
„Geschenke erhalten die Freundschaft“ - und auch die Kundenbeziehung? Oder fördern sie doch eher den Vorwurf der Korruption und Bestechung? Wie es sich beim Thema Zuwendungen oder Werbegaben zu verhalten gilt, ist nicht immer einfach zu beantworten.
Der Fall
Ein Unternehmen lädt seine Kunden zu der jährlichen Produktvorstellung ein, bei der die Vorzüge und Weiterentwicklungen der neuen Produkte vorgestellt und geschult werden. Eingeladen werden die zuständigen Einkäufer, wie es sich seit Jahren etabliert hat. Das Organisationsteam plant, am Ende der Schulung zur „Erinnerung“ an die Veranstaltung einen USB-Stick im Firmendesign im Wert von brutto 39 EUR abzugeben. Im Zuge der Vorbereitung der Einladungen stellt sich heraus, dass einer der erwarteten Gäste in diesem Jahre sein 30-jähriges Dienstjubiläum feiert. Man überlegt, ihm anlässlich der Fortbildung ein Geschenk im Brutto- Wert von 50 EUR zu überreichen.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Zuwendungen dienen doch der Kundenpflege und –bindung, insbesondere unter Marketingaspekten. Im Gegenzug wird auf eine Gegenleistung gehofft. Diese soll sich bestenfalls in konkreten Bestellungen ausdrücken. Die Weisheit, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, ist hierfür beredtes Beispiel. Und tatsächlich gibt es diverse Studien, die belegen, dass schon kleinste Gaben den Reflex auslösen, sich revanchieren zu wollen. Allerdings wird der Compliance-Verantwortliche schnell die Frage stellen, ob und wann denn diese Zuwendungen nicht bereits geeignet sind, den Kunden unethisch zu beeinflussen. Durch die vermehrten Fälle von Bestechung und Vorteilsnahme sind auch viele Mitarbeiter im Unternehmen verunsichert.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen im Wettbewerbsrecht sehen hier noch keinen rechtlichen Verstoß. Andererseits gibt das Heilmittelwerbegesetz in § 7 einen Hinweis, wo die Grenzen für solche Abgaben gesehen werden können. Dort wird erwähnt, dass anlässlich von Produktabgaben
Zuwendungen oder Werbegaben von geringem Wert […]
zulässig seien. Zu Fragen ist also, was einen „geringen“ Wert darstellt, um den Vorgaben des Gesetzes und damit auch guter Compliance zu entsprechen.
Der BGH hat in seiner auch als „Papiertaschentuch“- Fall kolportierten Entscheidung v. 6.6.2019 (I ZR 206/17, I ZR 60/18) ausgeführt, dass bereits Zuwendungen über 1 EUR diesen geringen Wert überschreiten können. Als unterstes Level für Abgaben sicher ein nützliches Werkzeug, allerdings auch sehr unrealistisch. Heute hat sich eine Betragsgröße zwischen 5 und 10 EUR etabliert. Diese findet auch allgemein Anerkennung und scheint nicht geeignet, den Kunden nachhaltig und unethisch in seinen Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Es ist daher sinnvoll, für allgemeine Abgaben ohne besonderen Anlass diese Grenze zu beachten. „Give aways“ spiegeln damit nur im Wettbewerb anerkannte soziale Gepflogenheiten wieder.
Die Falllösung
Für unseren Fall bedeutet dies, dass die Abgabe eines USB-Sticks im vorgesehenen Brutto-Wert guter Compliance-Praxis widerspricht. Ein Erinnerungsgeschenk bis zum Wert von 10 eher 5 EUR dürfte hingegen unkritisch sein. Bei der Beurteilung des Wertes kommt es auf den Marktwert an, also den Wert, den der Empfänger entrichten müsste, würde er sich das Produkt auf dem Markt beschaffen wollen. Nicht den Einkaufswert.
Geschenke zu besonderen Anlässen
Wie ist es mit dem Geschenk anlässlich des Jubiläums eines Kunden? Der wesentliche Unterschied zur bisher besprochen Fallkonstellation liegt darin, dass nicht anlässlich allgemeiner Produktvermarktung, sondern anlässlich eines in der Person des Beschenkten liegender besonderer Anlass Grund für die Abgabe ist. Als „besondere Anlässe“ sind heute all jene anerkannt, die
- personenbezogen sind, zum Beispiel runde Geburtstage, Jubiläen und
- ähnliche in der Person liegenden Ereignisse
Nicht hingegen Weihnachten, Ostern und andere regelmäßig kalendarischen Ereignisse. Diese Akzeptanz entspricht letztlich allgemeinen gesellschaftlichen Gepflogenheiten.
Anerkannte Wertgrenzen
Bleibt zu fragen, ob die im obigen Fall vorgesehene Höhe von 50 EUR unter Compliance-Aspekten vertretbar ist.
Als die Pharmaindustrie im Jahr 2003 eigene Regeln für die Zusammenarbeit mit den Fachkreisangehörigen formuliert hat, kam ihr die Ärzteschaft mit einer eigenen Interpretation der Zuwendungsregelungen entgegen. Die Ärztekammer definierte die Summe von 50 EUR als Zuwendungsgrenze bei besonderen Anlässen, bis zu der die Ärzteschaft sich nicht korrumpiert fühle. Beim Empfänger soll so ein besonderer „Dankbarkeitsfaktor“ vermieden werden, weil er weiß, dass in allen vergleichbaren Fällen diese Grenze immer eingehalten wird. Ein Reflex, sich im Gegenzug besonders dankbar zeigen zu müssen, ist so nicht gegeben.
Auch diese Grenze hat in der deutschen Compliance- Praxis allgemeine Anerkennung gefunden, wenn auch Staatsanwaltschaften teilweise die rechtlich „sichere“ Grenze für solche Zuwendungen bei besonderen Anlässen eher bei EUR 35 sehen und damit in die Nähe der Regelungen für die steuerliche Behandlung von Geschenken rücken.
Die bereits erwähnten Pharma-Unternehmen, die sich eigenen Verbandsregelungen unterworfen haben, haben diese Thematik für sich so entschieden, dass keinerlei Abgaben mehr an fachkreisangehörige Kunden erlaubt sind. Dies entspricht vielleicht nicht den in unserem Land praktizieren, sozialen Gepflogenheiten, bringt die Unternehmen unter Compliance- Aspekten aber auf die ganz sichere Seite.