Ein Disziplinarverfahren muss (!) eingeleitet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (§ 8 Abs. 1 LDG BW). Der Verdacht eines Dienstvergehens muss aber hinreichend konkret sein; bloße Vermutungen reichen nicht aus.

In aller Regel sind daher zunächst "Verwaltungsermittlungen" anzustellen, um zu klären, ob tatsächliche Anhaltspunkte für ein bestimmtes Dienstvergehen durch einen bestimmten Beamten vorliegen. Diese Vorermittlungen können vom späteren Ermittlungsführer durchgeführt werden – häufig werden sie aber zunächst vom Vorgesetzten des verdachtsbetroffenen Beamten "auf eigene Faust" vorgenommen. Dabei ist zu beachten, dass dem betroffenen Beamten bereits jetzt (also noch vor Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens) das Recht zusteht, in einer solchen Anhörung zu den Vorwürfen zu schweigen – und dass er über dieses Recht vorab belehrt werden muss (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 3 LDG BW). Wurde der Beamte nicht (oder nicht ordnungsgemäß) belehrt (vgl. zum Inhalt der Belehrung § 11 Abs. 1 LDG BW) und macht er später, bei seiner ersten Anhörung im eröffneten Verfahren, von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf seine frühere Aussage nicht gegen seinen Willen verwertet werden (§ 11 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LDG BW).[51]

Ergeben die genannten Vorermittlungen, dass tatsächlich Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen vorliegen, muss das Disziplinarverfahren. eingeleitet werden (§ 8 Abs. 1 LDG BW). Ausnahmen von diesem "Legalitätsgrundsatz" finden sich in § 8 Abs. 2 LDG BW. Danach wird das Verfahren nicht eingeleitet,

  • wenn zu erwarten ist, dass eine Disziplinarmaßnahme nach § 34 LDG BW nicht ausgesprochen werden darf (§ 34 LDG betrifft den Fall, dass der Beamte wegen desselben Sachverhalts bereits mit einer Kriminalstrafe, einer Geldbuße oder einer Ordnungsmaßnahme belegt wurde).
  • oder wenn feststeht, dass eine Disziplinarmaßnahme aus sonstigen Gründen nicht in Betracht kommt. Aus "sonstigen Gründen" unterbleibt die Einleitung, wenn ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 35 LDG BW eingetreten ist oder wenn das Dienstvergehen so leichtgewichtig ist, dass keine förmliche Disziplinarmaßnahme in Betracht kommt, sondern allenfalls eine mündliche oder schriftliche Missbilligung ("Opportunitätsprinzip")
  • oder wenn gegen einen Beamten auf Probe oder auf Widerruf Ermittlungen eingeleitet wurden mit den Ziel, ihn nach § 13 Abs. 3 LBG BW zu entlassen.

Im Einzelnen:

[51] Vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 6.8.2009, 2 B 45/09: "Der Beamte ist auch dann (…) zu belehren, wenn er wegen eines gegen ihn gerichteten konkreten Tatverdachts vernommen wird, bevor das gesetzlich geordnete Disziplinarverfahren eingeleitet wird (…). Der Beamte kann die Verwertung von Beweismitteln, die unter Verstoß gegen die gesetzliche Belehrungspflicht zustande gekommen sind, nur verhindern, wenn er der Verwertung spätestens in der mündlichen Verhandlung, in der sie erstmals eingeführt werden, widerspricht."

3.3.1 Keine Einleitung wegen § 34 LDG BW (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 LDG)

Wurde gegen den Beamten in einem Straf- oder Bußgeldverfahren eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme unanfechtbar verhängt, darf wegen desselben Sachverhalts gegen den Beamten kein Verweis mehr ausgesprochen werden Das gleiche gilt für eine Tat nach § 153 a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 StPO, die nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann. Dagegen können die anderen Disziplinarmaßnahmen (Geldbuße, Kürzung der Bezüge oder eine Kürzung des Ruhegehalts) durchaus auch neben einer Kriminalstrafe ausgesprochen werden – allerdings nur, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten, sog. disziplinarischer Überhang. Dies verstößt nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung des Art. 103 Abs. 3 GG (ne bis in idem), weil Kriminalstrafe und Disziplinarverfügung unterschiedliche Zwecke verfolgen: Erstere dient der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, letztere soll den Beamten dagegen zur künftig wieder ordnungsgemäßen Dienstpflichterfüllung mahnen. Kann ein disziplinarischer Überhang nicht festgestellt werden, ist ein ggf. bereits eingeleitetes Disziplinarverfahren wieder einzustellen (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 LDG BW).

Ist das Straf- oder Bußgeldverfahren rechtskräftig abgeschlossen, ist die Disziplinarbehörde an die tatsächlichen Feststellungen des entsprechenden Urteils[52] gebunden, soweit es im Disziplinarverfahren um denselben Sachverhalt geht (§ 14 Abs. 1 LDG BW). Eine Beweisaufnahme findet im Disziplinarverfahren zu diesen Umständen also nicht mehr statt.

Die in einem anderen gesetzlich geregelten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen können der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne weitere Prüfung zu Grunde gelegt werden (§ 14 Abs. 2 LDG BW). Zu beachten ist aber hierbei, dass der betroffene Beamte im Disziplinarverfahren stets selbst bestimmte Beweiserhebungen beantragen kann (§ 15 Abs. 3 LDG BW). Unter § 15 Abs. 2 LDG fallen insbesondere Strafbefehle. Sie werden nämlich von der Bindungswirkung...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Compliance Office Online. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge