Obstruktive Atemwegserkrankungen: Alles zur DGUV-Empfehlung

Bei obstruktiven Atemwegserkrankungen handelt sich um weit verbreitete Verengungen (Obstruktionen) der Atemwege. Hierzu zählen die chronische Bronchitis, das Lungenemphysem und Bronchiektasen. Betroffen sind Beschäftigte in sehr unterschiedlichen Branchen, vom Friseurhandwerk bis hin zu Gießereien und der Landwirtschaft. Arbeitsmedizinische Vorsorgen nach der DGUV-Empfehlung „Tätigkeiten mit Stoffen, die obstruktive Atemwegserkrankungen auslösen können“, richten sich somit an Beschäftigte mit sehr diversen beruflichen Hintergründen.

Obstruktive Atemwegserkrankungen betreffen Beschäftigte, die an ihren Arbeitsplätzen atemwegsreizenden oder -sensibilisierenden Stoffen in erhöhtem Maße ausgesetzt sind. Mit der DGUV Empfehlung „Tätigkeiten mit Stoffen, die obstruktive Atemwegserkrankungen auslösen können“ sollen obstruktive Erkrankungen der Atemwege, zum Beispiel eine chronische Bronchitis, möglichst verhindert, frühzeitig erkannt oder Verschlimmerungen verhütet werden. Besonders betroffene Arbeitsbereiche und -verfahren sind das Behandeln von Oberflächen, die Galvanotechnik, das Friseurhandwerk, Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten, Arbeitsprozesse in Gießereien, Schweißen und verwandte Verfahren, Kunststoffverarbeitung und Vulkanisieren von Gummi sowie diverse Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft.

Was sind die Hauptauslöser der Erkrankungen?

Obstruktive Atemwegserkrankungen können durch allergisierende, irritierende oder toxische Stoffe am Arbeitsplatz hervorgerufen oder verschlimmert werden. Die für die obstruktiven Atemwegserkranken relevanten Stoffe werden in 4 Gefährdungsgruppen unterteilt: 

  1. Atemreizende und -irritierende toxische Stoffe
  2. Atemwegssensibilisierende Stoffe
  3. Platinverbindungen
  4. Unausgehärtete Epoxidharze und Kunstharze.

Für die Feststellung einer erhöhten Gefährdung der Beschäftigten ist nicht allein die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Luftgrenzwerte relevant. Darüber hinaus sollten Arbeitgeber auch auf die individuell unterschiedlichen Anfälligkeiten ihrer Mitarbeiter achten, zum Beispiel in Bezug auf Allergien.
Zu den Stoffen, die bei Beschäftigten obstruktive Atemwegserkrankungen auslösen können, zählen:

  • Unausgehärtete Epoxidharze (Dicarbonsäureanhydride)
  • Unausgehärtete Kunstharze (Ethylendiamin)
  • Beryllium (Flug- und Raumfahrtindustrie, Leuchtstoffröhrenherstellung, Werkzeugindustrie)
  • Cobalt (Glas-, Keramik-, Emaille-, Metallindustrie, Hartmetallherstellung)
  • Nickel (Galvanik, Schweißräuche)
  • Platin und Platinverbindungen (Katalysatorherstellung)
  • Chromatieren, Phosphatieren, Eloxieren, Beizen, Verzinken, Vernickeln, Vermessingen
  • Entfetten und Anti-Korrosionsschutz
  • Abbeizen und Ablaugen
  • Isocyanate (z.B. Klebstoffe)
  • Klebstoffe, Grundierungen
  • Anstreichen und Beschichten (Farben, Lacke etc.)
  • Holzschutzmittel
  • Persulfate (Blondiermittel)
  • Reinigungs- und Desinfektionsmittel
  • Duftstoffe
  • Pflanzliche Stoffe, z.B. Getreide- und Futtermittel, Hölzer, Mehl, Naturgummilatex, Zier- und Nutzpflanze, Kräuter
  • Tierische Stoffe, z.B. Haare, Borsten, Federn, Horn, Kot, Urin, Milben (Vorrats-, Hausstaub-, Spinnmilben), Schimmelpilze wie Aspergillus, Penicillium, Cladosporium, Alternaria

Welche Vorsorgearten sind möglich?

Pflichtvorsorgen muss es geben bei 

  • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Getreide- und Futtermittelstäuben bei Überschreitung einer Luftkonzentration von vier Milligramm pro Kubikmeter einatembarem Staub,
  • Tätigkeiten mit einer Exposition mit Gesundheitsgefährdung durch Labortierstaub in Tierhaltungsräumen und -anlagen,
  • Tätigkeiten mit Benutzung von Naturgummilatexhandschuhen mit mehr als 30 Mikrogramm Protein je Gramm im Handschuhmaterial,
  • Tätigkeiten mit inhalativer Exposition mit Gesundheitsgefährdung, verursacht durch Bestandteile unausgehärteter Epoxidharze, insbesondere durch Versprühen von Epoxidharzen,
  • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Mehrstaub bei Überschreitung einer Mehlstaubkonzentration von vier Milligramm pro Kubikmeter Luft.

Angebotsvorsorgen sind vorzusehen bei

  • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Getreide- und Futtermittelstäuben bei Überschreitung einer Luftkonzentration von einem Milligramm je Kubikmeter einatembarem Staub,
  • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Mehrstaub bei Einhaltung einer Mehlstaubkonzentration von vier Milligramm pro Kubikmeter Luft,
  • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber sonstigen atemwegswirksamen sensibilisierenden Stoffen, für die nach Anhang Teil 1 (2) 2k der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) keine arbeitsmedizinische Vorsorge vorgesehen ist.

Weiterhin muss ein Unternehmen seinen Beschäftigten eine Angebotsvorsorge anbieten, wenn eine Exposition gegenüber atemwegswirksamen sensibilisierenden oder chemisch-irritativen bzw. toxischen Gefahrstoffen nicht ausgeschlossen werden kann und der Arbeitgeber gemäß ArbMedVV keine Pflichtvorsorge zu veranlassen hat.
Eine Wunschvorsorge ist den Beschäftigten ebenfalls zu ermöglichen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.

Welche zeitlichen Abstände gelten für die Untersuchungen?

Die Erstvorsorge wird vor Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt. Die erste Nachvorsorge erfolgt nach 12 Monaten, weitere Nachuntersuchungen nach weiteren 12 bis 36 Monaten und bei Beendigung der Tätigkeit.

Wie läuft die Vorsorge ab?

  • Der Betriebsarzt berät das Unternehmen.
  • Der Unternehmer teilt dem Arzt den Anlass für die Eignungsbeurteilung mit und beauftragt ihn, diese durchzuführen.
  • Der durchführende Arzt muss sich im Vorfeld der Vorstellung die notwendigen Kenntnisse über den Arbeitsplatz des Beschäftigten sowie dessen gesundheitliche Risiken verschafft haben. 
  • Darauf folgt die Eingangsbeurteilung/Eingangsberatung einschließlich einer Anamnese/Allergologischen Anamnese sowie einer Arbeitsanamnese. 
  • Bei der allgemeinen Anamnese erkundigt sich der Arzt unter anderem hinsichtlich der aktuellen und früheren Beschwerden wie beispielsweise Fließschnupfe, Niessalven, Atemnot, sowie sonstige allergische Reaktionen wie Juckreiz oder Hustenreiz.
  • Bei der Arbeitsanamnese fragt der Arzt unter anderem nach
    • Exposition gegenüber allergisierenden Soffen,
    • vermehrtem Auftreten von Beschwerden am Arbeitsplatz,
    • Besserung des gesundheitlichen Zustands abseits des Arbeitsplatzes, zum Beispiel im Urlaub oder Wochenenden.
  • Im Rahmen der allergologischen Anamnese informiert sich der Arzt beim Beschäftigten über
    • ganzjährige und saisonale Beschwerden wie Augenbrennen oder Hautbeschwerden,
    • ärztlich diagnostizierte allergische Erkrankungen wie Neurodermitis oder Bronchialasthma,
    • allergische Erkrankungen in der Familie,
    • Tierkontakte, Hobbies mit Allergenkontakt und das Wohnumfeld.
  • Der Arzt führt nach eigenem Ermessen eine körperliche Untersuchung durch, die aber vom Beschäftigten abgelehnt werden kann. Bei der körperlichen Untersuchung untersucht der Arzt vor allem die Atmungs- und Kreislauforgane des Beschäftigten.
  • Im Rahmen der klinischen Untersuchung wird in der Regel eine Spirometrie (Lungenfunktionsprüfung) einschließlich der Fluss-Volumen-Kurve als Basisuntersuchung vorgenommen. Abhängig von den Befunden wird vom Arzt zusätzlich eine erweiterte Lungenfunktionsdiagnostik (z. B. Bronchospasmolyse-Test) sowie bei Exposition gegenüber sensibilisierenden Stoffen einen Prick-Test und/oder einen spezifischen Immunglobin-Test (IgE) auf Arbeitsstoffe veranlasst.
  • Auch bei allen weiteren Nachuntersuchungen werden die Verfahren der Erstuntersuchung angewandt.
  • Im Anschluss beurteilt der Arzt anhand der Ergebnisse und Befunde der Anamnese, der körperlichen und klinischen Untersuchungen sowie aller notwendigen Informationen zu den Arbeitsplatzverhältnissen, ob eine Nachuntersuchung zu empfehlen ist. 
  • In einem abschließenden Beratungsgespräch klärt der Arzt dem Beschäftigten über die Wirkmechanismen und Risiken der berufsspezifischen Stoffe auf. Weiterhin geht er auf folgende Punkte ein:
    • Beratung zum Rauchverhalten,
    • Bedeutung der Atopie bei der Entstehung allergischer Erkrankung (d.h. Neigung zu einer verstärkten allergischen Reaktion auf normalerweise harmlose Substanzen oder Reize aus der Umwelt. Die Beschwerden treten dann oft an Stellen auf, die mit der allergieauslösenden Substanz selbst nicht in Kontakt gekommen sind),
    • Empfehlungen zu Verhaltensprävention, Arbeitshygiene und Tragen wirksamer PSA.
  • Zum Abschluss händigt der Arzt der untersuchten Person und dem Unternehmen eine Bescheinigung aus, in der Anlass und Beurteilung/Ergebnis zusammengefasst sind. 
  • Nach der Vorsorge muss der Arzt alle Ergebnisse auswerten. Meint er, dass die Schutzmaßnahmen am betreffenden Arbeitsplatz nicht ausreichen, hat er darüber den Arbeitgeber/Unternehmer zu informieren und muss diesem darüber hinaus auch bessere Schutzmaßnahmen vorschlagen. Diese Informationen muss das Unternehmen zur Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und zur Verbesserung der eigenen Schutzmaßnahmen nutzen.

Was sind die wichtigsten Beurteilungskriterien für den Arzt?

Bei der Beurteilung sind für den Arzt vor allem folgende Krankheiten von Relevanz:

  • Überempfindlichkeit der Bronchien, 
  • manifeste obstruktive Atemwegserkrankung, insbesondere Bronchialasthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung,
  • erhebliche Erkrankungen der Lunge, wie beispielsweise Lungengerüsterkrankungen,
  • allergisches Asthma auf die jeweiligen berufsspezifischen Allergene.
Schlagworte zum Thema:  Arbeitsmedizinische Vorsorge