Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, den bei ihr als Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieur) beschäftigten Kläger organisatorisch nicht mehr unmittelbar an die Geschäftsleitung, sondern an die Abteilungsleitung eines Fachbereichs (Umwelt/Qualitätsmanagement) anzubinden.

Der Kläger steht seit dem 1.1.1986 als vollzeitbeschäftigter Sicherheitsingenieur in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Die beklagten Stadtwerke waren bis 1999/2000 Eigenbetrieb. Der Kläger unterstand unmittelbar dem "ersten und kaufmännischen Werkleiter" Prof. Dr. Ing. Z (Organisationsplan Bl. 207 d. A.). Mit einer als Versetzung bezeichneten Erklärung vom 29.6.2001 (Bl. 52 d. A.) wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung dem Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) zugeordnet. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Maßnahme zugestimmt. Im Zustimmungsantrag beschrieb die Beklagte die Maßnahme wie folgt:

"Die Aufgaben der Arbeitssicherheit und des Qualitätsmanagements sollen ab sofort gebündelt werden, damit künftig ein umfassendes Leistungspaket zur Verfügung steht. Es ist daher sinnvoll, die Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch/disziplinarisch an den Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) anzubinden und die bisher SI zugeordnete Schreibkraft personell in QM zu integrieren."

Weiter heißt es in dem Antrag:

"Die fachliche Zuordnung der FASi an die Geschäftsführungen der einzelnen Gesellschaften des S-Konzerns sowie das direkte Vortragsrecht der FASi vor den Geschäftsführungen bleibt unverändert bestehen."

Organisatorisch ist der Kläger nicht mehr der Geschäftsführung, sondern dem Leiter der Abteilung Umwelt/QM zugeordnet. In den Organigrammen vom Juni 2001 und zuletzt vom Januar 2003 ist angemerkt "fachliche Zuordnung (Vortragsrecht) an GF".

Mit Schreiben vom 18.7.2001 und 14.10.2001 hat der Kläger gegen diese Maßnahme protestiert und am 15.3.2002 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Versetzung in den Fachbereich Qualitätsmanagement verstoße gegen die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 2 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), die eine unmittelbare Unterstellung unter die Geschäftsleitung – auch organisatorisch und disziplinarisch – vorsehe. In der Unterordnung unter den für Umwelt und Qualitätsmanagement zuständigen Leiter bestehe außerdem die Gefahr einer Abhängigkeit der Belange der Arbeitssicherheit vom Qualitätsmanagement. Demgegenüber hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, die Vorschrift des § 8 ASiG beziehe sich nicht auf Organisationsfragen, sondern auf die fachliche Weisungsunabhängigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Diese sei nach wie vor gegeben. Die materielle Weisungsfreiheit sei von der formellen organisatorischen Anbindung zu unterscheiden. Sie verfolge mit der organisatorischen Anbindung des Sicherheitsingenieurs an die Abteilung QM sachliche Gründe, um den betrieblichen Ablauf zu verbessern und zu beschleunigen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, den Kläger als Fachkraft für Arbeitssicherheit organisatorisch an den Fachbereich Qualitätsmanagement (QM) anzubinden und hat ihn im Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar unter der Geschäftsleitung zu beschäftigen.

I. Nach § 8 Abs. 2 ASiG unterstehen Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit unmittelbar dem Leiter des Betriebes. Wortlaut, Gesetzessystematik und Normzweck sprechen dafür, dass die Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht nur hinsichtlich ihrer sicherheitstechnischen Fachkunde inhaltlich weisungsfrei (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ASiG), sondern auch in der hierarchischen Organisation unmittelbar dem Leiter des Betriebes unterstellt sein soll. Leiter des Betriebes der beklagten GmbH mit ihren ca. 270 Arbeitnehmern ist die Geschäftsleitung und nicht der unter ihr angesiedelte Abteilungsleiter Umwelt/Qualitätsmanagement.

Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 ASiG fordert die unmittelbare Unterstellung unter den Leiter des Betriebs. Die Gesetzesmaterialien und die Systematik des Gesetzes deuten darauf hin, dass es hier um die Einordnung in die betriebliche Hierarchie, also um die organisatorische Anbindung geht, die selbstständig neben den Regelungskomplexen der fachlichen Weisungsfreiheit in sicherheitstechnischen Fragen (§ 8 Abs. 1 ASiG) und dem Vorschlagsrecht unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber bei Meinungsverschiedenheiten im Sinne des § 8 Abs. 3 ASiG steht. Im Regierungsentwurf zum Arbeitssicherheitsgesetz vom 26.2.1973 (BT-Drucksache 7/260, Seite 6) war in den Absätzen 1 und 2 zu § 8 zunächst lediglich die Weisungsfreiheit und das Vorschlagsrecht vorgesehen. Erst auf Anregung des Ausschusses für Arbeit und der Sozialordnung vom 11.10.1973 (BT-Drucksache 7/1085, Seite 6) wurde als weitere Bestimmung in § 8 das Unterstellungsverhältnis geregelt, und zwar die unmittelbare Unterstellung unter die Leitung des Betriebes. Der Ausschuss hat dies da...

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