Hinweisgeberschutzgesetz - Umsetzung der EU-Whistleblower-RL

Die EU-Whistleblower-Richtlinie hätte bis 17.12.2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Der Bundestag hatte eine erste Fassung am 16.12.2022 beschlossen, zu der allerdings am 10.2.2023 der Bundesrat seine Zustimmung verweigerte.

Vermittlungsausschuss einigt sich auf Kompromiss

Eine überarbeitete Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) wurde am 17.03.23 nochmals im Bundestag behandelt. Nachdem aber auch mit dieser überarbeiteten Fassung eine Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde dieser Entwurf nicht weiterverfolgt, sondern der Vermittlungsausschuss angerufen.

Die Vertreterinnen und Vertreter von Bundestag und Bundesrat haben sich nun am 9. Mai 2023 im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt. Der Kompromiss enthält insbesondere Änderungen zu den Meldewegen für anonyme Hinweise, zu Bußgeldern und zum Anwendungsbereich des Gesetzes.

Danach wurde das Gesetzgebungsverfahren sehr schnell abgeschlossen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag, dem 11.05.23 das Hinweisgeberschutzgesetz mit den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses; der Bundesrat stimmte am Freitag, dem 12.05.23 dem Gesetzesentwurf zu.

Mit der Zustimmung des Bundesrates ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Das Gesetz wurde am 02. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es wird einen Monat nach der Verkündung in Kraft treten – also am 02. Juli 2023.

Zu den Inhalten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG):

HinSchG: Die wesentlichen Inhalte der neuen Regelungen

Das verabschiedete HinSchG ruht auf dem im Dezember vom Bundestag beschlossenen Gesetzesentwurf (BT-Drs. 20/4909), in dem noch (wenige) Änderungen durch den Vermittlungsausschuss vorgenommen wurden.

Welche Änderungen hat der Vermittlungsausschuss vorgenommen:

Im Vermittlungsausschuss wurden insbesondere folgende Anpassungen des Gesetzesentwurfs vorgenommen:

Beschränkung auf beruflichen Kontext:
Informationen über Verstöße sollen nach dem Kompromiss nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.

Kompromiss zu anonymen Meldungen:
Der Vermittlungsausschuss schlug vor, auf eine Pflicht, die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglichen, zu verzichten. Dies gilt sowohl für interne als auch für externe Meldestellen. Es wird durch das HinSchG den Unternehmen lediglich vorgegeben, dass die Meldestellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollen. Ferner wurde eine Formulierung aufgenommen, dass die hinweisgebenden Personen in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen sollen.

Niedrigere Bußgelder, Übergangsfrist von sechs Monaten für Bußgeldandrohung:
Bei den bislang vorgesehen Bußgeldern bei Verstößen gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle wurde die maximale Höhe der angedrohten Bußgelder von bisher 100.000 Euro auf 50.000 Euro gesenkt. Darüber hinaus wird diese Bußgeldandrohung erst sechs Monate nach Veröffentlichung des HinSchG in Kraft treten.

Ziel des HinSchG: Schutz der hinweisgebenden Person, Beweislastumkehr für Arbeitgeber

Mit diesem Hinweisgeberschutzgesetz soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut und die EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in nationales Recht umgesetzt werden. Der Schutz hinweisgebender Personen und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen soll gestärkt und es soll sichergestellt werden, dass ihnen im Rahmen der Vorgaben dieses Gesetzes keine Benachteiligungen drohen.

Bislang existierte in Deutschland kein umfassendes, einheitliches Hinweisgeberschutzsystem. Hinweisgebende Personen (Whistleblower) können allerdings wertvolle Beiträge dazu leisten, das Fehlverhalten natürlicher oder juristischer Personen aufzudecken und die negativen Folgen dieses Fehlverhaltens einzudämmen beziehungsweise zu korrigieren. In der Vergangenheit war es immer wieder zu Fällen gekommen, in denen hinweisgebende Personen Nachteile zu erleiden hatten. In anderen Fällen ist davon auszugehen, dass Personen mit Insiderwissen von einer Meldung abgesehen haben, weil sie Repressalien fürchteten.

Wer wird vom Schutz des Gesetzes umfasst?

  • Hinweisgebende Person;
  • Personen, welche die hinweisgebende Person unterstützen;
  • Personen, die Gegenstand einer Meldung sind;
  • sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen werden.

Repressalien und jedwede Vergeltungsmaßnahmen gegenüber der hinweisgebenden Person sind untersagt. In diesem Zusammenhang wird auch eine Regelung über eine Beweislastumkehr (§ 36 HinSchG) eingeführt. Arbeitgeber müssen demnach künftig nachweisen, dass Maßnahmen gegen Arbeitnehmer nicht im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Missständen stehen. Die Vermutung, dass die Benachteiligung eine Repressalie für den Hinweis ist, soll aber nur dann bestehen, wenn die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht.

Bedingungen für den Schutz der hinweisgebenden Person

Die Voraussetzungen für den Schutz der hinweisgebenden Person sind in den §§ 33 ff. HinSchG enthalten.

Der Schutz gilt für hinweisgebende Personen, sofern

  • diese eine „interne Meldung“ oder „externe Meldung“ erstattet haben, im Ausnahmefall wird auch eine Offenlegung geschützt,
  • die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.

Folgen bei einer falschen Meldung

Eine falsche Verdächtigung im Rahmen einer Meldung oder Offenlegung kann weitreichende Folgen für die betroffene Person haben. Die Auswirkungen lassen sich unter Umständen nicht mehr gänzlich rückgängig machen. Es sollen jedoch keine überhöhten Anforderungen an hinweisgebende Personen in Bezug auf die Überprüfung der Richtigkeit der Informationen gestellt werden. Deshalb besteht der Schutz für die hinweisgebende Person auch in solchen Fällen, in denen sich der Hinweis als nicht zutreffend herausstellt, die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung jedoch davon ausgehen konnte, dass der Hinweis zutrifft.

Ein Schutz für hinweisgebende Personen besteht allerdings nicht, wenn es sich um eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Weitergabe unrichtiger Informationen handelt. In solchen Fällen ist die böswillige hinweisgebende Person sogar zum Ersatz des Schadens verpflichtet (§ 38 HinSchG).

Welche Rechtsgebiete werden vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasst?

Die hinweisgebende Personen wird von dem Schutz des HinSchG erfasst, wenn sie Verstöße gegen folgende Vorschriften meldet:

1. Verstöße gegen Strafvorschriften: Dies umfasst jede Strafnorm nach deutschem Recht.

2. Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient: Die Regelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers weit zu verstehen. Eine Bußgeldvorschrift dient dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane, wenn sie diesen Schutz bezweckt oder dazu beiträgt, den Schutz der genannten Rechtsgüter und Rechte zu gewährleisten. Darunter fallen beispielsweise Vorschriften aus folgenden Bereichen:

  • Arbeitsschutz,
  • Gesundheitsschutz,
  • Verstöße gegen das Mindestlohngesetz,
  • Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes,
  • Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten, Konzernbetriebsräten, Wirtschaftsausschüssen sanktionieren (§ 121 BetrVerfG).

3. Darüber hinaus sind alle Verstöße gegen Rechtsnormen umfasst, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurden. Dies umfasst eine Vielzahl verschiedener Bereiche, die zur Umsetzung der EU-Whistleblower-RL im HinSchG enthalten sind. Dies sind beispielsweise folgende Bereiche:

  • Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche,
  • Vorgaben zur Produktsicherheit,
  • Vorgaben zur Beförderung gefährlicher Güter,
  • Vorgaben zum Umweltschutz, Strahlenschutz,
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
  • Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten,
  • Regelungen des Verbraucherschutzes,
  • Regelungen des Datenschutzes,
  • Sicherheit in der Informationstechnik,
  • Vergaberecht,
  • Regelungen zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften.

Informationen über Verstöße sollen nach dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses aber nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.

Wahlmöglichkeit zwischen „interner“ und „externer Meldestelle“

Hinweisgebende Personen haben die Wahl, ob sie sich an eine „interne Meldestelle“ des Unternehmens oder eine „externe Meldestelle“ der Behörden wenden.

Die hinweisgebenden Personen sollen jedoch in denjenigen Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen.

Pflicht zur Einrichtung einer „internen Meldestelle“ für Unternehmen

Welche Unternehmen werden vom HinSchG umfasst? 

Um ein weitgehendes und einheitliches Schutzniveau zu erreichten, wird der Kreis der Beschäftigungsgeber durch den Gesetzgeber weit gefasst. Dies sind  

  • natürliche und juristische Personen des Privatrechts wie der eingetragene Verein, die eingetragene Genossenschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts;
  • juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften sowie Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene;
  • rechtsfähige Personengesellschaften und  
  • sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen. 

Umfasst werden deshalb auch 

  • Anstalten, wie die Landesrundfunkanstalten;
  • öffentlich-rechtliche Stiftungen;
  • die evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden; 
  • sonstige gemäß Artikel 140 GG, Artikel 137 Absatz 5 der Weimarer Reichsverfassung als Körperschaften des öffentlichen Rechts oder nach entsprechenden Bestimmungen des Landesrechts anerkannte oder als Vereine des BGB konstituierte Kirchen und  
  • sonstige Religionsgemeinschaften. 

Mit dem HinSchG wird  eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sogenannte „interne Meldestelle“): 

  • für Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitende sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also ab dem 02. Juli  2023.
  • für kleinere Beschäftigungsgeber mit mehr als 50 Mitarbeitende (und bis 249 Mitarbeitende) ab dem 17. Dezember 2023.

Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden können gem. § 14 Abs. 2 HinSchG-E eine „gemeinsame Meldestelle“ betreiben. 

Für Gemeinden und Gemeindeverbände richtet sich die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen nach dem jeweiligen Landesrecht, da dem Bund insoweit infolge des „Durchgriffsverbots“ eine unmittelbare Aufgabenübertragung an Gemeinden und Gemeindeverbände verwehrt ist. Im jeweiligen Landesrecht kann vorgesehen werden, dass Gemeinden und Gemeindeverbände mit weniger als 10 000 Einwohnern von der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ausgenommen werden. Hier werden also zeitnah noch Landesgesetze der Bundesländer zu erlassen sein. 

Regelungen in Konzernen

Nach § 12 HinSchG müssen alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden (siehe vorstehend) eine eigene interne Meldestelle einrichten. § 14 HinSchG erlaubt es jedoch, einen „Dritten“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen.

Gemäß dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip kann auch bei einer anderen Konzerngesellschaft (zum Beispiel Mutter-, Schwester-, oder Tochtergesellschaft) eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ im Sinne von § 14 HinSchG eingerichtet werden, die auch für mehrere selbständige Unternehmen in dem Konzern tätig sein kann. Dabei ist es nach Ausführungen des Gesetzgebers allerdings notwendig, dass die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, immer bei dem jeweiligen beauftragenden Tochterunternehmen verbleibt.

Durch den Betrieb solcher „gemeinsamen“ internen Meldestellen, die für die jeweiligen rechtlich selbstständigen Tochterunternehmen tätig werden, kommt es jedoch nicht zu einem Übergang der Verantwortung. Die Expertise für die Bearbeitung von Meldungen läge dann konzentriert bei der internen Meldestelle, die beispielsweise über technische Meldekanäle und Personal verfügt und auch interne Ermittlungen in den jeweils betroffenen Konzernteilen durchführen kann, wohingegen die Verantwortung und die Verpflichtung zum Abstellen des Rechtsverstoßes beim jeweiligen Tochterunternehmen verbleiben.

Soweit eine Berichterstattung an die Konzernleitung erforderlich erscheint, z. B. weil ein Verstoß nicht nur das konkrete Unternehmen betrifft, muss diese unter voller Wahrung der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person durch oder im Auftrag des jeweiligen Tochterunternehmens erfolgen. In jedem Fall ist zu gewährleisten, dass die Stelle, die im Konzern mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragt wird, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig ist und auch das Vertraulichkeitsgebot beachtet.

Dabei ist mit Blick auf etwaige Umsetzungsunterschiede in den einzelnen EU-Staaten bei transnational tätigen Konzernen das hinweisgebende Personen schützende Recht des jeweiligen Staates zu beachten.

Somit ergeben sich folgende Möglichkeiten für Tochtergesellschaften von Unternehmen oder sonstigen juristischen Personen:

Muttergesellschaft

Tochtergesellschaften

Anforderungen an die interne Meldestelle

Weniger als 50 Mitarbeitende

keine Verpflichtung

Zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden

Eine interne Meldestelle ab 17.12.2023;

gemeinsame Meldestelle mit anderen Unternehmen möglich.

Mehr als 250 Mitarbeitende

Tochtergesellschaften mit weniger als 50 Mitarbeitenden

Eine interne Meldestelle für die Muttergesellschaft ab dem 02. Juli 2023.

Mehr als 250 Mitarbeitende

Tochtergesellschaften zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden

Eine interne Meldestelle für die Muttergesellschaft, die Tochtergesellschaften können an dem Verfahren der Mutter teilhaben.

Pflicht besteht ab dem 02. Juli 2023.

Mehr als 250 Mitarbeitende

Tochtergesellschaft haben auch mehr als 250 Mitarbeitende

Eine interne Meldestelle für die Muttergesellschaft.

Die großen Tochtergesellschaften benötigen ein eigenes System, können jedoch die Muttergesellschaft mit dem Betrieb der „internen Meldestelle“ beauftragen.

Bearbeitung des Hinweises muss aber bei der Tochtergesellschaft erfolgen (Schutz der Vertraulichkeit).

Pflicht besteht ab dem 02. Juli 2023.

Anforderungen an die „interne Meldestelle“ 

Gemäß § 16 HinSchG sind die Meldekanäle sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Es muss also sichergestellt werden, dass keine unberechtigten Personen Zugriff auf die Identität der hinweisgebenden Person oder den Hinweis selbst haben. Dies hat Auswirkungen auf die technische Ausgestaltung des internen Meldekanals (siehe nachfolgend). 

Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen.

Von besonderer Bedeutung ist der Schutz der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person. Wesentlich für die Akzeptanz des Hinweisgeberverfahrens ist ein wirksamer Schutz der Identität der hinweisgebenden und sämtlicher von einer Meldung betroffenen Personen. Die Identität darf dabei grundsätzlich nur den jeweils für die Bearbeitung einer Meldung zuständigen Personen bekannt sein. Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person oder einer Person, die Gegenstand einer Meldung ist, sollen nur in Ausnahmefällen herausgegeben werden dürfen, etwa in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden.  

Anforderungen an die Personen, die Hinweise entgegennehmen

Gem. § 15 HinSchG müssen die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein. Sie können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Es ist dabei allerdings sicherzustellen, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen. 

Darüber hinaus ist das Unternehmen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.  

Was bedeutet „Fachkunde“: Dies erläutert der Gesetzgeber leider nicht konkreter.

Letztendlich umfasst dies nach Auffassung des Autors folgende Erfahrungswerte bei der Entgegennahme vertraulicher Hinweise: Erfahrungen in der Gesprächsführung mit solchen hinweisgebenden Personen sowie Erfahrungen mit der Bewertung der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Hinweises bzw. der hinweisgebenden Person.

Deshalb stellt sich für kleinere oder mittlere Unternehmen die Frage, ob bei der zu erwartenden geringen Anzahl von Hinweisen (siehe nachfolgend) es sinnvoll ist, eine interne Person mit der Bearbeitung von Hinweisen zu beauftragen und diese Person entsprechend zu qualifizieren. Es wird i. d. R. effizienter sein, eine erfahrene externe Ombudsperson mit der Entgegennahme und ersten Bearbeitung von eingehenden Hinweisen zu beauftragen. Die Ombudsperson, die den Hinweis in diesem Fall entgegennimmt und bearbeitet, ist aber ein zur Wahrheit verpflichteter Zeuge. Auch einem Rechtsanwalt stehen in dieser Phase keine besonderen Zeugnisverweigerungsrechte zu, siehe hierzu Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 27.6.2018, 2 BvR 1405/17). Deshalb nennt der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung zu § 14 HinSchG als mögliche Dritte, die eine interne Meldestelle betreiben können, externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter. 

Umgang mit anonymen Hinweisen

Dies war der umstrittenste Bereich des Gesetzgebungsverfahrens. Nunmehr ist in § 16 HinSchG keine Verpflichtung zur Entgegennahme anonymer Meldungen enthalten, sondern nur eine „soll“-Regelung. Die interne Meldestelle soll auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

Von besonderer Bedeutung bei dieser Frage ist jedoch, dass die entsprechenden ISO-Normen (ISO 37301, ISO 37001) die Entgegennahme anonymer Hinweise verlangen. Sollte ein Unternehmen also künftig eine Zertifizierung nach diesen ISO-Normen anstreben, muss das einzurichtende Hinweisgeberverfahren die Bearbeitung anonymer Hinweise ermöglichen.  

Verfahren bei internen Meldungen

Gem. § 17 HinSchG sind folgende Verfahrensregeln zu beachten: 

  • Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person spätestens nach sieben Tagen;
  • Prüfung, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des § 2 HinSchG fällt;
  • Kontakt mit der hinweisgebenden Person halten, ggf. um weitere Information ersuchen; 
  • Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung prüfen;
  • angemessene Folgemaßnahmen ergreifen;
  • Rückmeldung an die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung;  
  • die Rückmeldung soll die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese enthalten, sofern dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder die in der Meldung genannt werden, nicht beeinträchtigt werden; 
  • die Hinweise sind unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebotes zu dokumentieren. Diese Dokumentation ist drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen, sofern es zur Bearbeitung des Hinweises oder nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich und verhältnismäßig ist, die Dokumentation noch länger zu speichern.

Interne und kostengünstige Lösungen für Meldekanäle können gegen das Vertraulichkeitsgebot des Hinweisgeberschutzgesetzes verstoßen

Intuitiv wird wohl seitens der Unternehmen zunächst eine interne und kostengünstige Lösung angestrebt. Werden die möglichen Meldekanäle jedoch vor dem Hintergrund der Anforderungen der EU-Richtlinie und des HinSchG betrachtet, stößt man auf Konfliktfelder:

Bei der Einrichtung einer internen E-Mail-Adresse oder internen Telefonnummer für die vertrauliche Meldung von Hinweisen kann i. d. R. nicht garantiert werden, dass nicht zuständige Personen (hier das IT-Personal des Unternehmens mit seinen administrativen Rechten) in das System eingreifen können und Kenntnis vom Anrufer (über die Rufnummer) oder sogar vom Inhalt des Hinweises erhalten (durch Zugriff auf den Mail-Server). Dies widerspricht jedoch dem Gebot des Gesetzes, dass nicht befugte Mitarbeiter keinen Zugriff auf die übermittelten Meldungen haben dürfen.

Demzufolge verbleibt für eine telefonische interne Meldestelle die Einrichtung einer für den Anrufer kostenlosen externen Nummer, bei der die Erfassung der Rufnummer des Anrufers unterdrückt werden kann (wie z. B. das „freecall 0800 Smart“-Angebot der Telekom), wobei der Anruf entweder auf einer Voicebox aufgenommen oder von einer Ombudsperson oder internen Person im Unternehmen entgegengenommen wird.

Faktisch verbleiben also wenige Optionen: Die Einrichtung eines IT-gestützten Systems oder die telefonische Entgegennahme des Hinweises über eine externe Telefonnummer mit der Unterdrückung der Rufnummer des Anrufers. Der unter Umständen dennoch abträgliche Faktor hinsichtlich einer externen Ombudsperson: Die Kosten. Eine permanent per Telefon erreichbare Ombudsperson, die alle für die Organisation relevanten Sprachen bedienen kann und sogar noch verschiedene Zeitzonen abdeckt, kann durchaus nicht unerhebliche Kosten verursachen.

Faktisch verbleiben folgende Optionen für die Einrichtung eines Hinweisgeberschutzsystems:

Die Einrichtung eines IT-gestützten Systems oder die telefonische Entgegennahme des Hinweises über eine externe Telefonnummer mit der Unterdrückung der Rufnummer des Anrufers.

Meldekanal

Empfehlung

equeo CompCor

Begründung

Interne Telefonnummer

Erfüllt nicht die Anforderungen des HinSchG

Zugriff der internen IT-Administration in das Meldesystem kann nicht verhindert werden.

Interne E-Mail-Adresse

Erfüllt nicht die Anforderungen des HinSchG

Zugriff der internen IT-Administration in das Meldesystem kann nicht verhindert werden.

Voicebox

Erfüllt nicht die Anforderungen des HinSchG

Eingangsbestätigung des Hinweises an den Meldenden nicht möglich.

Externe Telefonnummer mit der Funktion der Unterdrückung der Rufnummer, wahlweise auch über Ombudsperson

Für kleinere Unternehmen geeignet, aber ab einer gewissen Größe der Organisation ggf. zu kostenintensiv

Sicherstellung der permanenten Erreichbarkeit (trotz unterschiedlicher Zeitzonen etc.) und Verhinderung von Sprachbarrieren verursachen u.U. hohe Kosten.

Persönliche/physische Zusammenkunft

schwierig umsetzbar

Sprachbarrieren möglich, Meldender ist dem Hinweisempfänger nicht bekannt, Art und Weise der Treffpunktvereinbarung etc. unklar.

IT-gestütztes Hinweisgebersystem

Erfüllt alle Anforderungen des HinSchG

Vollumfängliche Erfüllung der Anforderungen des HinSchG.

Quelle: equeo ComCor GmbH

Schadensersatzansprüche bei Verstoß gegen das Hinweisgeberschutzgesetz 

Das HinSchG enthält zwei spezielle Schadensersatzvorschriften: Zum einen ist der hinweisgebenden Person bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot der daraus entstehende Schaden zu ersetzen.

Zum anderen ist im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet. 

Sanktionen, Bußgelder bei Verstoß gegen das Hinweisgeberschutzgesetz

Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG können als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet werden können.  

Dies gilt beispielsweise für Unternehmen, die keine interne Meldestelle einrichten, die Meldungen behindern oder die Repressalien gegen die hinweisgebende Person ergreifen. Die Bußgeldandrohung bei Verstößen gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle ist aber erst ab dem 01. Dezember 2023 anzuwenden (§ 42 Abs. 2 HinSchG).

Mit Bußgeld bedroht wird daneben auch das wissentliche Offenlegen unrichtiger Informationen

Externe Meldestelle

Eine zentrale externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden. Daneben sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden. Die externe Meldestelle des Bundes beim BfJ soll mit einer Bund-Länder-übergreifenden Zuständigkeit ausgestattet werden, die sowohl den öffentlichen Sektor als auch die Privatwirtschaft betrifft. Den Bundesländern steht es frei für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten. 

Meldungen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz und Datenschutz

Nach Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden ist die Einrichtung und Nutzung firmeninterner Meldekanäle „unter besonderer Berücksichtigung des von dem Unternehmen verfolgten Zwecks und der Einrichtungsmodalitäten datenschutzgerecht“ möglich. Da nach Auffassung der DSK die Meldung von Missständen ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen birgt, bedarf es im Einzelfall einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA).  

Informationen hierzu enthält die „Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zu Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz“ . 

Wie viele Hinweise sind mit der Einführung des Hinweisgeberschutzgesetzes zu erwarten?

In der Diskussion werden immer wieder Sorgen geäußert, dass nach Einführung solcher Hinweisgeberkanäle mit einer Vielzahl von wenig begründeten Hinweisen gerechnet werden müsste. Dies entspricht allerdings nicht den bisherigen Erfahrungswerten. 

Der US-Marktführer solcher Systeme (Fa. NAVEX Global) veröffentlicht jährlich auf der Basis einer hohen Kundenzahl dazu Statistiken und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitenden durchschnittlich mit 5 Hinweisen pro Jahr zu rechnen hat. Der Gesetzgeber geht in der amtlichen Begründung des HinSchG von 4 Hinweisen pro 1.000 Mitarbeiter pro Jahr aus. 

IT-gestütztes Hinweisgebersystem: Entwicklung interner oder Einkauf externer Lösung?

Vor dem Hintergrund der bereits genannten Statistiken und der daraus resultierenden begründeten Annahme, dass mit Einführung eines Hinweisgebersystems kein „Sturm von Hinweisen“ einsetzen wird, stellt sich die strategische Frage, ob bei der Wahl eines IT-gestützten Hinweisgebersystems eine interne Lösung entwickelt oder auf einen externen Anbieter zurückgegriffen wird. 

Die Kosten für die Entwicklung einer internen Lösung, die allen gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, sind nicht unerheblich, sodass die Inanspruchnahme eines externen Anbieters naheliegt. 

Eine Marktbetrachtung zeigt, dass es bereits einige Adressen gibt, die entsprechende Services anbieten. Bitte beachten Sie bei der Auswahl eines externen Anbieters aber insbesondere die Anforderungen der getrennten Datenverarbeitung für größere Tochtergesellschaften und insbesondere die Anforderungen der Datenschutzbehörden (DSFA zwingend erforderlich).  

Fazit zum kommenden Hinweisgeberschutzgesetz

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz tritt nun am 02. Juli 2023 in Kraft.  Wenn betroffene Unternehmen und Vereine die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht umsetzen, besteht ab dem 01. Dezember 2023 die Gefahr eines Bußgeldverfahrens.  

Bereiten Sie sich deshalb zeitnah auf die Umsetzung vor. Bitte bedenken Sie, dass eine Vielzahl von Unternehmen und Behörden betroffen sein werden und die Nachfrage nach IT-gestützten Hinweisgebersystemen auf einem begrenzten Anbietermarkt mit Verabschiedung des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes deutlich ansteigen dürfte.  

Bitte berücksichtigen Sie bei der Zeitplanung auch, dass ein solches Verfahren in der Regel der Mitbestimmung unterliegt.

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