Anwalt Rehm gibt Auskunft: Fragen nach Schwangerschaft zulässig?

Darf der zukünftige Chef eine Bewerberin auch fragen, ob sie schwanger ist? Und darf diese die Unwahrheit sagen? Was, wenn der Schwindel auffliegt? Rechtsanwalt Rehm gibt Auskunft.

Ein Vorstellungsgespräch ist eine aufregende Sache. Es hängt viel davon ab. Bedenkenlos antwortet man dabei auf Fragen nach der Ausbildung, der beruflichen Erfahrung und den eigenen Kompetenzen. Aber Bewerber müssen nicht auf alles antworten. Und Arbeitgeber dürfen nicht alles fragen.

Herr Rehm, darf der Arbeitgeber in einem Vorstellungsgespräch fragen, ob die Bewerberin schwanger ist?

Die Erkundigung nach einer Schwangerschaft ist grundsätzlich eine unzulässige Frage. Doch viele Arbeitnehmerinnen haben eine ähnliche Situation schon einmal erlebt: Während eines Vorstellungsgesprächs stellt der potentielle Arbeitgeber plötzlich unangenehme Fragen, z. B. nach einer bestehenden Schwangerschaft.

Wie reagiert eine Bewerberin am besten auf die Frage nach der Schwangerschaft?

Bei unangenehmen Fragen befindet sich die Bewerberin in einer schwierigen Lage. Zum einen können die Chancen auf den erwünschten Arbeitsvertrag stark sinken, wenn sie nicht antwortet, zum anderen möchte man ja nicht jegliche privaten Angelegenheiten über sich preisgeben.

Sollte der potentielle Arbeitgeber also fragen, ob die Bewerberin schwanger ist, muss sie nicht die Wahrheit sagen. Sie kann eine bestehende Schwangerschaft verschweigen. Denn bei unzulässigen Fragen ist die Bewerberin nicht verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten. Sie darf in diesem Fall sogar von dem ihr durch das Bundesarbeitsgericht zugebilligten „Recht zur Lüge“ Gebrauch machen.

Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag im Nachhinein nicht wegen einer arglistigen Täuschung im Bewerbungsgespräch anfechten.

Welche rechtlichen Grundlagen stärken die Bewerberin?

Es gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. § 1 AGG setzt u. a. fest, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen ist.

Mit der Frage im Vorstellungsgespräch nach einer Schwangerschaft – die naturgemäß nur Frauen gestellt wird – ist die Frau gegenüber einem männlichen Bewerber benachteiligt. Da ihm die Frage nicht gestellt wird, können ihm auch keine negativen Folgen aus einer unterlassenen oder wahrheitsgemäßen Beantwortung entstehen. Die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs verstößt daher gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 I AGG und ist deshalb unzulässig.

Aber gibt es nicht Ausnahmen, wie etwa ein Beschäftigungsverbot, die diese Frage zulässt?

Nein. Früher wurde die Meinung vertreten, eine Frage nach der Schwangerschaft sei ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Beschäftigung einer schwangeren Frau von vorneherein wegen eines Beschäftigungsverbots unzulässig sei. Doch bereits 2003 hat das Bundesarbeitsgericht ein Urteil gegen diese Ausnahmeregelung ausgesprochen (2 AZR 621/01).

Das höchstrichterliche Urteil wurde damals damit begründet, dass, selbst bei Bestehen eines sofortigen Beschäftigungsverbotes, dieses nur vorübergehender Natur sei und daher nicht zu einer dauerhaften Störung des Vertragsverhältnisses führe. Dem Arbeitgeber sei es deshalb zumutbar, auf die Arbeitnehmerin zu warten.

Und wie sieht es bei einer Bewerbung auf eine befristete Stelle aus?

Auch wenn es um die Einstellung im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses geht, z. B. einer Schwangerschaftsvertretung, ist die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft unzulässig.

Die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin unter Umständen während eines wesentlichen Teils der Vertragslaufzeit nicht arbeiten kann, ist nicht von Belang. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln mit dem Urteil (Az.: 6 Sa 641/12 vom 11.10.2012) in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bestätigt (Az.: C 109/00 vom 04.10.01).

Herr Rehm, wie schätzen Sie persönlich diese Gesetzeslage eine?

Ich begrüße Gesetzeslage und Rechtsprechung. Sie stellen einen guten Schritt in Richtung Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und eine wichtige Sicherheit für jede Bewerberin dar. Außerdem profitieren ja beide Seiten: Die Arbeitnehmerin kann nach Beendigung der Mutterschutzfristen wieder arbeiten und der Arbeitgeber ist während der Abwesenheit seiner Angestellten nicht mit Lohnfortzahlungskosten belastet.

Vielen Dank, Herr Rehm, für Ihre Antworten.

Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin.

Die Kanzlei "talanwälte" besteht aus der Rehm & Siriu Rechtsanwaltssozietät und selbständigen Rechtsanwälten, die in Bürogemeinschaft tätig sind. Sie vertritt mittelständische Unternehmen, Kleinunternehmer und Privatpersonen aus allen Bereichen der Gesellschaft und aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Tätigkeitsfelder sind Strafrecht, Umweltrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Verkehrsrecht.