Einsatz vieler KI-Lösungen im Personalmanagement ist unzulässig

Unternehmen, die das Verhalten von Mitarbeitern über sogenannte People Analytics-Verfahren erfassen, bewegen sich auf rechtlich dünnem Eis. Ohne sich dieser Problematik bewusst zu sein, verstoßen sie oft gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Dies ergab ein 2-jähriges Forschungsprojekt. Der Gesetzgeber muss laut Projektergebnis klären, wie selbstlernenden Algorithmen und Mitbestimmung vereinbar sind.

Gegen Ende letzten Jahres geriet etwa der Online-Versandhändler Zalando in die Schlagzeilen und das Visier der Berliner Datenschutzbehörde, nachdem bekannt geworden war, dass das Unternehmen die umstrittene Analysesoftware Zonar einsetzt, um Tausende von Mitarbeitern zu bewerten bzw. zu überwachen (→ Mitarbeiter-Bewertungssoftware bei Zalando wird Fall für die Datenschutzbehörde).

IT-Forscher sind skeptisch bezüglich der Rechtmäßigkeit von Mitarbeiter-Analyse-Tools

Die Rechtmäßigkeit der Nutzung derartiger Tools, die oftmals auch mit Elementen mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, hat die Forschungsorganisation AlgorithmWatch nach dem Abschluss eines zweijährigen Forschungsprojekts  in Frage gestellt. Nach Ansicht der Forscher handeln die Unternehmen, die derartige KI-basierte Verfahren einsetzen möglicherweise rechtswidrig, oftmals ohne sich über diese Problematik im Klaren zu sein.

  • People-Analytics-Verfahren dürften im Grunde nur dann eingesetzt werden, wenn dazu entweder eine Betriebsvereinbarung geschlossen wird,
  • oder die Beschäftigten individuell zugestimmt haben.

Beides dürfte nach Einschätzung von AlgorithmWatch jedoch oftmals nicht gegeben sein.

Zudem entsprächen solche Analyse-Tools, bei denen es sich zumeist um Blackbox-Systeme handele und deren Funktionsweise dem Betriebsrat daher auf Anfrage nicht erläutert werden könne, nicht den Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Autonomie und Mitsprache der Beschäftigten müssten auch dann gewährleistet sein, wenn im Rahmen des Personalmanagements algorithmische Systeme zum Einsatz kommen.

Nicht nur beim Einsatz von Zonar kommt es zu Rechtsproblemen

Nachdem bekannt geworden war, dass bei Zalando ein solches System zur Leistungsüberwachung und Mitarbeiterkontrolle eingesetzt wird, überprüft derzeit die für das Unternehmen zuständige Berliner Datenschutzbehörde, ob die Nutzung dieser Software mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist.

Neben Zonar gibt es noch andere derartige Lösungen zur Kontrolle von Beschäftigten, bei denen sich mitunter auch Mitarbeiter gegenseitig selbst beurteilen sollen.

Viele Anbieter rechtlich fragwürdiger Lösungen zur Mitarbeiterbewertung

Zu den Anbietern gehören etwa viele der großen Software- und Internetunternehmen wie etwa Amazon (Anytime Feedback Control), Microsoft (Office 365 Workplace Analytics), IBM (Watson Talent Insights) oder SAP (Success Factors People Analytics).

Angesichts der nicht ganz eindeutigen Rechtslage und der zeitgleich zunehmenden Verbreitung solcher Lösungen fordern die Forscher von AlgorithmWatch daher den Gesetzgeber auf, in diesem Bereich tätig zu werden und für die notwendige Rechtssicherheit zu sorgen.

Gesetzgeber muss Auskunftsrecht der Betriebsräte zu KI-Mitarbeiterkontrolle regeln

So muss klargestellt werden, dass die Arbeitgeber auch dann Transparenz über die verwendeten Methoden gewährleisten müssen, wenn die Hersteller der Software keine Auskunft darüber erteilen wollen. Die Hersteller sollten daher verpflichtet werden, Möglichkeiten anzubieten, um sowohl den Beschäftigten als auch Betriebsräten angemessene Auskünfte über die Funktionsweise der KI-Systeme geben zu können. Bereits in der Einführungsphase solcher Systeme müssten die Betriebsräte ihre Auskunftsrechte gegenüber den Arbeitgebern durchsetzen können.

In einem weiteren Gutachten fasste der Arbeitsrechtler Peter Wedde die Forderungen an den Gesetzgeber im Hinblick auf das KI gestützte Personalmanagement folgendermaßen zusammen:

„Um Beschäftigte vor den Möglichkeiten und insbesondere vor dem immanenten hohen Kontrollpotenzial zu schützen, das sich mit KI-Software und mit selbstlernenden Algorithmen verbindet, ist ein Ausbau bestehender Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte durch den Gesetzgeber unumgänglich.“

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Hintergrund: Datenschutz und Mitbestimmung bei Verwendung von Mitarbeiterdaten

Zu jeder Datenverarbeitung trifft den Arbeitgeber eine Dokumentation- und Informationspflicht. Er muss präzise in verständlicher Weise erklären,

  • warum, zu welchem Zweck, wie lange er die Daten verarbeitet und
  • welche Wege sie gehen.

Er muss sein Datenverarbeitungssystem gegenüber seinen Beschäftigten transparent machen und die Daten schützen, indem er sie z.B. so schnell wie es geht anonymisiert oder löscht und indem er technische Sicherheitssysteme einbaut, um die Daten vor unberechtigtem Zugriff oder unbeabsichtigtem Verlust zu schützen.

In Art. 15 DSGVO sind die Auskunftsrechte definiert, nach denen etwa Angaben zu Verarbeitungszweck, Kategorie der erhobenen Daten, Empfängern der Daten, oder geplanter Speicherungsdauer zu geben sind. Ebenso muss ein Hinweis auf das Recht zur Löschung oder Berichtigung der Daten erfolgen und auf das Beschwerderecht gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde hingewiesen werden.

Art. 17 DSGVO beschreibt die Löschungsrechte, die etwa dann bestehen, wenn die mit der Verarbeitung der Daten verfolgten Zwecke erreicht sind oder ein Widerruf der erteilten Einwilligung vorgenommen wird. 

Den Arbeitgeber trifft eine umfassende, jederzeit abrufbare Rechenschaftspflicht. Damit einher geht die Beweislast des Arbeitgebers für die Einhaltung aller Datenschutzmaßnahmen.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz gibt einem bestehenden Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Seine Zustimmung gilt nur, wenn er hinreichend informiert wurde.