiert aus den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Plänen von CDU, CSU und SPD, das Unternehmenssanktionsrecht in Deutschland neu zu regeln.