Compliance bezeichnet (grob definiert) als "Gesetzestreue" eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dessen Existenz und steigende Bedeutung belegen jedoch das Gegenteil. Unwissenheit, Unachtsamkeit und stetig steigender Wettbewerbsdruck bringen Fach- und Führungskräfte immer wieder dazu, Recht und Gesetz zu verletzen. Dies belegt leider zu eindrücklich eine stetig steigende Zahl an Urteilen und Beschlüssen, die Unternehmen zu Bußgeldern, Strafzahlungen oder Schadenersatz verpflichtet, sie von Vergabeverfahren ausschließen oder ausgesprochene Kündigungen bestätigen. Die Dunkelziffer dürfte dabei, wie so oft, noch viel höher sein. Um dieser Tendenz zu begegnen, erstellt und verbessert Compliance Mechanismen, die es Beschäftigten des eigenen Unternehmens sowie Geschäftspartnern ermöglichen, sich besser an rechtliche oder innerbetriebliche Vorgaben zu halten. In diesem Bestreben durchläuft auch Compliance eine Entwicklung. Neben systemischen Verbesserungen wird Compliance vor allem durch Recht und Ethik beeinflusst.

Recht und Ethik sind verschmolzen, sodass auch Compliance neben "Recht und Gesetz" (1. Faktor) stets vom "Normensystem der Moral" (2. Faktor) beeinflusst wurde und wird. Lassen Sie uns etwas näher darauf eingehen.

2.1 Recht und Gesetz als Institution

In Compliance 1.0 wurde "Compliance" noch nicht so genannt, spiegelte jedoch das (erwartete) gute berufliche Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters[1] bzw. ordentlichen Geschäftsmannes[2] wider. In Compliance 1.0 hatte der extrinsische 1. Faktor der Ge- und Verbote als greifbareres Faktum einen spürbar höheren Stellenwert als der intrinsische 2. Faktor. Dies ging soweit, dass z. B. der Ökonom Albert Carr 1968 das temporäre Nichtbeachten von Moral in der Wirtschaft als anerkannten Teil der (Spiel-)Regeln der Wirtschaft ausdrückte. Dies sei verdeutlicht an 2 Beispielen: Jeder Geschäftsmann zahlt pünktlich die relevanten Steuern des Unternehmens, versucht jedoch (u. U.) zuvor alles rechtlich auch nur im Entferntesten mögliche umzusetzen, um diese Steuerlast zu senken. Ein anderer hält den Markteintritt eines moderneren Geräts längere Zeit zurück, da die Verkaufszahlen des aktuellen Geräts gleicher Funktion noch ausreichend hoch sind. Sie können entsprechendes Verhalten einerseits aus Sicht der Gemeinschaft und des Sozialstaates als verwerflich ansehen. Sie können es andererseits aus wirtschaftlicher Sicht gerade von einer Geschäftsleitung verlangen, um zum Wohlergehen des einzelnen Unternehmens beizutragen.

2.2 Compliance-Werte

Als trotz des Ansatzes zu Compliance 1.0 immer mehr Schadenersatz und Imageschaden auslösende Urteile und Beschlüsse gegen Unternehmen ergingen, begann die Suche nach Fehlern und Lösungen. Mit Compliance 2.0 wurde die (vermeintliche) Schwäche der extrinsischen Motivation durch Recht, Gesetz und interne Regeln (1. Faktor) erkannt. Als Konsequenz gewann der Wert der intrinsischen Motivation in Form der Werte und Compliance-Kultur (2. Faktor) nachhaltig an Gewicht in der Compliance-Tätigkeit. Fortan forcierten Compliance-Manager, Entscheidungsträger und externe Berater das wertebasierte Compliance. Sie wirkten dabei auf die Bedeutung ein, die Beschäftigte des jeweiligen Unternehmens dem Beachten von Recht, Gesetz, interner Regeln und moralischer Normen beimessen. Danach spiegelt die Compliance-Kultur eines Unternehmens wider, inwiefern die eigenen Beschäftigten das Befolgen entsprechender rechtlich verbindlicher oder moralisch erwarteter Ge- und Verbote akzeptieren, leben und somit (bewusst oder unbewusst) in einem sich ggf. stetig wiederholenden Kreislauf stärken.

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