Zusammenfassung

 
Überblick

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neugestaltung des Rechts der Vermögensabschöpfung am 1.7.2017 ist es für Behörden einfacher, Vermögenswerte vorläufig sicherzustellen oder einzuziehen. Durch das Gesetz wurde die EU-Richtlinie 2014/24/EU in deutsches Recht umgesetzt und die strafrechtliche Vermögensabschöpfung vollständig neugestaltet. Durch die neue Rechtslage ergeben sich für viele Unternehmen neue finanzielle Risiken, die in vielen Fällen für Unternehmer existenzgefährdend sein können. Dadurch gewinnen Compliance und die Compliance-Organisation zusätzlich an Bedeutung.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

1 Vermögensabschöpfung: Definition und neue Begrifflichkeiten

"Verbrechen dürfen sich nicht lohnen! "– ein Grundsatz, der durch die Reform des Vermögensabschöpfungsrechts 2017 gefestigt wurde. Das Vermögensabschöpfungsrecht wurde grundlegend reformiert, um illegale Vermögenswerte leichter einziehen und Opfern schneller zu ihrem Recht verhelfen zu können. Unter Vermögensabschöpfung versteht man die Einziehung des Gewinns, der durch Straftaten erzielt worden ist.[1] Mit der Einführung des Gesetzes wurde die Terminologie im Vermögensabschöpfungsrecht angepasst. Nach alter Rechtslage wurde in den strafrechtlichen Vorschriften zwischen "Einziehung" und "Verfall" unterschieden.

  • Verfall war die Abschöpfung dessen, was ein Straftäter aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat.
  • Einziehung hingegen bezog sich auf Tatwerkzeuge und die durch die Tat hervorgebrachten Gegenstände.

Mit der Reform gibt der Gesetzgeber die Unterschiede auf und schafft das einheitliche Rechtsinstitut der "Einziehung". Daneben wurden insbesondere Neuregelungen für eine effektive Vermögensabschöpfung eingeführt. Für Behörden ist dadurch die Vermögensabschöpfung einfacher geworden, ohne dabei die Rechte der Betroffenen zu verletzen. Doch die Neuregelungen sollen nicht nur die Vermögensabschöpfung erleichtern, sondern in erster Linie die Kriminalitätsrate senken und Opfer schützen. Hier die wesentlichen Neuerungen im Überblick:

Erweiterte Einziehung: Definition

Die Vorschrift zur "erweiterten Einziehung" wurde durch die Reform sachlich erweitert.[2] Bisher war die erweiterte Einziehung nur auf die sog. "Katalogstraftaten" beschränkt, zu denen insbesondere Bandendelikte und die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen zählen. Die neue Vorschrift gilt ohne Einschränkung für alle rechtswidrigen Taten, solange das Gericht von der deliktischen Herkunft des Vermögensgegenstandes überzeugt ist.

Selbstständige Einziehung: Definition

Das Gericht kann die Einziehung des Taterlangten nun selbstständig anordnen, wenn das subjektive Verfahren gegen den Täter aufgrund von Verfolgungs- oder Verurteilungshindernissen nicht durchgeführt werden kann. Die Einziehung ist auch dann möglich, wenn die Straftat bereits verjährt ist.

Einziehung bei Drittbegünstigten

Die Einziehung kann auch bei "Anderen" erfolgen. Unter den Begriff "Andere" fallen all diejenigen, die durch die Tat bereichert wurden, jedoch weder Täter noch Teilnehmer sind. Im Strafgesetzbuch werden 3 Fallkonstellationen geregelt:

  • Vertretungsfall (§ 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB): Bei dem "Vertretungsfall" erhält der Dritte durch die Handlung des Täters einen Vorteil. Die Einführung des Vertretungsfalles stellt für viele Unternehmen ein neues Risiko dar, da die meisten Straftaten innerhalb eines Unternehmens dieses auch als Dritten begünstigen. Durch die Neuregelung kann die Abschöpfung nunmehr auch beim Unternehmen erfolgen.
  • Verschiebungsfall (§ 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB): In diesem Fall "verschiebt" der Täter das zunächst für sich selbst Erlangte auf einen Dritten. Die Verschiebung kann dabei auf 3 Arten erfolgen: unentgeltlich (durch eine Schenkung), ohne Rechtsgrund (Verkauf an einen Hehler) oder entgeltlich (Kaufvertrag mit einem Dritten).
  • Erbfall (§ 73b Abs. 1 Nr. 3 StGB): Als letzte Möglichkeit besteht der "Erbfall". Der Tatertrag wird nach dem Tod des Täters an einen Dritten vererbt.

Stärkung der Opferentschädigung

Geschädigte müssen Ansprüche gegen Täter nicht mehr zwingend zivilrechtlich geltend machen und einen Vollstreckungstitel erwirken. Sind Vermögensgegenstände aus einer Tat noch vorhanden, werden diese eingezogen und nach Rechtskraft des Urteils an die Tatgeschädigten zurückübertragen. Kann das originär Erlangte wegen seiner Beschaffenheit oder aus anderen Gründen nicht mehr eingezogen werden, wird der Wert des Erlangten eingezogen. Die Regelung der Wertersatzeinziehung hat für die Praxis eine große Bedeutung, da in vielen Fällen das ursprünglich Erlangte bereits nicht mehr auffindbar ist.

2 Wie geht das Gericht bei der Bemessung der Vermögensabschöpfung vor?

2.1 Bestimmung des erlangten Vermögensvorteils nach dem "Bruttoprinzip"

Die Bemessung der Vermögensabschöpfung erfolgt nach dem sog. "Bruttoprinzip". Der Gesetzgeber hat das Bruttoprinzip bereits 1992 eingeführt und durch die Reform präzisiert. Die Konkretisierung ist von großer Bedeutung, da das Bruttoprinzip in der Vergangenheit vor allem innerhalb der Rechtsprechung umstritten war. Das Bruttoprinzip besagt, dass sämtliche Vermögenswerte abgeschöpft wer...

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