Zulässiger Informationsaustausch

Orientierungshilfe für die kartellrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit eines Informationsaustausches mit Wettbewerbern.

Zulässiger Informationsaustausch

Grundsätzlich zulässig ist der Austausch mit Wettbewerbern über:

  • Informationen, deren Weitergabe gesetzlich gefordert ist.
  • Meinungen und Erfahrungen, die nicht vertraulich, sensibel oder strategisch bedeutsam sind.
  • sog. nicht identifizierende Marktinformationssysteme: Damit wird der Austausch zwischen Wettbewerbern über marktrelevante Daten über eine neutrale Stelle (z.B. über einen Verband) in aggregierter und anonymisierter Form bezeichnet, welcher mangels Offenlegung der teilnehmenden Unternehmen und ihrer Kennzahlen keine Rückschlüsse auf das Marktverhalten einzelner Unternehmen ermöglicht. Über nicht identifizierende Marktinformationssysteme können zulässigerweise z.B. allgemeine Konjunktur-Daten, Benchmarking-Daten oder branchenspezifische Marktstatistiken ausgetauscht werden.

Fallbeispiel: Die sechs größten Hersteller einer Branche melden ihre monatlichen Umsatzzahlen an einen gemeinsamen Verband. Der Verband fasst diese gemeldeten Umsatzzahlen in einem Bericht zu Gesamtzahlen zusammen und stellt diesen Bericht diesen sechs Herstellern zur Verfügung. Da (und sofern) keiner der Hersteller aus den Gesamtzahlen die individuellen Umsatzzahlen eines konkurrierenden Herstellers erkennen kann, ist dieser Informationsaustausch als nicht identifizierendes Marktinformationssystem kartellrechtlich zulässig.

Praxishinweis: Die kartellrechtliche Zulässigkeit von Marktinformationssystemen muss stets im Einzelfall geprüft werden.

Wichtig: Dies setzt jedoch stets voraus, dass diese Informationen nicht zu detailliert nach Erzeugnissen und Gebieten gegliedert sind und damit keinerlei Rückschlüsse auf das spezifische Verhalten einzelner Unternehmen in einzelnen Märkten sachlich nach Produkten bzw. räumlich nach Regionen ermöglichen. Ferner sollten aggregierte Daten nicht weniger als fünf unabhängige Unternehmen betreffen. Darüber hinaus ist besondere Vorsicht geboten sofern ausgetauschte Informationen Märkte mit oligopolistischen Strukturen oder Märkte für homogene Massengüter betreffen sowie Konstellationen, in denen die Marktinformationen in Verbindung mit weiteren Informationen, z.B. Statistiken, kombiniert werden können und dadurch die Markttransparenz steigern.

  • Informationen über Wettbewerber, die über Nicht-Wettbewerber (z.B. Kunden, Lieferanten oder Verbände) bezogen werden. Davon ausgenommen ist jedoch der kartellrechtlich verbotene Informationsaustausch „über die Bande“: Darunter versteht man Konstellationen, in denen Wettbewerber geheime, marktrelevante Informationen gezielt und indirekt unter systematischer Ausnutzung von Nicht-Wettbewerbern austauschen.

Fallbeispiel: Händler A möchte mit seinem größten Konkurrenten, dem Händler B, vereinbaren, dass beide ihre Produkte künftig nicht unter einem bestimmten Mindestpreis verkaufen. Händler A ruft daher bei dem Lieferanten L an, der sowohl den Händler A als auch den Händler B beliefert. Händler A verlangt von dem Lieferanten L, den Händler B dazu zu bewegen, künftig den von Händler A vorgeschlagenen Mindestpreis einzuhalten. Ein derartiger Informationsaustausch „über die Bande“ wäre kartellrechtlich unzulässig.

  • historische Geschäftsinformationen, vorausgesetzt, sie lassen keinen Rückschluss auf das spezifische Verhalten einzelner Unternehmen in einzelnen Märkten sachlich nach Produkten bzw. räumlich nach Regionen zu und/oder werden nicht zur Überwachung eines Kartells genutzt.

Beispiel: Historische Umsatzzahlen

Praxishinweis: Die Einstufung als „historisch“ ist stets im Einzelfall durch Prüfung der konkreten Marktgegebenheiten zu beurteilen (Orientierungshilfe: Je nach Markt, Informationen, die älter als drei Monate bis älter als zwei Jahre sind).

  • öffentlich zugängliche Informationen.

Beispiel: Branchenstatistiken

Unzulässiger Informationsaustausch

Kartellrechtlich verboten ist der Austausch von Informationen bzw. sind Absprachen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen mit Wettbewerbern in Bezug auf:

  • Preise, Konditionen oder andere Informationen, die als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis einzustufen sind.

Beispiele: Höchst- und Mindestpreise, Rabatte, Zeitpunkt und Ausmaß von Preisänderungen oder Zahlungsbedingungen

Fallbeispiel: Mehrere Wettbewerber vereinbaren ihre Produkte nicht unterhalb eines bestimmten Mindestpreises auf dem Markt zu verkaufen.

  • die Aufteilung von Märkten nach Produkten, Absatzgebieten, Kundengruppen, Lieferanten, Quoten oder in sonstiger Weise.

Fallbeispiel: Wettbewerber A und B teilen den Absatzmarkt Deutschland auf: Danach soll A sich künftig auf die Belieferung von Kunden im Absatzgebiet Norddeutschland beschränken, während B künftig ausschließlich Kunden im Absatzgebiet Süddeutschland beliefern soll und keiner Lieferungen in das Absatzgebiet des jeweils anderen tätigen soll.

  • Kapazitätsvereinbarungen.

Beispiele: Abstimmungen über Produktions- und/oder Verkaufsvolumina

  • Verhaltenskoordinationen gegenüber Dritten.

 Beispiel: Boykottaufrufe

  • laufende Ausschreibungsverfahren
  • sog. identifizierende Marktinformationssysteme: Darunter wird der Austausch über marktrelevante Daten gefasst, bei denen die teilnehmenden Unternehmen und Kennzahlen offengelegt werden, wodurch Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Unternehmen in einzelnen Märkten sachlich nach Produkten bzw. räumlich nach Regionen ermöglicht werden. Ein solcher Informationsaustausch kann insbesondere dann kartellrechtlich kritisch sein, wenn sich nur wenige Unternehmen daran beteiligen.

Fallbeispiel: Im Rahmen eines Marktinformationssystems nehmen nur zwei Hersteller einer Branche an einem Informationsaustausch teil, bei dem sie ihre monatlichen Umsatzzahlen an einen Verband melden. Der Verband fasst die gemeldeten monatlichen Umsatzzahlen in einem Bericht zu Gesamtzahlen zusammen und stellt den Bericht anschließend diesen zwei Herstellern zur Verfügung. Da in diesem Fall jeder der beiden Hersteller durch Abzug seiner eigenen Umsätze die Umsatzzahlen des anderen Herstellers berechnen könnte, wäre ein solcher Informationsaustausch identifizierend und daher kartellrechtlich bedenklich.​​​​​​​

Bereits eine einseitige Offenlegung von wettbewerblich unzulässigen Informationen kann einen Kartellverstoß begründen

Zu beachten ist zudem, dass es für die kartellrechtliche Einstufung als unzulässig weder zu einem mehrfachen noch wechselseitigen Informationsaustausch kommen muss. Bereits ein einmaliger, einseitiger Austausch von sensiblen, unternehmensinternen Informationen kann kartellrechtlich verboten sein. Mit dem Informationsaustausch müssen auch keine (weiteren) Absprachen verbunden sein. Unerheblich ist darüber hinaus, ob der Austausch nur zufällig (z.B. in privatem Rahmen) und nicht systematisch erfolgt.

Fallbeispiel: Zwei Vertriebsmitarbeiter der konkurrierenden Unternehmen A und B begegnen sich zufällig in privatem Rahmen. Der Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens A teilt dem Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens B mit, dass Unternehmen A auf Grund gestiegener Produktionskosten seine Verkaufspreise zu Beginn des nächsten Geschäftsjahres um fünf Prozent erhöhen wird. Bereits diese einseitige Offenlegung kann gegen Kartellrecht verstoßen.

Zusammenfassung: Orientierungshilfe für die kartellrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit eines Informationsaustausches mit Wettbewerbern

Bei der Beurteilung der kartellrechtlichen Zulässigkeit eines Informationsaustausches mit Wettbewerbern kann als Zusammenfassung der vorgenannten Grundsätze die Beantwortung folgender Fragen als Orientierungshilfe dienen:

  • Werden sensible, unternehmensinterne Informationen (z.B. zu Preisen) ausgetauscht, die als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse einzustufen sind oder handelt es sich um nicht sensible Informationen (z.B. Meinungen und/oder Erfahrungen)?
  • Sind die ausgetauschten Informationen geheimer, vertraulicher Natur oder allgemein bekannt und/oder öffentlich zugänglich?
  • Handelt es sich um aktuelle oder um historische Geschäftsinformationen?